Der Wochenendkrimi: Eine Poolparty in Nordengland und eine Leiche im See
Deutsche haben eine Vorliebe für englische Krimiserien, die in der Provinz spielen. Eine richtig gute ist „Ellis“ aus dem Jahr 2024. Sie spielt in Nordengland.

V iele Deutsche haben eine Vorliebe für englische Krimiserien, die in der Provinz spielen. Das liegt sicher daran, dass die meisten Serien einfach gut sind (okay, es gibt auch Müll, so etwas wie „Inspector Barnaby“ kommt mir zum Beispiel nicht in meine Kolumne). Es handelt sich in der Mehrzahl eher um Feinkost als deutsche Vorabenddurchschnittsware – oder gibt es doch so etwas wie die Wasserschutzpolizei in Schottland oder Wales?
Die Serie „Ellis“, 2024 entstanden, ist so ein Glücksfall. Staffel 1 startet mit der spielfilmlangen Folge „Blut und Wasser“. Schauplatz ist das beschauliche, leicht hügelige Nordengland. Es ist Herbst, entsprechend trist sehen die Wiesen aus, vom Wetter ganz zu schweigen. Die Region ist dünn besiedelt. Am frühen Morgen kommt ein junger Mann zum See, um seine Runden im Neoprenanzug zu drehen. Im Städtchen (mit nur einer Bar) hat der Schwimmsport viele Fans.
Im See steckt ein Auto, nur halb versunken. Im Wagen die Leiche eines jungen Mannes. Es handelt sich, so viel ist schnell klar, um Rowan (Daire Scully), den Star des lokalen Schwimmvereins. Er war von einer Poolparty kommend mit seiner Freundin Maggie (Freya Hannan-Mills) nachts im Auto unterwegs nach Hause. Von der 17-Jährigen fehlt jede Spur.
Was geschah mit dem Star des Schwimmvereins?
Um den Todesfall aufzuklären und um die Vermisste zu finden, wird Ermittlerin Ellis (toll und in ihrer Heimat keine Unbekannte: Sharon D. Clarke) aus London aufs Land geschickt. Sie soll die lokale Polizei unterstützen, heißt es euphemistisch. Sie ist Spezialistin dafür, festgefahrene Mordermittlungen zu übernehmen. Diese Einmischung von „oben“ kommt gar nicht gut an. Und stimmt ja auch, Ellis wird auf Drängen einer ehemaligen Ministerin nach Nordengland geschickt, sie ist die Mutter von Rowan und traut dem örtlichen Polizeichef nicht über den Weg und wollte „die Beste haben“.
Wer „die Beste“ eigentlich ist, bleibt im Ungefähren. Privates wird nur ganz am Rande gestreift. Und warum ist Ellis eigentlich abkömmlich, wo arbeitet sie, ist sie gerade vom Dienst suspendiert oder was? Fragen, die wohl die nächsten Folgen beantworten werden.
Ellis muss sich, argwöhnisch beäugt, als Außenseiterin behaupten. Sie eckt an und teilt aus, beweist ihre Brillanz als Ermittlerin und muss als schwarze Frau mit Vorurteilen kämpfen. Man schaut ihr dabei gerne zu. Und auch, wie sich das Verhältnis zum Kollegen Harper (Andrew Gower), ihr zur Seite gestellt, langsam wandelt. Er wird ihr engster Verbündeter.
Der Fall ist eine klassische Whodunit-Geschichte, das muss nicht schlecht sein, und ist hier fesselnd in Szene gesetzt. Wer von Anfang an gut aufpasst, bekommt gleich zu Beginn ein paar Verdächtige serviert. Dass der von der örtlichen Polizei flugs verdächtigte Stiefvater der Vermissten nicht der Täter ist, ist der zweifelnden Ellis (und uns) schnell klar. Wie sich die Geschichte entwickelt, ist aber alles andere als klar. Der Druck, Maggie zu finden, steigt von Stunde zu Stunde. Denn Ellis glaubt, dass die Vermisste noch am Leben ist.
, So., 22.15 Uhr, ZDF; weitere Folgen am 17. und 24. 8.
Und so führen die Ermittlungen tief in die für uns Erwachsene meist unzugängliche Welt heranwachsender Teenager. „Die verschweigen doch was“, stöhnt Harper und fragt später, wie man am besten an die jungen Leute herankommt. „Durch ihre Handys“, sagt Ellis. Schön absurd, dass Ellis mit ihrem eigenen Smartphone immer wieder Probleme hat und nur ein kaputtes Aufladekabel dabei hat.
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