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■ Der CDU-Aufsteiger Ertugrul Uzun sieht sich als Idealist im Dienste der deutsch-türkischen Sache. Die CDU sei die Partei der Türken Von Ansgar OswaldEine rechte Integration

Der Jungunternehmer Ertugrul Uzun ist Gründer der Deutsch-Türkischen Union, einer Suborganisation der CDU. Er kann sich des Beistands der Parteirechten sicher sein.

Ertugrul Uzun hat Berührungsängste mit Medien. Er ist gebranntes Kind. Eine Berliner Zeitung hatte ihn als „karrieregeilen Krawattenträger“ charakterisiert, der als „Kohls türkischer Enkel“ nach einem Bundestagsmandat giert. Und ausgerechnet der nationalkonservativen Jungen Freiheit machte er die Vorteile der automatischen Zuerkennung der deutschen Staatsbürgerschaft schmackhaft. In einem Interview verkündete er: „Türkischstämmige Bürger haben ein weniger krampfhaftes Verhältnis zur deutschen Nation als viele andere in diesem Lande.“ Sie hielten zudem „Werte wie Gemeinschaft, Solidarität, Familie hoch, die wir in dieser Gesellschaft wieder mehr brauchen“. Daß er ausgerechnet der nationalkonservativen Jungen Freiheit die Vorteile der Einbürgerung von Ausländern nahelegte, wurde ihm von türkischer Seite als taktischer Schachzug vorgeworfen. Uzun streitet dies ab: Er wolle keine Punkte im deutsch-nationalen Lager sammeln. „Vor zehn Jahren haben die Türken hierzulande einen Bewußtseinswandel durchgemacht“, erklärt der dreißigjährige selbständige Geschäftsmann, leger gekleidet, das Handy am Gürtel. „Sie identifizieren sich mit Deutschland als ihrer Heimat und wollen die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben, ohne die verwandtschaftlichen und emotionalen Bindungen zu ihrem Ursprungsland abzulegen.“

Uzun ist selbst deutscher Staatsbürger. 1967 kam seine Familie aus Ankara nach Berlin. Der Vater, Hochschuldozent und beim Bildungsministerium tätig, wechselte zum Türkischen Generalkonsulat nach Berlin. Heute ist er Deutschlehrer an einer Hauptschule. Uzuns Mutter hat eine Boutique in Berlin. „Den Umzug nach Berlin- Neukölln haben wir als Familie aus dem Bildungsbürgertum als sozialen Abstieg empfunden“, erzählt Uzun. Also ist die Familie ins bessere Steglitz gezogen. 1985 absolvierte Uzun sein Abitur und studierte dann Politologie und Volkswirtschaft an der Freien Universität Berlin und in Washington. 1990 gründete er in Frankfurt/ Main die Europäische Vereinigung Türkischer Akademiker (EATA).

Über diese Korporation schweigt er sich aus. Der türkische Journalist Ehun Kara drückt sich um so deutlicher aus: „Die EATA ist ein elitärer, streng laizistischer Verein ... eine Yuppie-Organisation, die versucht, mit erfolgsorientierten jungen Leuten die Immigrantenrechte zu ändern. Sie ist sehr nebulös.“ Die EATA eine Marionette des türkischen Außenministeriums, die auf Studentenbasis Lobbyarbeit für die Türkei in Europa macht? Uzun wurde 1995 wegen seines „unerträglich- autoritären Führungsstils“ (Kara) von vielen angefeindet. Den Vorsitz der EATA hat er inzwischen an seinen Bruder, den Zahnarzt Hakan Uzun, weitergereicht. In der Türkei zählen eben Werte wie Familie. Er selbst blieb im Beirat.

Daß Ertugrul Uzun 1995 in die Berliner CDU eintrat, war reiner Pragmatismus. „Die Union ist die bestimmende politische Kraft in Deutschland“, begründet er seinen opportunen Schritt. Ein Jahr später gründete er die Deutsch-Türkische Union (DTU) mit inzwischen 110 Mitgliedern. Uzun sieht die DTU „als Scharnier zwischen der türkischen Bevölkerung als klassischem konservativem Wählerpotential und der CDU“. Mit von der Partie sind neben dem Innenstaatssekretär Peter Kurth als Vizevorsitzendem auch das rechte Parteispektrum mit dem früheren Innensenator Dieter Heckelmann und Peter Kittelmann. Beide sind Sympathiegänger Uzuns. Innensenator Jörg Schönbohm ist Mitbegründer der DTU. Das mittelfristige Ziel der DTU ist es, eine CDU-Unterorganisation zu werden.

Anerkennung von konservativer Seite ist ihr sicher. CDU-Generalsekretär Gerd Lawrentz bescheinigt der DTU „ein positives Weltbild“: „Sie fordern keinen liberalen Umgang mit Verbrechern, sondern sind für einen starken wehrhaften Staat.“

Uzun ein Machtmensch? „Natürlich habe ich ein gesundes Verhältnis zur Macht, das gehört zur Politik“, sagt er. Und gibt zu: „Ich bin manchmal autoritär.“ Am treffendsten fühlt er sich allerdings als Idealist charakterisiert.

Vielleicht, weil er ungebrochen an der CDU festhält? Ungeachtet der notorischen ablehnenden Haltung der CDU zu einer Reform des Staatsbürgerrechts bleibt Uzun dabei: Die Union ist die Partei für die Türken. Die Realität scheint ihm recht zu geben. Selbst Grüne müssen zugeben: „Die CDU in Kreuzberg hat wesentlich mehr Wähler nichtdeutscher Herkunft als wir.“ Uzun wundert es nicht, daß die in Ausländerfragen fortschrittlichen Grünen weniger Erfolge als die konservative CDU haben. „Die Meinung vieler Grüner, Asylanten-, Ausländer- und Immigrantenpolitik seien dasselbe, ist im linksliberalen Spektrum ein verheerender Fehlschluß“, erklärt er die fehlende Attraktivität der Grünen.

Uzun selbst verkörpert den aufstrebenden Einwanderer der zweiten Generation. Er unterstüzt Intergrationskonzepte und bildungspolitische Kampagnen für junge, sozial schwache Türken. Kritik an seiner eigenen Partei, der CDU, die sich in Fragen der Ausländerintegration überhaupt nicht bewegt, wehrt er grob verallgemeinernd ab: „Von linksliberal bis rechtskonservativ gibt es querbeet die diffuse Sehnsucht nach dem lupenreinen Deutschen, nach der kulturellen Assimilation.“ Für ihn selbst gilt: Wer die Sprache in Wort und Schrift beherrscht, die Verfassung und gesellschaftlichen Konventionen respektiert, hat die deutsche Staatsbürgerschaft verdient. Und seine eigene politische Zukunft? Ein politisches Mandat sei nicht in Sicht, sagt er. Und im übrigen „bin ich Akademiker und will keine kurzfristigen Erfolge erzielen“.s

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