piwik no script img

Österreich: Koalitionsverhandlungen mit der Haider-ParteiDer aufhaltsame Aufstieg

Seit 30 Jahren wird Österreich von roten (na ja: rosaroten) Bundeskanzlern regiert. Jetzt nimmer. Seit 1945 haben die Sozialdemokraten (SPÖ; bis Kreisky „Sozialisten“ genannt) diesen Staat mit der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) unter sich aufgeteilt, unter möglichster Ausgrenzung aller anderen Macht. Das geht jetzt nimmer. Ende der zweiten Republik. Schön wars, baba (österreichischer Abschiedsgruß).

Jetzt kommt der unaufhaltsame Haider, der so aufhaltsam war, hätten Schwarz und Rot weniger blöde Politik gemacht. „Haider ist ein Nazi“ schreien reicht halt nicht. Vorbei, vorbei.

Jetzt kommt der Bürgerblock. Haider ist stark und wird bei wohl baldiger Wahl noch stärker. Aber einen Koalitionspartner braucht er. Er holt sich die ÖVP. Derzeit reichen ÖVP plus Haider für eine solide Mehrheit im Parlament. Inzwischen ist die ÖVP in Meinungsumfragen auf 20 Prozent abgestürzt – von 26,9 Wahlprozenten im abgelaufenen Jahrtausend, im Oktober. Die FPÖ Haiders liegt in Meinungsumfragen bei 33 Prozent – im steilen Aufschwung von 26,9 Wahlprozenten. Auch in kommenden Wahlen könnten die beiden eine knappe Mehrheit reißen.

Sicher ist das nicht. Der Bürgerblock, kaum im Entstehen, ist eigentlich auch schon im Bröckeln. Der Unterschied zwischen dem Krokodil ist bekanntlich, dass es schneller schwimmt, als es rennt. Der Unterschied zwischen Haiders Bürgerblock: dass die ÖVP schneller stirbt, als Haider wächst.

Haider, wendiger Typ, schon im staatsmännischen Outfit, schaut sich also auch bei den Roten um. Er ist zu einer Koalition, statt mit den Schwarzen, mit den Roten bereit. Viktor Klima, bisheriger Bundeskanzler, ist dafür nicht zu haben. Andere Rote schon: Karl Schlögl, bisher Innenminister; Rudolf Edlinger, bisher Finanzminister, Michael Häupl, Wiener Bürgermeister. Haider-Geneigte sind bei den Sozialdemokraten schon leichter zu finden als ehrenwerte Reste der Zunft der antifaschistischen Schlangenbeschwörer.

Wenn die Gegenwart hässlich ist, muss man so weit in die Zukunft vorausschauen, bis sie wieder schöner wird. Wenn die Sozis, in Opposition zum bröckligen Bürgerblock, sich tapfer halten, und wenn die Grünen (7,4 Wahlprozente) weiter so schön wachsen wie laut Meinungsumfragen (zehn Prozent und drüber) – dann, ja dann ...

Sonst steht der SPÖ das Schmoren in der Oppositionshölle bevor, etwa eine so lange Ewigkeit wie von Brandt bis Schröder. Günter Nenning

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen