Der Berliner Wochenkommentar I: Es könnte ihnen noch leidtun

Völlig überraschend hat Union Berlin Jens Keller entlassen – dabei verdankt der Fußballverein dem Trainer seinen aktuellen Höhenflug.

Trotz Erfolgen geschasst: Union-Trainer Jens Keller Foto: dpa

Union Berlin ist ein Verein, der lange damit kokettiert hat, anders zu sein: familiärer, geduldiger, weniger größenwahnsinnig als der Lokalrivale Hertha. Trainerwechsel, persönlichen Umgang, einen Aufstieg in die Erste Liga, all das wollte man besonnen angehen. Wie nervös die Verantwortlichen aber tatsächlich in puncto Erfolg sind und wie groß der selbst gemachte Druck in Richtung Aufstieg ist, hat sich am vergangenen Montag gezeigt. Völlig überraschend hat Union seinen Trainer Jens Keller entlassen. Man sehe das Ziel Aufstieg in Gefahr, so kommunizierte es der Verein. Die Entscheidung könnten sie noch bereuen.

Schon vor der Saison war offensichtlich, dass die neue Spielzeit für Union kein Durchmarsch werden würde. Eine Sensationssaison wie die letzte, in der die Köpenicker lange Spitzenreiter waren, lässt sich nicht auf Knopfdruck reproduzieren. Doch die Vereinsführung erwartete offenbar genau das.

Dabei spielt Union eine gute Hinrunde. Trotz einer überraschend starken Konkurrenz steht der Verein aktuell auf dem vierten Tabellenplatz mit drei Punkten Rückstand auf die Aufstiegsränge und dem höchsten Punktestand, den er je in der Zweiten Liga sammeln konnte. Zu glauben, man würde ohne Keller so viel besser dastehen, wirkt ein wenig größenwahnsinnig.

Die Panik der Führungsriege ist erklärlich: Union hat viel in einen möglichen Aufstieg investiert. Wenn die Bundesliga diese Saison nicht erreicht wird, droht das Momentum verloren zu gehen, die Mannschaft könnte auseinanderbrechen. Mit Jens Keller aber entlässt Union den Mann, dem der Verein seinen Höhenflug in erster Linie verdankt. Der ruhige, kompetente Keller hat aus den Köpenickern ein Spitzenteam geformt.

Ihn jetzt zu entlassen ist unsouverän, unwürdig und planlos. Keller selbst wird es nicht schaden: Nach der starken Arbeit in Köpenick reißt sich die halbe Bundesliga um ihn. Union dagegen muss erst mal jemanden finden, der den Job besser macht. Leicht wird das nicht. Es könnte ihnen noch leidtun, den Vater des Erfolgs vom Hof gejagt zu haben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.