■ Der Jubel über die Rettung des Holzmann-Konzerns war groß. Doch was bringt sie wirklich? Mehr staatliche Beihilfen sind eigentlich weder vom Kanzler noch von der EU erwünscht: Tag der Rettung
Die Freude währte nicht lange. Dem spontanen Beifall für Bundeskanzler Gerhard Schröders geschickt inszenierten Auftritt vor den Gläubigerbanken des Philipp-Holzmann-Konzerns folgte postwendend die Ernüchterung. Da hatte man also bis zu 60.000 Arbeitsplätze gerettet. Aber womit? Und um welchem Preis?
Immerhin handelt es sich bei den rund 250 Millionen Mark, die der Bund insgesamt zur Sanierung von Holzmann beitragen soll, um staatliche Beihilfen, einen Bereich, für den Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) noch vor einem halben Jahr Kürzungen angekündigt hatte.
So warf die Financial Times Schröder „altmodischen Interventionismus“ vor, der „mit modernistischer Rhetorik getarnt“ sei. In einer Branche, die mit Überkapazitäten kämpft, hätte das Überleben Holzmanns allein durch seine Gläubiger und den Markt entschieden werden müssen.
Ähnlich äußerte sich auch der Präsident des Bundesverbandes der Mittelständischen Wirtschaft, Mario Ohoven, der von „Wettbewerbsverzerrung“ sprach. Solche Chancen hätten immer nur „die Großen“, erklärte er. 1998 seien 6.000 Bauunternehmen mit 160.000 Arbeitsplätzen pleite gegangen. Holzmann sei daran nicht unschuldig, weil er mit ausländischen Subunternehmern gearbeitet habe, die nur Dumpinglöhne zahlen. Ganz verteufeln wollte Ohoven die Schröder-Aktion jedoch nicht. Immerhin bewahre die Holzmann-Rettung auch etliche Zulieferer vor dem Ruin.
Weniger Kopfzerbrechen dürfte die staatliche Finanzspritze den Wettbewerbshütern in Brüssel machen, die die Beihilfe erst noch genehmigen müssen. Eine „Rettungsbeihilfe“ ist zulässig, wenn sozialpolitische Gründe geltend gemacht werden können – der Erhalt von so vielen Arbeitsplätzen dürfte da schwer genug wiegen.
Allerdings hätte der Bundeskanzler seinen Auftritt vor den Holzmännern lieber ein bisschen verschieben sollen. Denn Rettungsbeihilfen müssen gemäß Artikel 88,3 EG-Vertrag vorher bei der EU-Kommission angemeldet werden. Am Donnerstag jedoch wartete Wettbewerbskommissar Mario Monti noch auf Details. Ein Sprecher erklärte, man habe nun offiziell in Berlin nachgefragt, wie das Rettungspaket aussehen soll.
Die EU-Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen stammen von 1994 und gelten noch bis Ende diesen Jahres. Im März hielt die EU-Kommission schriftliche Klarstellungen für nötig, da der Umfang von ad-hoc-Beihilfen erheblich zugenommen habe und sich solche Finanzspritzen in einem zusammenwachsenden Markt stärker auswirken.
Zeigen zunehmende Verluste, wachsende Lagerbestände und steigende Verschuldung eine schwere Unternehmenskrise an, sind Beihilfen erlaubt, die den Fortbestand des Unternehmens sichern. Sie dürfen nur so lange gewährt werden, bis ein Umstrukturierungsplan erstellt ist und die Kommission darüber entschieden hat – maximal zwölf Monate. Sie sollten sich auf ein Darlehen zu marktüblichen Zinsen oder auf eine Bürgschaft beschränken.
Ob die bei Holzmann angekündigte Entlassung von 3.000 Mitarbeitern der Kommission ausreicht, ist fraglich. Problematisch sind auch die Maßstäbe, die die Kommission an Unternehmen anlegt, die in den Genuss staatlicher Beihilfen kommen dürfen: Mehr als die Hälfte der Eigenmittel müssen abhanden gekommen sein, davon mehr als 25 Prozent in den letzten zwölf Monaten. Holzmann betont ja gerade, dass Verluste aus der Vergangenheit den Konzern in Bedrängnis gebracht hätten.
Fraglich ist auch, wie die Kommission entscheidet, wenn der drohende Konkurs durch kriminelle Machenschaften ausgelöst worden ist. Dazu ein Kommissionssprecher: „Ein solcher Fall ist in den Leitlinien zu Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen nicht vorgesehen.“
Daniela Weingärtner/bw
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