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Der Tanzlehrer

■ Bloß nicht „Hamburger Schule“: Der romantische Allround-Entertainer Bernd Begemann ist wieder mal an allen Fronten aktiv

Treffen mit Bernd Begemann können zu filmartigen Veranstaltungen geraten. Man sitzt im verabredeten Vollwertkost-Café, wartet auf den Sänger und wird von einer Kellnerin angesprochen, die verkündet, „ein Bernd Begemann kommt etwas später“. Er habe ausgerichtet: „Suchen Sie nach jemandem, der wie ein Journalist aussieht.“Begemann selbst, der mit geschulterter Sporttasche kommt, sieht aus wie ein Latin Lover, bloß nicht schmierig. Kürzlich hat er einiges an Gewicht verloren, kann jetzt das Hemd wieder weit aufknöpfen. Auf der Bühne braucht es eine gute Figur, und sein Hang zur Pummeligkeit stört den Entertainer. Von den Frauen ganz zu schweigen.

Bald wird Bernd Begemann wieder sehr oft auf der Bühne stehen, und zwar mit der Band Die Antwort, die schon einige Platten eingespielt haben, auf denen ungekünstelter Beat dominierte. Damit ging Begemann der sogenannten „Hamburger Schule“voran und wurde sogar von Alt-Waver und Label-Chef Alfred Hilsberg am Telefon mit Jochen Distelmeyer von Blumfeld verwechselt, der Begemann bald in der Bekanntheit überholte. Delikaterweise stammen beide aus Bad Salzuflen, einer gar nicht coolen Stadt im Westfälischen. Von dort brach Begemann vor zwölf Jahren auf – noch heute kündet „Häuser von Hamburg“vom Kulturschock.

Als „romantischer Rothenburgsorter“machte sich der Songschreiber einen Namen; auch das eigene Platten-Label benannte er nach dem damaligen Wohnort. Bei Die Antwort wirkte eine Zeitlang der Lindenberg-Gitarrist Karl Allaut mit, der, so Begemann heute, allzu sehr „vom Blues und Rock'n'Roll kam“. Außerdem verabschiedete sich die Plattenfirma, weshalb Begemann auf eigene Rechnung Solo-Alben produzierte: Rezession, Baby, Solange die Rasenmäher singen und Jetzt bist du in Talkshows sind sympathische Wohnstuben-Aufnahmen, deren Signum eine gewisse Spießbürgerlichkeit ist.

Der Romantiker lud für seine kurzlebige NDR-Fernsehreihe „Bernd im Bademantel“die Hamburger Rocker Tocotronic ein. Linkisch hampelte der Gastgeber als Entertainer in seiner Wohnung herum und legte Lieblingsplatten auf, die von den anderen erraten werden mußten. Tocotronic agierten temperamentvoll wie unter Valiumeinfluß, später erwies sich auch das putzige Kammermusik-Duo Ja König Ja als unterhaltsam wie der Wetterbericht.

Anders Begemann: Berüchtigt ist die etwas sprunghafte Eloquenz, mit der er seine Gesprächspartner verblüfft. Mit dem Antwort-Comeback wolle er endlich „Spaß haben“, das Album sei „unzynisch“. Aber bloß nicht „Hamburger Schule“. Wieder einmal geht der fröhliche Dilettant locker zu Werke. Seine Liebe zu netten Spinnern wie Buddy Holly und Jonathan Richman schlägt sich nieder in schlichten Arrangements und einer Stimmung, wie man sie bei Rock'n'Roll-Tanzkursen erwartet. Tatsächlich hat Tanzlehrer Begemann mal einen Buddy-Holly-Lookalike-Contest in der „Hollywood Canteen“gewonnen, wie er dem Reporter konspirativ anvertraut. Auch The Jam gelten ihm als verbindliches Trio, an dem sich Die Antwort orientiert. Rock ist dem Nostalgiker verhaßt; er rechnet sich zu den Apollinikern und bemüht dazu Nietzsche. Ein bißchen Narziß darf auch sein.

Trotz Diät langt Begemann beherzt über den Tisch, um das übriggebliebene Gemüse einzusammeln und auf seinen Teller zu laden. In der Rezession, Baby, hat es ein fahrender Liedermacher nicht leicht. Vor dem Auto verteilt er noch Wilkinson-Rasierer, die als Werbe-Gimmicks zur Antwort-Single Ich habe mich rasiert ausgegeben werden. Dann braust das kleine Gefährt davon.

Arne Willander

Zum vorerst letzten Mal tritt Bernd Begemann am Freitag, dem 13. März (23 Uhr) solo in der Schauspielhaus-Kantine auf

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