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Der Fall Kevin in BremenDie Ehre des Dr. Hartwig

Als der zweijährige Kevin tot in einem Kühlschrank gefunden wurde, war Jürgen Hartwig war Chef des Amtes für soziale Dienste in Bremen. Jetzt soll er Honorarprofessor werden.

Blumen für den toten Kevin in Bremen 2006. Bild: ap

Jürgen Hartwig. Sein Name ist untrennbar mit dem "Fall Kevin" verbunden. Also der Geschichte jenes zweijährigen Kindes, das 2006 tot im Kühlschrank seines drogenabhängigen Ziehvaters aufgefunden wurde. Es ist die Geschichte des kollektiven Versagens der Jugendhilfe in Bremen.

Kevin starb in staatlicher Obhut, fiel durch ein engmaschiges soziales Netz, in dem bis hinauf zum Bürgermeister viele irgendwie Bescheid wussten. Jürgen Hartwig war seit 1999 Chef des Amtes für Soziale Dienste. Und wurde nach Kevins Tod suspendiert.

Jetzt ist er als Honorarprofessor an der Hochschule Bremen im Gespräch, dazu als Leiter des dortigen "Europäischen Studiengangs Wirtschaft und Verwaltung". Die wirtschaftswissenschaftliche Fakultät möchte ihn berufen lassen, und das Rektorat erhebt dagegen "keine Einwände".

Im Wissenschaftsressort sieht man noch "Abstimmungs- und Gesprächsbedarf". Noch liegt dort gar kein offizieller Antrag auf Berufung vor. Deswegen hält sich die Behörde zurück: Man müsse die Sache auch "politisch bewerten", heißt es nur.

Im Amt galt Hartwig vor allem als williger Vollstrecker eines rigiden Sparkurses. Sein Vokabular war technokratisch, sein Auftreten unemotional, sein Führungsstil autoritär. Manchem Mitarbeiter war er verhasst. Dem Untersuchungsausschuss sagte er, ihn treffe keine Schuld. Nur so viel mochte er eingestehen: "Die qualitative Betrachtung im Feld durch mich hätte intensiviert werden müssen."

Rein formell spricht nichts gegen Hartwig: Der Exsoldat ist promovierter Erziehungswissenschaftler, das Disziplinarverfahren gegen ihn wurde eingestellt, strafrechtlich ist ihm nichts vorzuwerfen. Und er hat Anspruch auf Arbeit: Seit 1983 steht er im öffentlichen Dienst, ist Beamter auf Lebenszeit.

Vor einigen Jahren schob man ihn an die Hochschule ab, dort forschte er, gab zwei Bücher heraus, war Programmdirektor im Studiengang "Public Administration". Lehren durfte er nicht. Das würde sich jetzt ändern: Mit dem - unbezahlten - "Ehrentitel" Honorarprofessor wäre eine Lehrverpflichtung von vier Wochenstunden verbunden. Dieser Tage sagt Dr. Hartwig lieber gar nichts.

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5 Kommentare

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  • J
    J.K

    Ich werde von Herrn Hartwig unterrichtet an der Hochschule Bremen und kann nur sagen, dass er seinen Job wirklich gut macht und immer bemüht ist uns zu helfen. Er ist einer dieser Dozenten die man einfach mag. Vorallem aber wegen seines Ergeizes uns was beizubringen.

    Herr Hartwig haut nicht eine Folie nach der anderen durch so wie es manch anderer Dozent macht...Hartwig geht auf uns ein und will sicher gehen, dass wir das auch wirklich alles verstehen.

    Das was im Fall Kevin passiert ist darf nicht vorkommen und sowas ist auch unverzeihbar doch die Schuld bei einem zu suchen ist auch falsch. Jeder in diesem Land hat das Recht auf Arbeit und ich kann nur sagen, dass ich wirklich froh bin so einen guten Dozenten wie Hartwig zu haben.

    Meiner Meinung nach ist Herr Hartwig schon bestraft genug, dass er seinen Job beim Amt für Soziale Dienste verlor, da muss man jetzt nicht noch seinen neuen Job streitig machen.

  • H
    Hasso

    Pack zerschlägt sich, Pack verträgt sich! so ist das nun eben mal-, in einer Pseudo- Demokratie, in der all das gemacht wird, was dem Volk zuwider ist.

  • VI
    Verstehe ich nicht

    Der Herr Hartig war also mal Chef einer Behörde die einen Fall ziemlich vermasselt hat. Herr Hartig selbst ist von einer direkten Schuld freigesprochen worden (Disziplinarverfahren eingestellt). Nun soll dieser Mann also an vier Stunden in der Woche Studenten etwas über den Behördenalltag erzählen. Kann mir jetzt mal jemand erklären wieso das ein Problem sein soll? Man hat ihm nicht die Leitung einer Behörde angetragen, er soll keine Problemfamilien betreuen, er hat keine Auszeichung erhalten, also warum diese Empörung wegen gar nichts?

  • S
    sigibold

    Ich weis nicht, ob dieser Dr. Hartwig fachlich geeignet ist für den anstehenden Job als Honorarprofessor. Ich denke aber, dass es in diesem Artikel darum auch nicht geht. Vielmehr scheint Herr Zier in seiner Eigenschaft als aufrichtiger Moraljournalist dafür sorgen zu müssen, dass der Herr Dr. Hartwig schön klein gehalten wird. Wie gesagt, ich kann die Qualifikation von Herrn Dr. Hartwig nicht beurteilen. Aber dieser Artikel riecht doch sehr nach Nachtreten von Herrn Saubermann.

     

    sigibold

  • MB
    M. Bauer

    Ein Honorarprofessor ist ein gegen Honorar arbeitenter Professor der nebenberuflich an einer Hochschule oder Universität unterrichtet, in der Regel bekommen diese Titel Personen die mit einer Hochschule verbunden sind und dort schon länger nebenberuflich unterrichten;

    Der Titel wird von der Hochschule verliehen; diese Bezeichnung ("Honorarprofessor")hat mit einer echten Ehrenprofessur (honoris causa, = Prof. h.c.)nichts zu tun.

    Es gibt somit reguläre Professoren, außerplanmäßige Professoren, Honorarprofessoren (am Titel "Prof." sind diese drei in der Regel nicht zu unterscheiden, außerplanmäßige tragen manchmal etwas verschämt den Zusatz apl.)Darüber hinaus die echten Ehrenprofessoren mit dem Titel Prof. h.c., diese haben in der Regel nicht einmal einen Lehrauftrag an der Hochschule oder Universität.