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Der Sonntaz-Streit„Spinner kann man auch löschen!“

Wer seine Meinung im Netz äußern möchte, solle sich nicht hinter Anonymität verstecken, findet Arianna Huffington. Markus Beckedahl gibt Kontra.

Wo bin ich? Nicht nur im Netz macht Verstecken Spaß. Bild: dpa

Trolle sind nicht nur übergroße, schwerfällige Wesen aus der Mythologie. Im Netzjargon wird als Troll bezeichnet, wer die Kommunikation im Internet durch unsachliche und provokante Kommentare stört.

Gegen solche Trolle will die Gründerin des Online-Nachrichtenportals Huffington Post jetzt vorgehen und anonyme Kommentare fortan verbieten. „Wir wollen einen Schritt weitergehen, um unsere Plattform weiterzuentwickeln und an die Bedürfnisse des erwachsenen Internets anzupassen“, schreibt Arianna Huffington in der sonntaz.

Konstantin von Notz, netzpolitischer Sprecher der Grünen, betont hingegen, dass die Möglichkeit, anonym das Netz zu nutzen, konstituierend für den Grundrechts- und Datenschutz sei. Und er gibt zu bedenken: „Anbieter sind sogar gesetzlich verpflichtet, eine anonyme Nutzung ihrer Dienste zu ermöglichen.“ Zumindest in Deutschland.

Markus Beckedahl, der Gründer von netzpolitik.org, sieht Facebook als den „besten Beweis, dass eine Klarnamenpflicht nicht hilft, zivilisiertere Debatten zu ermöglichen. Wohl aber verhindert eine Klarnamenpflicht, dass intelligente Kommentare geschrieben werden, denn mancher will nicht für jede heutige Meinung in Zukunft belangt werden.“ Die Vertretungsprofessorin für Mediensoziologie an der Universität Trier, Nicole Zillien, findet, dass die Klarnamenpflicht dennoch einen Feldversuch wert ist: „Denn ein freiheitlicher Diskurs ist im Onlinedickicht der Trolle und Spams aktuell kaum noch auszumachen.“

taz am wochenende

Den sonntaz-Streit „Anonyme Kommentare im Netz verbieten?“ lesen Sie in der taz.am wochenende vom 31. August/1. September 2013 . Darin außerdem: Mit der TV-Debatte am Sonntag beginnt die heiße Phase des Wahlkampfs zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück. Ulrich Schulte und Anja Maier stellen ein Paar vor, das ungleicher nicht sein könnte. Den Kandidaten-Check. Und: Was ist konservativ? Auf der Suche nach einer politischen Strömung, die zum Rinnsal geworden ist. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Für Anna Troberg, die Vorsitzende der schwedischen Piratenpartei, gibt es „tausend gute Gründe, sich anonym im Netz äußern zu wollen.“ Zum Beispiel: „Vielleicht bist du ein schwuler Teenager, der noch zu Hause lebt und nicht vor seinen Eltern geoutet werden will. Oder eine Krankenschwester, die vom schlechten Umgang mit alten Menschen in ihrem Altersheim berichten will.“ Beim Versuch, übelmeinende Kommentare zu unterbinden, bringe man auch die Stimmen zum Schweigen, die von der Gesellschaft gehört werden müssten.

„Unter einem Pseudonym kommentieren zu können, gehört zu den wichtigsten Errungenschaften des Internets“, sagt auch Vera Bunse aus der Redaktion von carta.info. Und sie warnt: „Die Konsequenz aus einer rigiden Klarnamenpflicht wäre die Identitätsüberprüfung durch Angabe der Ausweisnummer im Netz und deren Abgleich mit einer Datenbank. Wollen wir das wirklich?“

Die sonntaz-Frage beantworten außerdem Hans-Peter Uhl, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Marcus Stölb, Leiter des Trierer Onlineportals 16vor und die taz-Leser Horst Seeger und Frank Schroeder in der aktuellen sonntaz vom 31. August/1. September 2013.

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14 Kommentare

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  • F
    Frust

    In einer Demokratie könnte man sich als Verfasser zu erkennen geben. In einem Überwachungsstaat nicht. Hier ist man ja schon Dissident, wenn man rote Hosenträger trägt. Aber gelb, die "Farbe des Wahnsinns" kommt bei "Ratten" gut an.

  • Erfahrungsgemäß haben weder Anonymität noch (scheinbare) Klarnamen in irgendeiner Weise Einfluss auf das Verhalten von Internet-Nutzern. Das kann man einerseits an vielen Webseiten sehen, auf denen trotz Anonymität ein angenehmer Umgangston herrscht und andererseits an Seiten mit Klarnamenspflicht und dennoch grausigem Umgangston.

     

    Ob User sich beim Kommentieren benehmen ist praktisch ausschließlich davon abhängig, wie der Hausherr, also der Webseitenbetreiber, sich verhält.

     

    Akzeptiert er jedes Verhalten, dass nicht offensichtlich strafbar ist, dann werden die User sich dementsprechend regelmäßig hart an der Grenze zum Strafbaren verhalten. Das dann mit der bekannten Folge, dass Menschen, die sich einen besseren Umgangston wünschen, lieber fortbleiben - eine klassische Abwärtsspirale.

     

    Setzt der Hausherr hingegen die selben Verhaltensregeln durch, die er auch von Gästen in seinem Wohnzimmer erwarten würde, dann kann das zwar bisweilen ein wenig anstrengend sein, dafür aber werden er ebenso wie seine Gäste mit einem Gesprächsklima belohnt, in dem man sich gerne unterhält.

     

    Ich selbst habe eine Zeitlang ein Forum eines Online-Spiels erst moderiert und später administriert - ein Spiel mit völliger Anonymität, wer wollte konnte sogar ohne eMail-Adresse mitmachen. Dennoch war der Umgangston dort im Forum stets sehr angenehm. Und soetwas führt dann zu einer Aufwärtsspirale - es war fast nie nötig, gegen User einzuschreiten. Offensichtlich hat der vorhandene Umgangston dazu geführt, dass auch Neuankömmlinge sich automatisch erstmal so benommen haben, dass man sie auch 'im eigenen Wohnzimmer willkommen geheißen hätte'.

  • AM
    Aviana Muhr

    Wer wundert sich in einer von Werbung überfluteten Welt über provokante Kommentare; ist doch das Auffallen um des Gesehenwerdens willen ein Wesenszug des Narziß in der hedonistischen Gesellschaft.

  • R
    RLS

    Wie mit persönlichen Daten umgegangen wird kann doch heute jeder sehen, ich vermute die liebe Arianna Huffington hat ein Zweitjob bei der NSA, weil sie mit ihrem Nachrichtenportal bei solchen Aussagen nicht sehr viele Kunden hat.

     

    Jeder Mensch muss in so einer überwachten Welt auch noch die Möglichkeit haben anonym zu bleiben. Wie wichtig dass ist sieht man in der Türkei, man kann sich gegen Tyrannei währen, ohne gleich ins Gefängnis zu müssen.

     

    Die liebe Arianna sollte nicht so viel schreiben, sondern mehr lesen und sich dadurch bilden.

    Als erstes schlage ich Ihr vor:

    George Orwell 1984

  • Was die TAZ-Online gegenüber anderen Medien interessant macht, ist doch das breite Spektrum der Leserkommentare. Hier erfährt man, was in anderen Köpfen vorgeht - oder auch nicht. Die Mehrheit der Leser-Kommentare ist anonym, weil es den meisten Leuten leichter fällt, sich anonym zu äußern. Das finde ich völlig in Ordnung so, denn betont unsachliche. diffamierende, oder hetzerische Postings kann man ja jederzeit löschen. Mit Zensur hat das überhaupt nichts zu tun, eher mit Qualitätssicherung.

  • Die Anonymität ermöglicht eine vorurteilsreduzierte Diskussion.

     

    Wenn niemand weiß, wer hinter dem Pseudonym steht, gewinnt das Argument an Bedeutung.

     

    Sonst werden immer schnell Etiketten vergeben - z.B. Frau, Rentner, Schüler, etc. - die es erleichtern Argumente als interessengeleitet abzuqualifizieren.

    • @Dhimitry:

      Richtig und dennoch gibt auch im Internet Menschen, die gegenüber sachlichen Argumenten völlig resistent sind.

       

      Solche "Spinner" können gelöscht werden, wenn sie menschenverachtende Kommentare posten. Das langt mir.

      • ES
        ein spinner von vielen
        @Fawkrin:

        "menschenverachtend" ist eher subjektiv also ein willkürliches kriterium unliebsame meinung zu diffamieren abzuqualifizieren und sich mit ihr nicht auseinandersetzen zu müssen. wer bestimmt wann wer durch was oder wen verachtet wird oder nicht? ansonsten stimme ich dhimitry mit seinen ausführungen zu. weiterhin ist zu beachten, das bei klarnamen der schutz vor "hausbesuchen" eines anderen lagers, welcher art auch immer, nicht ausgeschlossen ist. das in diesem staate keine voll umfängliche meinungsfreiheit herrscht sei hier noch mal am rande erwähnt.

  • 8G
    889 (Profil gelöscht)

    „Spinner kann man auch löschen!“

     

    :(

  • F
    Ferdi

    Solange im Polizeibericht auch keine Ethnie und keine Klarnamen von Tätern erscheinen, um keine Vorurteile gegenüber Ethnien zu schüren, die gehäuft in der Kriminalstatistik erscheinen, sehe ich nicht ein, dass jede persönliche Meinungsäußerung von mir bis in alle Ewigkeit unter meinem Klarnamen im Netz erscheint. „Denn ein freiheitlicher Diskurs ist im Onlinedickicht der Trolle und Spams aktuell kaum noch auszumachen.“ Diesen Satz halte ich für eine Unverschämtheit. "Freiheitlicher Diskurs" unter Oberaufsicht einer Sprach- und Meinungspolizei ist der Tod jedes "Dialogs mit der Bürgerschaft". Und der funktioniert meiner Meinung nach auch ganz gut "im Onlinedickicht der Trolle und Spams". Außerdem: die Oberaufsicht über Veröffentlichung oder Zensur hat sowieso immer noch der "Moderator" - wie man sieht.

    • G
      gerstenmeyer
      @Ferdi:

      das ist ganz einfach-es gibt realitäten die leider nicht öffentlich gemacht werden sollen um den inneren frieden zu wahren-es könnte sein dass sich manche bürger gedanken machen und wählen wie es nicht sein soll-daher ist das ignorieren

      irgendwo verständlich-aber die gefahr besteht dass die nicht angesprochenen probleme nicht weniger sondern anders werden können

  • AU
    Andreas Urstadt

    Pflicht nicht. Man soll niemanden zwingen.

     

    Aber, wer anonym beitraegt, zeigt keine Integritaet und Maturitaet, keine responsibility. Es ist eine Form von Feigheit (nicht nur wenn man auf facebook jede Woche von einer Fakeadresse friend requests bekommt). Man lernt anonym die Gesellschaft und deren Reaktionen nicht kennen. Anonymitaet bedeutet Entwirklichung und mangelnde Nachvollziehbarkeit. Anonymitaet fuehrt zu keinem persoenlichen Wachstum.

     

    Die moeglichen an Inquisition (nicht zu verwechseln mit investigativen Fragen) erinnernden Folgen sind nicht besser als Anonymitaet und das Aequivalent dazu. Anonymitaet und Inquisition haben keinerlei Reife. Also Folgen durch Arbeitgeber etc usw. Die Dinge, die durch Anonymitaet vermieden werden sollen bleiben gerade dadurch virtuell da und werden nicht progressiv ueberwunden. Gesellschaft aendert sich nicht durch Anonymitaet und auch nicht durch das Ausnutzen von Transparenz mittels Inquisition.

     

    Eine Kompetenz in Aufklaerung fehlt sonst. Bitte kein elektronisches dark age.

     

    Wer anonym agiert, betreibt Wertefragmentierung und steht zu keinen (d h hat ergo keine).

  • KG
    Kein Gast

    Solange sich Konzerne und wohl gefüllte Konten hinter Briefkästen verstecken, solange sollte uns es vergönnt sein, wenn wir uns über die mediale Grütze erbrechen, dies ebenso unter einem Pseudonym zu tun.

     

    Davon abgesehen, Trolle sind doch auch oft sehr praktisch, der Beitrag passt nicht? Ab unter die Troll und Spinnerkeule damit.

     

    Google löst's doch elegant auf youtube.

  • N
    NoKion

    Welche Folgen das beharren auf Klarnamen hat kann man Usenet gut sehen. Meinungsvielfalt ist dort gestorben, letztlich haben einige wenige spießige Trolle mit Klarnamen das größte (und ehemals vielfältigste) Diskussionsforum im Netz komplett hingerichtet.