: Der Gutjournalist
Ein Pullover weniger im Fernsehen: Das letzte Mal moderiert Klaus Bednarz heute das Politmagazin „Monitor“
Jetzt hat er Zeit, mal wieder ein bisschen Fußball zu gucken. Oder zu spielen. Oder Bordeauxweine zu degustieren. Oder ein bisschen bei Tschechow zu schmökern. Oder sich endlich einen neuen Pullover zu kaufen. Oder was promovierte Geisteswissenschaftler noch so machen, wenn sie keine Lust mehr auf ihren Job als Politmagazin-Chefredakteur haben: Klaus Bednarz nimmt also seinen Pulli und geht.
Jedenfalls weg von seinem Posten als „Monitor“-Chef. Das letzte Mal wird der Augenring-King heute das WDR-Politmagazin moderieren. In den 18 Jahren, in denen er die Sendung geleitet hat, wurde sie schon zwei Mal mit dem Grimme-Preis geehrt und konnte sich, trotz des traditionell altmodischen Reportageduktus, trotz des Verzichts auf „Pipifaxgeschichten“, also „schnelle Blenden oder schnelle Schnitte“ (Bednarz), und trotz des fast schon rührenden Aufklärungsmottos im langsam wegboulevardisierten TV-Politmagazin-Markt behaupten – mehr oder weniger: Immer, wenn die Sendung gekippt werden sollte, maulten die Zuschauer und ärgerten die ARD mit Protestbriefen. Und trotz der neuen, jüngeren ZDF-Konkurrenz von „Frontal 21“ und den „Reportern“ schalteten sich durchschnittlich satte vier bis fünf Millionen Menschen zu, wenn Bednarz, der Redliche, mit betroffenem Blick und leicht verkniffenem Mund bei der Anmoderation von Themen wie Schmiergeldern bei den Olympischen Spielen, BSE oder – heute abend – „Weihnachtsspielzeug aus chinesischer Horrorproduktion“ durch seine hell gerahmte Brille lugte.
Aber zum täglichen Toreschießen wird der Fußballfan in seinem sechzigsten Lebensjahr wohl auch nicht kommen. Bednarz arbeitet weiter für den WDR als Chefreporter und Dokumentarfilmer („Ballade vom Baikalsee“), obwohl er neulich noch in der Zeit gemosert hatte, das ARD-Programm habe sich immer mehr in Richtung Unterhaltung verschoben und er frage sich, ob diese Entwicklung noch dem gesetzlichen Auftrag entspräche. Er ist halt ein ausgesprochen Unbequemer, mit allem, was in diesem angestaubten Unwort der Vorzeige-Kritik-und-Protestkultur mitschwingt, „unbequem für die Mächtigen aus Politik und Wirtschaft“, wie Bednarz und der WDR selbst es stolz ausdrücken. Selbstverständlich auch noch kritisch. Und investigativ.
So investigativ, dass ihn sogar mal KGB und BND angesprochen haben. Natürlich hat er abgewunken. Hat die Anwerbeversuche sogar „ausgelacht“, behauptete er, was allerdings ziemlich unglaubwürdig klingt, denn viel lachen hat man den in Berlin geborenen und in Hamburg aufgewachsenen ehemaligen Theaterwissenschaftsstudenten nie gesehen. Eher sauertöpfisch gab sich Bednarz auf dem Bildschirm, machte die typischen Denkpausen in seinen Moderationen, Pausen zum Formulieren stiller Vorwürfe.
Vielleicht sollte man Bednarz trotzdem oder gerade darum ehrenhalber in die offizielle Liste der zehn bekanntesten Pulloverträger aufnehmen, auf der sich schon Genscher, Eugen Drewermann, Marcel Marceau und Kollege Denes Törzsch Pulli an Pulli drängeln. Und wenn man Sehnsucht nach dem Bednarzschen Geknarre bekommt: Er ist ja nicht aus der Welt. Für ganz Verzweifelte gibt es auch immer noch das Hörbuch, auf dem er Tschechow liest: „Die Dame mit dem Hündchen“. JENNI ZYLKA
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen