Der Filmemacher Bernhard Marsch: Apologet des Kinos
Wo der Filmemacher auftauchte, war Kino. Über in Leben jenseits der Filmförderung und voll rheinischem Singsang.
W enn man ihn einmal gesehen hatte, tauchte er immer wieder auf: Der Filmemacher Bernhard Marsch verfolgte eine unabhängige, beneidenswert eigensinnige Arbeit. Freibäder und Badeseen, Kneipengespräche. Ein Autofahrer, gespielt vom Filmemacher selbst, der in seinem C & A-Wagen Hippie-Anhalter mit einem finsteren Geheimnis aufgabelte.
Und immer wieder Köln, seine Stadt. Bernhard Marsch reiste durch die Republik, machte Halt in Frankfurt, wo er eine Auswahl seiner Arbeiten auf Zelluloid präsentierte. Es schwang ein Versprechen mit in seinen Arbeiten. Auf eine andere Art von BRD-Kino, in dem die Figuren die Handlung vorantreiben, in dem man ihnen vor allem so gerne folgt.
Und wenn es nur darum geht, ihnen eine Viertelstunde beim Sichunterhalten in der Uni-Mensa zuzuhören und dabei ziemlich gut unterhalten zu werden. Der rheinländische Singsang hatte Appeal. Dies war also die erste Begegnung mit Bernhard Marsch und seinen Filmen, die er teils als Mitglied der „Kölner Gruppe“ schuf (bekannt wurde der Kinofilm „Die Quereinsteigerinnen“ von Rainer Knepperges und Christian Mrasek).
Wenn man ihn einmal gesehen hatte, dann sah man ihn immer wieder, ohne sich wirklich zu kennen. Am Rande des Kurzfilmfestivals in Köln, in Kneipen rundherum, an der Kasse vorm Kino des Filmclubs 813, dem er vorstand und dessen Fortbestehen er 2020 nach einer Kündigung durch den im selben Haus befindlichen Kölnischen Kunstverein (inzwischen unter neuer Leitung) kämpferisch verteidigte.
Marsch kam bei einem Autounfall ums Leben
„Nous restons-là“, war ob der drohenden Räumung seitdem auf der Webseite und zeitweilig auch in der Vitrine am Kinogebäude zu lesen. Auch, wenn persönliche oder bürokratische Konflikte sicher eine Rolle gespielt haben mögen, konnte man in diesem ungleichen Streit zwischen einem immerhin etablierten und einem allenfalls mit der Almosen-Gießkanne bedachten, in Eigenengagement bespielten Kulturort doch ein Sinnbild für die Ungleichwertigkeit jener Sphären, mindestens in Deutschland, erkennen.
Ein Text wie dieser hätte zu einem ganz anderen, freudigen Anlass erscheinen sollen. Im Juni ging die fürchterliche Nachricht eines tödlichen Straßenbahnunfalls durch die Presse. Es war, wie wenige Tage später vermeldet, Bernhard Marsch, auf dem Weg zum Filmclub unterwegs.
Bernhard Marsch, 1962 in Hennef geboren, war Filmemacher, Schauspieler (neben den eigenen Filmen spielte er zum Beispiel im „Tatort“ mit) und ausgewiesener Kino-Apologet, der Filmrollen aus Kellern und Archiven hervorholte, um sie öffentlich zu zeigen. Neben Köln war er mit der Sackkarre voller Zelluloid in der gesamten Republik unterwegs. Mit seinem eigenen Filmprogramm reiste er mitunter nach Los Angeles, ins UK oder nach Nebraska.
Und immer wieder eben an den Main, wo er eingeladen vom Filmkollektiv Frankfurt vor einigen Jahren seinen wohl bekanntesten Film „Wohnhaft“ vorstellte, eine wunderbar komische, traurige, staunenswerte filmische Wegbahnung durch die zugestellte, eigene Behausung. Bei der ebenfalls vom Filmkollektiv ausgelobten Retrospektive zum Blaxploitation-Regisseur Melvin Van Peebles traute sich Marsch, als Einziger inmitten des eher schüchternen Frankfurter Publikums, dem US-Amerikaner eine Frage zu stellen: „Do you still have enemies?“
Er habe noch hunderte Trailer
An diesem Abend spottete Van Peebles übrigens noch über die europäische Schönwetter-Vorstellung von Kunst: Viel Lob gebe es hier für Filmemacher wie ihn, aber keine Kohle. Das verband ihn dann sicherlich auch mit Bernhard Marsch, dessen Filme man als Ultra-Independent bezeichnen müsste, die aber durchaus ihre Vorbilder in der randständigeren BRD-Filmgeschichte hatten. Weitestgehend unabhängig vom kommerziell ausgerichteten Filmförderbetrieb, aber auch beispielsweise vom arty Kunsthochschulfilm verfolgte er eine beneidenswert eigensinnige Arbeit.
Er habe noch Hunderte Trailer auf der Festplatte, hörte ich ihn mal am Rande eines Filmfestivals sagen. Er sprach das Träh-ler aus, und es erschien irgendwie ausgemacht, dass man einige davon in welcher Form auch immer eines Tages auf der Kinoleinwand würde sehen können.
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