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Der HausbesuchZu Hause in Europa und Gabun

Ursprünglich wollte Peter Kremsner Kunst oder Literatur studieren. Heute leitet er ein Tropeninstitut in Tübingen und bekämpft die Malaria.

Peter Kremsner mit Hündin Brenda in seinem Haus Foto: Hans Yao

Kunst, Plastikmüll, indigene Sprachen, die Europäische Union und die Malariabekämpfung – Peter Kremsner interessiert sich für viele Sachen. Zu Besuch in Heiligenzimmern.

Draußen Kuckucksuhren wurden hier früher gebaut. Die alte Fabrik am Rand des Schwarzwalds in Heiligenzimmern, 45 Autominuten von Tübingen entfernt, haben Peter Kremsner und seine Frau gekauft („das war eine Ruine damals“). Seine Schwestern, beide Architektinnen, haben den Innenraum entworfen: Dieser ist in konzentrischen Kreisen aufgebaut, den Mittelpunkt bildet eine Wendeltreppe, die von der Eingangstür in den ersten Stock führt.

Drinnen Die beiden Söhne Gottfried und Ferdinand kommen eben von der Schule – sie machen dieses Jahr ihr Abitur. Sie klappern in der Küche. Mitten im Wohnzimmer steht imposant ein Flügel. Darauf spielt nicht Peter Kremsner, sondern seine Frau. Die Hündin Brenda bellt, wenn sich Besucher nähern. „Kuckuck“-Rufe von Uhren hört man hier nicht mehr. Aber Klatschen und „tsch–bumm-bumm“-Laute wenn Peter Kremsner plötzlich seine Stimme erhebt und auf dem Stuhl nach vorn rutscht, um von seinem letzten Opernbesuch während der Donaueschinger Musiktage zu erzählen, „eine moderne, zuschauerinvolvierende Inszenierung“.

Die Arbeit: Seit 1996 arbeitet der 57-Jährige am Tübinger Tropeninstitut, das er mittlerweile leitet. 1992 hat er ein Forschungszentrum in dem zentralafrikanischen Land Gabun gegründet. Sein berufliches Leben hat er, der selbst dreimal mit Malaria infiziert war, hauptsächlich der Bekämpfung dieser Krankheit gewidmet: Er war an jedem Malariamedikament, das in den letzten zwanzig Jahren entwickelt wurde, beteiligt. „Ich will eine bessere Diagnostik, Vorbeugung und Behandlung von Infektionskrankheiten erreichen, deshalb mache ich Medizin.“

Die Liebe zur Kunst: Er ist im Burgenland aufgewachsen und hat in Wien studiert. „Medizin war nicht unbedingt meine erste Wahl.“ Eher wollte er Kunst studieren oder Musik. „Aber dann hat meine Mama gesagt, dass Medizin auch was Gutes ist.“ Da hat er neben Anthropologie auch Medizin angefangen, diese habe ihn mehr und mehr interessiert. „Und die Medizin ist es dann geworden.“

Die Tropen: Die Infektions- und Tropenmedizin sei schnell am spannendsten für ihn gewesen, die Tropen haben ihn fasziniert. „In diesem geografischen Raum gibt es all die Krankheiten, die wir hier auch kennen, nur oft viel stärker ausgeprägt, und es gibt noch zahlreiche zusätzliche Krankheiten.“ Schon während des Studiums habe er angefangen, sich am Wiener Tropeninstitut „anzubiedern“, das ist das Wort, das er benutzt („denn man stört ja am Anfang mehr als dass man hilft“).

Die Liebste: Von Wien aus ging es zu Forschungsaufenthalten nach Nigeria, Syrien und Brasilien. Danach arbeitete er sieben Jahre im Berliner Tropeninstitut. „In Berlin habe ich meine Liebste kennengelernt“, die Rechtsanwältin Inge Thomforde. Gemeinsam sind sie in die Nähe von Tübingen gezogen als Kremsner dort eine Stelle am Tropeninstitut bekommen hat. „Tübingen wäre nicht unbedingt der Zielort meines Lebens gewesen.“ Aber Tübingen hat – „wie andere Städte auch“ – eine renommierte Universität. Und der Markt, gerade an führenden Positionen in diesem Bereich, sei beschränkt.

Ehrenbürger: Seine Eltern und Geschwister wohnen in Wien, er hat nach wie vor die österreichische Staatsbürgerschaft, nicht die deutsche („ich sage aber immer die europäische“). Außerdem ist er Gabuner Bürger, Ehrenbürger sogar. Das habe der Präsident Gabuns vorgeschlagen, für sein Engagement in dem Land. „Das kann man dann eigentlich gar nicht ausschlagen und Gabun ist inzwischen auch Heimat geworden.“

Albert Schweitzer: 1992 ging Kremsner mit der Albert-Schweitzer-Stiftung nach Lambaréné, eine Stadt in Gabun inmitten des zentralafrikanischen Regenwalds. In diesem Ort hatte der spätere Friedensnobelpreisträger Albert Schweitzer 1913 ein Spital gegründet. Und Kremsner ein Forschungslabor aufgebaut, das sich hauptsächlich der Erforschung der Malaria widmet. Eine „Baracke“ war bereits vorhanden, ein „Forschungslabor in Anführungsstrichen“. Der damals 28-Jährige dachte: „Da kann ich was draus machen.“ Mittlerweile ist das Labor ein Campus von über zwanzig Gebäuden. Ursprünglich haben dort viele europäische oder amerikanische ForscherInnen und MedizinerInnen gearbeitet, mittlerweile seien es auch viele lokale. Acht- bis zwölfmal pro Jahr ist Kremsner dort.

Vernachlässigt: Im Jahr 2017 hat er den Memento Forschungspreis für vernachlässigte Krankheiten erhalten, der unter anderem von Ärzte ohne Grenzen und Brot für die Welt vergeben wird. „Eigentlich ist Malaria im strengen Sinn aber keine vernachlässigte Krankheit.“ Die Bedingungen zur Forschung über Malaria, an welcher pro Jahr etwa 650.000 Menschen weltweit sterben, seien gut.

Sprache: In Gabun werden annähernd 60 Sprachen gesprochen. „Da tut mir das Herz weh, ich sehe, ich höre sie aussterben.“ Wo er könne, rede er nicht mehr Englisch, sein Beitrag um Sprachvielfalt zu erhalten. „Mich stört auch die Arroganz der Engländer und Amerikaner, die keine andere Sprache außer Englisch sprechen.“ Kremsner spricht neben Englisch und Französisch auch ein wenig Spanisch, Italienisch, Portugiesisch und Kroatisch, ein Teil seiner Familie komme aus Kroatien, allerdings vor 500 Jahren. „Sobald es in einem Raum eine andere gemeinsame Sprache außer Englisch gibt, versuche ich, in dieser zu kommunizieren.“

Eigener Nationalpark: Im Garten hinterm Haus, wo die bellende Brenda sitzt, „wird nichts angetastet, das sind ein paar Hektar eigener Nationalpark“. Plastikmüll versucht er zu vermeiden („das gelingt nicht zu hundert Prozent“), er ist Vegetarier („zu 90 Prozent“). „Dass der Amazonasregenwald fällt, weil wir Rinder essen wollen, das ist schon schrecklich.“ Neben den kleinen Dingen, die eine einzelne Person tun kann, hat er aber zum Beispiel im Gabuner Forschungszentrum eine Müllverbrennungsanlage eingeführt. Denn das Wegwerfplastik, das vor Ort nicht adäquat entsorgt werde und sich in Müllhaufen zu sammeln beginne, stelle ein großes Problem dar. Er will in ganz Lambaréné verhindern, dass Müll auf der Straße liegt. Auch gebe es in Gabun die größte Biodiversität der Welt. „Um den zentralafrikanischen Regenwald zu erhalten, müssen wir viel mehr tun.“

Europa: Das Beste, was politisch auf der Welt geschehen sei, habe ebenfalls mit Vielfalt zu tun: „Die Europäische Union – ich bin glühender Europäer.“ Was die Menschheit historisch immer wieder zurückgeworfen habe, sei Religionsfanatismus und Nationalismus. „Davon müssen wir uns loslösen. Deshalb finde ich die Idee einer Europäischen Union der Regionen auch so spannend.“

Provokativ: Kremsner spricht bedacht und kann problemlos zwei Nebensätze einbauen, ohne den Beginn des Satzes zu vergessen. Und er provoziert. Auch mal gern, wie er zugibt. „Zum Beispiel die Kollegen, die Tierversuche lieben.“

Familie: Stolz ist er auf seine Familie, seine Frau, seine Söhne Gottfried und Ferdinand und seine Tochter Helene. Dass die Familie funktioniert, „daran muss man arbeiten“. Am häufigsten halte er sich zu Hause in der Küche auf oder im Bett. „Ich koche nicht, aber ich helfe schon mit, auch wenn Inge das anders bezeichnen würde. Ich bin eher der Schani in der Küche.“ Das ist österreichisch und bedeutet soviel wie: Handlanger.

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1 Kommentar

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  • Zitat: Und er provoziert. Auch mal gern, wie er zugibt. „Zum Beispiel die Kollegen, die Tierversuche lieben.“



    Na, dann bin ich mal gespannt, ob Herr Kremsner noch gegen Tierversuche polemisieren würde, sollte er oder ein Familienmitglied an einer Erkrankung leiden, die mit einer auf Tierversuchen fundierten Therapie behandelt werden kann, z.B. durch die neuen Immuntherapien bei immer mehr Formen von Krebs. Sich von Tierversuchen zu distanzieren ist einfach, aber meiner Meinung nach sollte jeder sich die oben genannte Frage stellen bevor er solche Sprüche klopft.