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Der Macher von Borussia DortmundEchte Liebe für ein großes Amt

Hans-Joachim Watzke will nun Präsident werden. Teure Flugreisen und der unachtsame Umgang mit einem Missbrauchsskandal schwächen seine Kandidatur.

„Ein Lebenstraum“: Aki Watzke will Präsident aller Borussen werden Foto: imago

Als Träumer ist Hans-Joachim Watzke bisher nur selten in Erscheinung getreten, aber als der langjährige Klubchef von Borussia Dortmund in dieser Woche auf seine am Sonntag endende Ära als Geschäftsführer zurückblickt, lässt er sich doch zu einer kleinen Fantasterei hinreißen.

Wenn all die immer noch aktiven Stars, die während der fast 21 Watzke-Jahre in Dortmund spielten, immer noch da wären, „der Haaland, der Lewandowski und die anderen, leck mich am Arsch“, überlegt Watzke – was für eine Traumelf: der amtierende Weltfußballer Ousmane Dembélé, İlkay Gündoğan, Jude Bellingham, Manuel Akanji, Achraf Hakimi, Alexander Isak und so weiter. „Wir waren über die ganzen Jahre immer titelfähig“, sagt er am Mittwoch in einer Art Karrierebilanzgespräch in einer kleinen Runde mit Journalisten.

Doch der unter Watzkes Ägide vollbrachte Aufschwung vom Pleiteklub zur Weltmarke wird nicht im Zentrum stehen, wenn der 66-Jährige am Sonntag aus der Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) abtritt, um sich anschließend zum Präsidenten des e. V. wählen zu lassen. Es handle sich bei diesem Schritt um „einen Lebenstraum“, sagt er. Wahrscheinlich wird er tatsächlich gewählt, obgleich Recherchen des Spiegels und der Sportschau Zweifel von Kritikern nähren, die glauben, Watzke eigne sich nicht für dieses Amt. Weil er sich in Angelegenheiten, die mit Werten und einer Haltung zu tun haben, angreifbar gemacht hat.

Er soll mehrere teure Flüge mit dem Privatjet über den Klub abgerechnet haben, obwohl sie nicht ausschließlich mit seinen Aufgaben beim BVB in Zusammenhang standen oder angesichts der kurzen Strecken überflüssig waren. Obgleich im Rahmen eines Compliance-Verfahrens keine Verstöße festgestellt wurden, deuten die Recherchen darauf hin, dass der Textilunternehmer sich ein recht teures Luxusleben vom BVB mitfinanzieren ließ. Als vor einem Jahr Mitglieder aufbegehrten, weil sie den Sponsoringdeal mit dem Rüstungskonzern Rheinmetall ablehnten, reagierte er eher harsch als verständnisvoll. Und dann ist da noch ein Missbrauchsskandal beim BVB aus den 1990er Jahren, von dem Kritiker meinen, Watzke hätte ihn entschlossener aufklären müssen.

„Macht, was ihr wollt“

Bereits 2010 wurde im Klub bekannt, dass ein ehemaliger BVB-Funktionär während der 1990er Jahre seine Macht genutzt haben soll, um Nachwuchsspieler sexuell zu missbrauchen. Watzke leitete den Fall an Reinhard Rauball, den damaligen Präsidenten des e. V., weiter, geschehen ist wenig. Der beschuldigte Funktionär, der bis heute alles abstreitet, saß weiter in Gremien, wurde Ehrenmitglied, hatte einen Minijob bei Borussia Dortmund und konnte auf dem Klubgelände verkehren, wo sich Minderjährige aufhalten. Als der BVB 2023 Hinweise auf weitere Fälle erhielt und abermals darüber diskutiert wurde, schrieb Watzke in einer Mail an führende Klubverantwortliche: „Macht, was Ihr wollt, aber setzt mich bitte nicht mehr ins cc…“

Es sei um eine „strikte Trennung der Verantwortlichkeiten“ gegangen, teilte der Klub der „Sportschau“ und dem Spiegel dazu mit. Aber weil Watzke im Rahmen seiner Kandidatur für das Präsidentenamt immer betont hat, dass sein Herz viel mehr am e. V. als an der KGaA mit ihren Aktionären hänge, wirkt der Umgang mit dem Fall zumindest unglücklich. Konsequent aufgeklärt wird erst jetzt. In dieser Woche erklärte der BVB, er habe „unlängst“ eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und eine Strafrechtskanzlei „mit der Durchführung einer umfassenden und unabhängigen Untersuchung beauftragt“.

An der Basis ist zu hören, dass zahlreiche Mitglieder weder die Missbrauchsgeschichte noch die Sache mit den Flügen für abschließend geklärt halten. Es gibt also reichlich Konfliktpotenzial auf der Mitgliederversammlung.

Watzke ist eben ein streitbarer Mann, ein Macher, wofür er an anderer Stelle selbst von seinen Kritikern geschätzt wird. Bei der Deutschen Fußball-Liga ist er Aufsichtsratschef, beim Deutschen Fußball-Bund erster Vizepräsident, bei der Uefa sitzt er im machtvollen Exekutivkomitee. Gerade in den deutschen Verbänden gelten seine Positionen als streitbar, aber er steht zu seinen Überzeugungen und ist bereit, für diese zu kämpfen. Für den mittlerweile gescheiterten Investorendeal bei der DFL zum Beispiel, für die Einführung von Stehplätzen in den Europapokalen oder für den Erhalt der 50+1-Regel und im Zweifel auch für politische Reformen, die er als langjähriger Freund von Friedrich Merz begrüßen würde.

Der Sohn eines früheren CDU-Landtagsabgeordneten ist ein Mann, dem nicht nur die Politik von Angela Merkel, sondern auch verschiedene Aktivitäten des DFB viel zu links sind. Zugleich ist er in der Lage, sowohl funktionierende Verbindungen zu St. Paulis linksaktivistischem Präsidenten Oke Göttlich als auch zum Fifa-Chef Gianni Infantino herzustellen, weil er charismatisch und unterhaltsam sein und undogmatisch denken kann. Aber passt dieser Mann auch als Präsident zu einem eingetragenen Verein in einer alten SPD-Stadt? Und was will er eigentlich dort?

Nach den Eindrücken der vergangenen Monate kann man ihm schon glauben, dass er nicht Präsident wird, um aus dem Hintergrund weiter zu bestimmen, wie es Uli Hoeneß in München tut. „Ich glaube nicht, dass ich von der Seitenlinie oft reingrätsche“, sagt er. Leute aus dem Inneren des Klubs berichten, Watzke sei tatsächlich ruhiger geworden und lasse seinen Mitarbeitern viele Freiheiten. „Ich möchte diesen Druck nicht mehr“, hat er im September der Frankfurter Rundschau gesagt. „Am Ende des Tages haben ja doch alle auf mich geschaut, wenn es irgendwo eng wurde. Ich bin nach so vielen Jahren müde, pausenlos operative Entscheidungen treffen zu müssen.“

Wie gut er sich allerdings raushalten kann, wenn wegweisende Entscheidungen anstehen, weiß vermutlich nicht einmal Watzke selbst. Es wäre jedoch verwunderlich, wenn er in der nächsten sportlichen Krise nicht dächte: Das kann ich aber besser als der derzeitige Sportgeschäftsführer Lars Ricken. Und vielleicht wäre dieser Gedanke nicht einmal falsch.

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