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■ Der Chef der kurdischen PKK verdient einen fairen ProzeßWohin mit Abdullah Öcalan?

Ach, wäre er doch im Sudan, in Libyen oder Afghanistan abgetaucht, mögen italienische Politiker stöhnen. Seit PKK-Chef Abdullah Öcalan in Rom abgefangen wurde, protestieren dort aus ganz Europa angereiste Kurden. Sie demonstrieren, daß der Fall nicht nur ein italienisch-türkisches Problem ist, sondern ein europäisches. Das Nato-Mitglied Türkei ist enger Partner der EU, würde selbst gern Mitglied des abendländischen Clubs werden. Zehntausende Kurden leben in Europa, viele als Flüchtlinge.

Öcalan gehört ein Prozeß gemacht, schließlich hat er Verbrechen befohlen und wahrscheinlich selbst begangen. Doch seine Auslieferung an die Türkei würde die Lage noch verschärfen. Selbst wenn die türkische Regierung die Todesstrafe abschaffen sollte, wäre das Ergebnis ein politischer Schauprozeß.

Die Bundesregierung verzichtet vorerst auf einen Auslieferungsantrag. Obwohl Öcalan 1984 in Rüsselsheim am Mord an einem „Abtrünnigen“ beteiligt gewesen sein soll. In Bonn befürchtet man Proteste und Anschläge. Ein Rechtsstaat sollte so etwas aushalten können. Jedoch würde ein Prozeß in Deutschland dem Fall Öcalan nicht gerecht. Hier müßte er sich nur für jene Taten verantworten, die in Deutschland begangen wurden. Der Großteil der ihm vorgeworfenen Taten geschah im Nahen Osten und der Türkei. Sie blieben ausgeklammert. Gesucht wird eine neutrale Instanz – zum Beispiel ein internationale Gerichtshof oder ein Tribunal nach Vorbild der südafrikanischen Wahrheitskommission.

Doch die türkische Regierung würde sich dagegen verwahren. Schließlich weiß man in Ankara, daß solch ein Verfahren zum Prozeß über die sogenannte Kurdenfrage würde. Dann käme heraus, was türkische Politiker seit 14 Jahren dementieren: daß in Türkisch- Kurdistan nicht etwa ein Terrorismusproblem herrscht, sondern Krieg. Beide Parteien metzeln und morden gleichermaßen. Kämpfer der PKK töten türkische Soldaten sowie als „Dorfschützer“ mit den Türken kollaborierende Kurden und sogar Kritiker aus den eigenen Reihen. Türkische Soldaten massakrieren PKKler sowie deren vorgebliche Sympathisanten. Wollten Richter dem Fall Öcalan wirklich gerecht werden, dann gehörten auch türkische Militärs und Politiker auf die Anklagebank.

Ein solches Verfahren wird wohl nicht stattfinden. Doch Öcalans Reise nach Italien bietet die Chance, daß die sogenannte Kurdenfrage in Europa auf den Tisch kommt. Jahrelang haben europäische Staaten – allen voran Deutschland – die türkische Armee für den Krieg in Kurdistan aufgerüstet. Jetzt steht Europa vor einem Problem. Zu Recht. Thomas Dreger

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