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Der Sonntaz-Streit„Eine mächtige alte Tante“

Kommende Woche reist Barack Obama nach Berlin. Nur ein Pflichtbesuch, wichtiger sind längst andere Länder, sagen Experten.

Schnell noch den Reichstag absperren. Obama kommt. Bild: dpa

Wenn US-Präsident Barack Obama Mitte kommender Woche auf Staatsbesuch nach Berlin kommt, dann ist das nach Ansicht der ARD-Studioleiterin in Washington, Tina Hassel, eher ein Pflichtbesuch – und keine Herzensangelegenheit. Obama brauche Deutschland „nicht wirklich“, schreibt Hassel im sonntaz-Streit der aktuellen taz.am wochenende.

Hassel, die seit gut einem Jahr US-Korrespondentin der ARD ist, vergleicht die globale Politik mit einer Familie: „Es gibt attraktive Cousins, die 'Zukunft' verströmen und lukrative Chancen versprechen“ – nur säßen diese Cousins für Obama eben nicht mehr in Europa, sondern in Asien und im Pazifik.

Die Bundesrepublik mit Angela Merkel an der Spitze sei in diesem Gefüge eher „eine mächtige alte Tante, an der niemand vorbeikommt“. Merkel halte den Rest Europas auf Kurs und greife dafür „immer wieder tief ins Portemonnaie“. Obama wisse das wohl zu schätzen, schreibt Hassel, mit seinem Besuch wolle er Deutschland bei Laune halten – getreu einem Motto, das in Washington aber nur hinter vorgehaltener Hand kursiere: „Keep the Germans happy and keep them paying.“

An der Rolle Deutschlands als wichtigster Handels- und Bündnispartner habe sich wenig geändert, meint hingegen der Direktor des Münchner Amerika-Hauses, Raimund Lammersdorf. Die Deutschen würden dazu neigen, ihre eigene Macht und Bedeutung zu unterschätzen, Barack Obama aber wisse genau, dass er „immer wieder deutsche Unterstützung brauche“.

Handfeste nationale Interessen

Daran ändere die Hinwendung der USA zu Asien nichts. Für Lammersdorf steht fest: Für die USA bleiben Europa und Deutschland die wichtigsten Partner – „nicht aus Gefälligkeit oder Sentimentalität, sondern aus handfesten nationalen Interessen.“

Josef Braml, USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, stimmt dem zu: „Die USA brauchen Deutschland, die stärkste Wirtschaftsmacht Europas, um ihren eigenen Wohlstand zu sichern. Die gravierenden sozialen und wirtschaftlichen Probleme der USA wiegen derart schwer, dass sie das US-Regierungssystem lähmen. Für einen Aufschwung brauche Obama umfangreiche Freihandelsabkommen, etwa die Transpacific Partnership mit asiatischen Ländern und die Transatlantic Trade and Investment Partnership mit den Europäern.“

Diesen Text lesen Sie in der taz.am wochenende vom 15./16. Juni 2013. Darin außerdem: „Der Krisenmigrant: Eric Vázquez Jaenada ist weg aus Spanien. Hauptsache Arbeit! Also nach Deutschland.“ Der Schriftsteller Andreas Altmann über seine Getriebenheit und seinen Lebenshunger. Und: Deutsche Whistleblower kommentieren die Datenspionage des US-Geheimdienstes NSA. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA wird bei den politischen Gesprächen in Berlin eine wichtige Rolle einnehmen, es gilt als derzeit größtes transatlantisches Projekt.

Auf der anderen Seite des Atlantiks, in Washington, D.C., arbeitet Michael Werz am Center for American Progress, einemd er wichtigsten Polit-Think-Tanks. Er meint, dass Obama auf Deutschland nicht mehr angewiesen sei.

Wenig gemeinsame Ansatzpunkte

Beide Länder hätten zu unterschiedliche Interessen, deswegen sieht Werz im Moment wenig gemeinsame Ansatzpunkte für ein starkes deutsch-amerikanisches Bündnis. Ein Grund sei die Orientierung der USA Richtung Asien. Belastend sei für das Verhältnis aber auch, dass „Deutschland in vielen für die Vereinigten Staaten zentralen Konflikten wie 2011 in Libyen nicht anwesend war“.

Harald Leibrecht, der im Auswärtigen Amt die transatlantischen Beziehungen koordiniert, sieht in Deutschland dagegen weiterhin einen starken Partner der Vereinigten Staaten und weist auf eine enge, historisch gewachsene Freundschaft beider Länder hin. Er ist sich sicher, dass die USA auch zukünftig „auf einen engen transatlantischen Schulterschluss setzen“.

Die sonntaz-Frage beantworten außerdem Crister S. Garrett, Professor für American Studies an der Universität Leipzig, Gayle Tufts, Entertainerin und Autorin, Dieter Schweitzer, Arzt in den USA und in Deutschland, sowie taz-Leser Tobias Brück – in der aktuellen sonntaz vom 15./16. Juni 2013.

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7 Kommentare

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  • WW
    was will die USA wirklich

    17.06.2013 23:12 UHR

    von zum zweitenmal:

     

    Soweit ich informiert bin für Obama seit der Amtsübernahme Krieg mit Lybien. Alle anderen Kriege haben die Bushs angezettelt.

     

    16.06.2013 13:51 UHR

    von Deutscher:

    Ich glaube das es ein sehr wichtiger Besuch ist. Die Amis wollen sich über das Freihandelsabkommen sanieren.

     

    Genau das ist es und das ohne Rücksicht auf Verluste. Das kann die USA sehr gut. Siehe Bücher "Weltmacht ohne Skrupel" und "Economic Hit Man", beide zeigen die Machenschaften und die Rücksichtslosigkeit der USA wenn sie etwas haben wollen, auf und das kaum ein Land in Afrika überlebt hat, wenn die da sind.Die nächste Gefahr ist noch China jedenfalls für Afrika bislang

     

    16.06.2013 13:51 UHR

    von Deutscher:

    Ich vermute wir werden jetzt komplett an die USA verkauft.

     

    Könnte schon sein, die sind sehr viel raffinierter und haben ihren Vorteil im Kopf.

  • ZZ
    zum zweitenmal

    Der alte Kriegsverbrecher kommt um sich zu Verabschieden würde ich mal sagen - das aber auch alles auf seinem "watch" so schrecklich schief gehen musste ist wirklich tragisch für Amerika(ner) - Millionen von unschuldigen "collateral death" Opfer - hundert Millionen leidenden an seiner grottigen Politik die absolut nie ihre Versprechen hielt.

    Der versprochene "Change" kam letzten endes nur auf Kosten der Bürger (man siehe die um Trilliarden unterschätzte "Obamacare")

    Frieden !?!?!?!?!? Wie - Wo -Was - hab ich was verpasst Krieg wird weiterhin geführt nur mehr und illegitim, initernationales Kriegsrecht brechend.

    Transparency sollte es auch etwas geben, diese Aussage wurde wohl fehlgedeutet denn die einzigen die ihre Kalkulationen, Telefonate, Privaten Verhätnisse bis ins kleinste Detail offenlgen und sich Praktisch vor dem Staat Ausziehen dürfen sind die "Terroristen". Die letzteren sind allerdings plötzlich ALLE Menschen dieses Planeten (ausgenommen derer, die sich dieser Beschuldigung freikaufen können) durch immer heftigere attacken gegen "den Terrorismus" - nur (zum Glück) gehen ihnen die Täter aus und nun werden halt einfach ALLE kriminalisiert um den industriellen,faschistichen,internationalen, Banken und Politik geforderten Krieg gegen Menschen und Mesnschlichkiet weiterhin zu bekräftigen.

     

    Ich sage nur Krieg diesem MenschenrechtsVerbrecher !

     

    Der mann ist wirklich nur zu Verabscheuen ! Pfui !

     

    Und liebe Taz, falls ihr nicht daraufgekommen seit dann ist hier richtig - richtig was im Argen!!!

     

    Danke mit Grüssen und Wünschen an den Weltfrieden und seine Völker -ausdrücklich nicht an die "herrschende Politik" und Herrn Obama!

     

    ein empörter,

     

    Valentin M. , Berlin

  • H
    Herbert

    Den Kriegsnobelpreisträger (Lybienkrieg selbst angefangen, Syrien und Iran geplant) als Partner zu haben ist nicht unbedingt eine ehre.

  • D
    Deutscher

    Ich glaube das es ein sehr wichtiger Besuch ist. Die Amis wollen sich über das Freihandelsabkommen sanieren.

     

    Komisch das Journalisten das nie merken. Immer wenn Politiker auf unwichtig machen, wird´s richtig wichtig.

     

    Siehe Abstimmung ESM: Am Freitag war eine super wichtige Abstimmung und es wurde so getan als würde es um nichts gehen.

     

    Ich vermute wir werden jetzt komplett an die USA verkauft.

  • L
    Lennart

    Es wäre klasse, wenn ihr ein wenig mehr auf das Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) einginget - das ist nämlich eine ziemliche Katastrophe: Geben wird's das nur, wenn Europa den niedrigen Verbraucher- und Datenschutzstandards und wesentlichen weiteren tiefgreifenden Veränderungen, die den europäischen Wirtschaftsraum an den US-amerikanischen anpassen, zustimmen wird.

  • D
    D.J.

    Meiner Meinung nach brächten - berechtigte - lautstarke Demonstrationen gegen den Kriegstreiber und Spitzelchef Obama nicht viel. Bekommt niemand mit, zu weit weg. Weit effektiver wäre, massenweise hinzugehen und nichts anderes zu tun als ihm den Rücken zuzuwenden, wenn er seine Rede hält. Jeder demokratisch und liberal eingestellte Berliner, gleich aus welchem politischen Lager, sollte seinen Hintern hochbekommen. Übel sind die Zeiten, so übel, dass man die USA mittlerweile vor sich selbst beschützen muss.

  • TB
    Thomas Bode

    Ständig wird furchtsam die Frage gestellt ob die USA Deutschland oder die Europa noch "braucht". Oft läuft es darauf hinaus dies zu bezweifeln, und somit ein Argument zu liefern dass wir eine USE schaffen müssen. Das ist schlicht ein Mythos. Hinter dem Begriff "Pazifik", was verbirgt sich denn da? Beispielsweise das gute alte Japan, zu dem die Beziehungen kaum enger werden können als sie schon sind. Dann natürlich China, was aber offensichtlich in viel höherem Maß Gegner ist als Partner. Und sonst? Die Philippinen, Thailand, Vietnam? Puncto Größe und Kultur sind die wohl kaum kompatible Partner, und sie verstehen sich schon untereinander nicht. Die USA setzen in der Region derzeit ihre Duftmarken, eben weil sie China eindämmen wollen, nicht weil sie bessere "Freunde" gefunden haben.

    Aber es macht sich immer gut mit sorgenvoll gefalteter Strategen-Stirn von der Ausrichtung der USA zum Pazifik zu raunen. Eigentlich schockierend welch platte Thesen verbreitet werden.

    Wie sehr Deutschland die USA braucht könnte man ja auch mal fragen. Und was "brauchen" überhaupt bedeutet.

    Der Glaube dass "Größe" überhaupt ein Faktor ist der für das Wohl der Bürger von Staaten förderlich ist, ist auch ein Mythos. Eher ist es so dass in einem Mega-Staat wie USA, China oder Russland der Einzelne viel weniger demokratische Macht hat und auch leichter durch de Rost fällt. Bürgern kleinerer Staaten, die auch nicht Teil eines Blockes sind wie ehemals Skandinavien, derzeit Singapur, Australien, Kanada, geht es hingegen recht gut. Wenn man immer nur Mythen die einem in den Kram passen penetriert wird man nie rationale Politik für konkrete Menschen machen. Aber darum geht es, und nicht Großmannssucht auszuleben, wie es gerade die USE-Forderer umtreibt.