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Der Sonntaz-Streit„Masernpartys sind Körperverletzung“

In Gemeinschaftseinrichtungen sollte es eine Impfpflicht geben, meint Eckart von Hirschhausen. taz-Leserin Sandra Köhrich wünscht sich Kinderärzte mit mehr Zeit.

So hatte sich die dreijährige Lena ihre Masernparty nicht vorgestellt: Auf einen Muffin kamen zwanzig rote Pusteln Bild: sör alex / photocase.com

BERLIN taz | In der Diskussion um den Umgang mit dem Ausbruch von Masern hat auch der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion Jens Spahn (CDU) eine Impfpflicht gefordert. Er wolle zwar niemanden dazu zwingen – „aber in öffentlichen Einrichtungen wie Kita oder Schule sollte es eine Impfpflicht geben“, sagt er im sonntaz-Streit. Nicht zuletzt, betont er, um die Kinder zu schützen, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden dürfen.

Auch Johannes Singhammer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CSU, spricht sich für eine Impfpflicht aus. Man müsse die Impfkompetenz des Einzelnen stärken, damit auch notwendige Folgeimpfungen durchgeführt und hohe Durchimpfungsquoten bei Kindern und Erwachsenen erzielt würden. „Wenn Aufklärung und Information zu keinen entscheidenden Verbesserungen beim Impfverhalten führen, werden wir über eine Impfpflicht nachdenken müssen."

Impfzwang? Das klinge so, als müssten die Ärzte den Anthroposophen einzeln mit einer Spritze hinterherrennen, meint der Arzt und Komiker Eckart von Hirschhausen. Das sei natürlich Quatsch. Aber: „So wie es beim Sicherheitsgurt selbstverständlich ist, eine Schutzmaßnahme verbindlich zu machen, wenn die Folgekosten die Solidargemeinschaft trägt, so macht Impfen für alle bei Masern sehr viel Sinn.“

Wer sich aus der kollektiven Verantwortung stehle, müsse aus Gemeinschaftseinrichtungen ausgeschlossen werden. „Masernpartys“, bei denen nicht geimpfte Kinder mit Kindern, die akut an Masern erkrankt sind, bewusst zusammengeführt werden, seien nicht die Antwort – sondern „vorsätzliche Körperverletzung“.

Gegen die Impfpflicht

taz am wochenende

Warum eine Mutter ihr Kind doch nicht in die Krippe gibt: Die Titelgeschichte „Meiner kommt nicht in die Kita“ lesen Sie in der taz.am wochenende vom 20./21. Juli 2013. Darin außerdem: Die Anti-Euro-Partei Alternative für Deutschland wird dominiert von westdeutschen Männern über 50. An ihrer Spitze steht allerdings eine Frau aus Ostdeutschland. Und: Der Autor Péter Esterházy über die Hölle der Perfektion und das Deutsche in Ungarn. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Sicher sei eine hohe Impfquote Grund zu Freude, sagt Dieter Carius, Experte der DAK-Gesundheit für Fragen der medizinischen Versorgung. Eine Umfrage im Auftrag der DAK hatte vor Kurzem ergeben, dass vier von fünf Deutschen eine Impfpflicht wollen. „Es muss darum gehen, dass jedes Kind eine Gelegenheit zur Impfung bekommt.“ Eine hundertprozentige Quote werde sich aber ohnehin nie erreichen lassen, es werde immer Eltern geben, die ihre Kinder der Impfung entziehen. „Das muss man akzeptieren, auch wenn es gute Gründe dagegen gibt.“

Auch Biggi Bender und Harald Terpe von den Grünen halten einen Impfzwang für nicht sinnvoll. Man müsse sich fragen, wie so etwas in der Praxis durchgesetzt werden soll, meint Terpe, Obmann im Gesundheitsausschuss. Bender weist darauf hin, dass Impfungen zwar Schutz, aber auch Risiko bedeuten. „Da soll die informierte Entscheidung fehl am Platze sein?“, fragt die Gesundheitsexpertin.

taz-Leserin Sandra Köhrich wünscht sich anstelle einer Impfpflicht Kinderärzte, die sich Zeit nehmen, die Eltern wirklich über die Vorteile und auch mögliche Risiken des Impfens aufzuklären. „Unser Kinderarzt hat uns damals einfach hektisch ein paar Broschüren in die Hand gedrückt und das war es dann. Von vorgeschriebener Impfberatung kann da keine Rede sein.“

Die sonntaz-Frage beantworten außerdem Wolfram Hartmann, Präsident des Verbands der Kinder- und Jugendärzte, Marlies Volkmer (SPD), stellvertretende Sprecherin für Gesundheit, Kathrin Vogler (Die Linke), Vorsitzende des Gesundheitsausschusses sowie Cornelia Bajic, Vorsitzende des Zentralvereins homöopathischer Ärzte – in der aktuellen sonntaz vom 20./21. Juli 2013.

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10 Kommentare

 / 
  • @Hanne:

     

    genau so ist es. Thanx.

  • Ergänzung:

     

     

     

    Fachlich und sachlich interessant und zu diskutieren gilt es das Thema, dass Fledermäuse Masern und Mumps übertragen können und sich die Krankheiten so auch bei 100% geimpfter Bevölkerung nicht ausrotten ließe:

     

     

     

    http://www.focus.de/gesundheit/news/gefaehrliche-erreger-fledermaeuse-uebertragen-krankheiten-auf-den-menschen_aid_742493.html

  • P
    powerpi46

    Das Infektionsschutzgesetz (IFSG), das für Gemeinschaftseinrichtungen (Kita, Schule), Militär , Gastronomie etc gilt, und u.a. auch die Masern aufführt, scheint hier weitgehend unbekannt zu sein.

     

    Es ist im Übrigen auch bußgeld- und strafbewehrt.

  • G
    Gast

    Bei einigen Krankheiten gibt es die Möglichkeit der Ausrottung. Das ist durchaus verlockend für spätere Generationen, erspart es doch Impfung und Krankheit. Wer das Wohl des einzelnen - also hier die Vermeidung des sehr geringen Risikos einer Komplikation - über das der Spezies stellt, sollte seinen moralischen Kompass mal neu einstellen. Bei der Polio hat es ja fast geklappt - naja, bis auf die Gegenden mit vielen Verweigerern.

  • J
    Johannes

    nur mal so zur info:

     

     

     

    Masern-Impfstoff Mérieux® Aventis Pasteur MSD 33,43 €

     

    Sandoglobulin® (Immunglobulin ZLB Behring 90,99 €

     

     

     

    und - was haben wir in der schule gelernt ?

     

    faktor x faktor = produkt

     

     

     

    "Mindestens 12 von 16 Mitgliedern[4] der STIKO werden solche Nebentätigkeiten für Pharmaunternehmen oder von diesen unterstützten Organisationen vorgehalten.[5][6] Neuen Antrieb erhielt diese Debatte, als im Herbst 2007 Heinz-Joseph Schmitt seinen Vorsitz der STIKO niederlegte und einen Posten in der pharmazeutischen Industrie annahm.[7] Er ist nun bei Novartis tätig."

     

    "Die Organisation Transparency International stellte zur STIKO fest, „dass die Mehrzahl der derzeit 16 Mitglieder mehr oder minder intensive Kontakte, darunter auch bezahlte Tätigkeiten, zu den wichtigsten Herstellern von Impfstoffen haben.“[9]

     

    beides aus wikipedia

     

    laut statistischem bundesamt haben wir maximal einen(!) todesfall pro tausend erkrankte.

     

    das bedeutet in der regel weit weniger als einen und alle paar jahre 1-2 todesfälle in deutschland im entsprechenden jahr.

     

    bei dieser ungeheuerlichen bedrohung eine impfpflicht für über 80.000.000 bürger zu fordern ist grotesk.

     

    was ich hier schreibe hat nichts (!) mit verschwörungstheorien zu tun. es sind einfach nur bemerkenswerte sachverhalte. es wäre auch ein irrtum zu glauben ich sei ein "impfgegner".

     

    nein - tatsächlich halte ich impfungen für durchaus segensreich.

     

    mir geht es nur darum: ob, wann, womit und wie oft ich oder meine kinder geimpft werden entscheide ich als mündiger bürger selbst. so einfach ist das.

     

     

     

    und - by the way: im durchschnitt werden in deutschland 5 menschen pro jahr vom blitz erschlagen.

  • Wenn man den Gurt als Vergleich hernimmt, muss auch klar sein, dass dieser wirklich einen Nutzen bringt. Nicht, dass ich ihn bezweifeln würde, vor allem auch aus eigener Erfahrung, aber dennoch ein riskanter Vergleich. Besonders weil dieser mit den Folgekosten für die Solidargemeinschaft einher geht. Ich dachte immer, der Gurt solle Leben retten und die Verletzungen verringern.

     

    Die Verknüpfung mit ökonomischen Argumenten ist fragwürdig, da diese sich gedanklich so leicht fortführen lassen, wenn sie für sich alleine aufgeführt werden. Was ist mit Schwangerschaften? Wenn man die Kausalitäten sich zurechtschwurbelt, sollte es ein allgemeines Schwangerschaftsverbot geben, um Kosten, Risiken, Umweltbelastungen und schwerwiegende Endkonsequenz wie der unausweichliche Tod des Kindes (meist eher im Erwachsenenalter) zu vermeiden.

     

    Der Artikel erwähnt ja, dass Impfungen mit Risiken einhergehen. Ich finde in einem demokratischen Staat sollen die Bürger nicht verlernen selbstverantwortlich zu Denken und Entscheidungen zu treffen. Das Zusammenleben ist immer riskant und es gibt nicht das absolute geringste Risiko, welches man aufzwingen kann. Dualistische Denkweisen haben sich noch nie bewahrheitet, nur in Statistiken – durch Anpassung der Parameter.

  • Z
    zebra

    Die Überschrift „Masernpartys sind Körperverletzung“ weckt in mir Assoziationen zu Juli Zehs

  • D
    DasMussDochMalGesagtWerden

    Mir fiel es sehr schwer bis zum Zeitpunkt der jeweiligen Impfentscheidung einigermaßen neutrale Informationen zu erhalten, die ich als Basis für die Entscheidung verwenden konnte. Der Schweizer Verbraucherschutz hat übrigens eine IMHO gute Broschüre dazu. Und dann gibt's bestimmte Impfungen Nürtingen Kombination mit anderen, z.B. Röteln, die zum Zeitpunkt für eine Masernimpfung nicht relevant sind. Oder die Impfung zum Zeitpunkt, welchen die Stiko empfiehlt ist noch zur Stillzeit und wird eher zum Impfversager, was dann bei Röteln Jahrzehnte später Probleme geben kann etc.pp. So hauen sich die Befürworten und Gegner die Dogmen um die Ohren, was auch nicht zur Wahrheitsfindung beiträgt :-(

  • dann sucht Euch halt einen guten Arzt aus, es muss ja nicht ein Kinderarzt sein, ich habe die Impfpässe meiner Kinder bei meinem Hausarzt abgegeben, nach 4 Tagen bekam ich sie mit Kommentar zurück, also sehr einfach !

  • D
    dfg

    Leider gibt es einige verwirrte Kinderärzte, die nicht impfen bzw ihren Patienten von Impfungen abraten.

    Man läßt im Gesundheitswesen auch andere Scharlatane und Sonderlinge zu, soweit die Patienten/Kunden dies auf eigene Kosten und Risiko hin wollen.

    Aber innerhalb der Zwangssolidargemeinsachft der Kassenpatienten kann es so was nicht geben- wer sich innerhlb des öffentichen Sytems bewegt, muß deren Regeln einhalten, deshalb:

    Entzug der Kassenzulassung für nicht impfende Kinderärzte ist erforderlich.

     

    dfg