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Der Berliner Wochenkommentar IISozial? Vor allem rhetorisch

Malene Gürgen
Kommentar von Malene Gürgen

Der rot-rot-grüne Senat hat den neuen Doppelhaushalt verabschiedet. Sozialpolitik ist dabei der kleinste der fünf Themenbereiche.

Auch wenn sich insbesondere die Linkspartei für sozialpolitischen Vorhaben einsetzt, von einer echten Priorität auf Armutsbekämpfung ist auch dieser Senat weit entfernt. Foto: Jörg Carstensen/ dpa

E s scheint ja so naheliegend: Kaum darf eine rot-rot-grüne Koalition über den Haushalt entscheiden – und ist dann auch noch, anders als in den letzten Jahren, ein bisschen Geld da – geht es voran mit der Armutsbekämpfung in dieser Stadt. Sozialpolitik wird ein Schwerpunkt, die Lage der Armen und Ausgegrenzten deutlich verbessert, die Millionen fließen in Projekte, die die auch in Berlin gewaltig klaffende Schere zwischen Arm und Reich schließen soll. Mietobergrenzen im ehemaligen sozialen Wohnungsbau, ein günstigeres Sozialticket für die BVG, mehr Schlafplätze für Obdachlose – sind das nicht die Vorhaben, die in den letzten Monaten besonders viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben?

Ja, sie sind es. Dass die aktuelle Regierung einen Schwerpunkt auf Sozialpolitik setzt und diesen vor allem auch finanziell unterfüttert, ist trotzdem höchstens die halbe Wahrheit. Zwar ist der Bereich Soziale Infrastruktur/Armutsbekämpfung einer von fünf Schwerpunkten des neuen Doppelhaushalts, den das Abgeordnetenhaus am vergangen Donnerstag beschlossen hat.

Doch er ist auch der kleinste dieser fünf Themenbereiche: Rund 22,5 Millionen Euro sind hier für die nächsten beiden Jahre eingestellt – insgesamt hat der Doppelhaushalt ein Volumen von fast 60 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der größte der Schwerpunkte, der Bereich Mobilität/Ökologie bekommt fast 154 Millionen Euro, gefolgt von Bildung mit rund 150 Millionen Euro. Selbst wenn man argumentieren kann, dass Soziales ein Querschnittthema ist und auch Investitionen in anderen Bereichen die Lage armer Menschen verbessern können – eine Priorität auf diesem Thema sieht anders aus.

Insbesondere die Linkspartei versteht es, für die sozialpolitischen Vorhaben der Koalition viel Aufmerksamkeit zu gewinnen. Leicht verständliche Projekte wie das günstigere Sozialticket oder die Erhöhung der Plätze für die Kältehilfe sind dafür besonders gut geeignet. Das ist nicht falsch, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser Schwerpunkt bisher vor allem ein rhetorischer ist – von einer echten Priorität auf Armutsbekämpfung ist auch dieser Senat weit entfernt.

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Malene Gürgen
Reportage und Recherche
Redakteurin im Ressort Reportage&Recherche | Jahrgang 1990 | Seit 2014 Redakteurin der taz, zunächst im Berlinressort | 2016-2020 schwerpunktmäßig Recherchen zur extremen Rechten, dazu 2019 "Angriff auf Europa" im Ch. Links Verlag erschienen (mit C. Jakob, P. Hecht, N. Horaczek, S. am Orde) | 2020-2022 als Produktentwicklerin verantwortlich für die Konzeption der wochentaz | 2022-2023 Redakteurin im Ressort Zukunft – Klima Wissen Utopien | Seit 2023 im Investigativteam der taz.
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1 Kommentar

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  • Während wir darüber sinnieren, ob das viel oder wenig Soziales ist, was der Senat da vorgelegt hat, frohlocken Investoren schon wieder über ihre nächste Profit-Runde beim sogenannten „sozialen“ Wohnungsbau. So empfahl Thomas Meyer, Vorstandsvorsitzender der Wertgrund Immobilien AG, erst vor einigen Tagen den Einstieg in den sozialen Wohnungsbau:

    „Schließlich sorgt das so gerne als investorenfeindlich verschriene Segment für garantierte, konstante Mieteinnahmen genauso wie für einen Renditeschub nach Auslaufen der Preisbindung …“

    Offenbar gehen Investoren selbstverständlich davon aus, dass die Fördermittel des „sozialen“ Wohnungsbaus auch in Zukunft nichts weiter als eine Anschubfinanzierung für Investoren sind, die auf die Extrarendite durch Rauswurf der Mieter_innen am Ende der Förderphase setzen.

    Folgerichtig organisierten sie Anfang dieser Woche gleich eine ganze Tagung zum „sozialen“ Wohnungsbau. Ins Steigenberger Hotel lud der neurechte Berliner Immobilienmillionär Rainer Zitelmann zur „Immobilienrunde“. Zitelmann war ja schon Ende der 1980er mit dem Buch „Hitler – Selbstverständnis eines Revolutionärs“ aufgefallen und in der Folgezeit zum Vordenker einer eher akademisch-publizistischen neurechten Strömung geworden. Zeitweise Redakteur im Immobilienressort der Tageszeitung Die Welt, wechselte Zitelmann um 2000 ins Immobiliengeschäft. Der Herausgeber der regelmäßig aktualisierten Buchreihe „Reich werden mit Immobilien“ avancierte zu einem der bekanntesten Lobbyisten und Investitionsberater der Immobilienwirtschaft, so dass bspw. die Zeitschrift „Immobilienwirtschaft“ ihn schon im Jahr 2005 als „nicht wegzudenken als Immobilienwirtschaftlicher Meinungsbildner“ bezeichnete.

    Aus Berlin mit dabei am vergangenen Montag bei der „Immobilienrunde": Andreas Tied von der Investitionsbank Berlin. Na, dann kann ja nichts schief gehen bei der Planung der neuen Geschäfte auf Kosten der Bewohner_innen dieser Stadt.