Denkmalschutz mit Doppelstandards: Die Großen lässt man umbauen
Es ist fachlich gut vertretbar, die Siedlung „Hamburg Bau“ in Poppenbüttel unter Schutz zu stellen. Trotzdem erbost das Vorgehen des Denkmalamts.
D ie Denkmalbehörde hat die Wohnsiedlung „Hamburg Bau“ in Poppenbüttel-Nord unter Schutz gestellt. Fachlich liegt das nahe, auch wenn es einige wundert, die dort leben, und es da so schön nun auch wieder nicht finden.
Die Siedlung stammt von 1978. Damals dachte selbst der zuständige FDP-Bausenator dialektisch: Die Anlage sollte zwischen Individualität (Grundrisse, Kubatur, Fassaden) und rot geklinkerter Einheitlichkeit vermitteln – These, Antithese, Synthese.
Sie zeugt zudem von einer wichtigen Etappe in der Geschichte staatlicher Wohnungsbau-Subvention, in der durchs Zusammenspiel von Bundes- und Landesförderprogrammen die Errichtung auch von Zweifamilienhäusern für die Mittelklasse erschwinglich wurde.
Davon haben alle Eigentümer hier profitiert, durch niedrige Kaufpreise auch die Zweitbesitzer. Und bestimmt ist ihnen bloß entfallen, dass die Öffentlichkeit hier massiv mitfinanziert hat. Sonst könnten sie ja nicht, von der auf Unzufriedenheitsdividende schielenden CDU bestärkt, guten Gewissens in Mopo und Abendblatt barmen, es wäre „Enteignung“, wenn dieselbe Öffentlichkeit nun auch ein Interesse am Erhalt dieser Bauten geltend macht. Sprich, sie in den Denkmalrang erhebt.
Ein transparentes Verfahren wäre möglich
Wertverlust tritt dadurch nicht zwangsläufig ein, das mal vorweg. Und schlechte Nachricht: Um-, An- oder Einbauten sind in Denkmalen zwar genehmigungspflichtig, aber, gute Nachricht, dafür auch rasant steuerbegünstigt. Die Behörde hätte also Ängsten begegnen und Chancen der Unterschutzstellung benennen können.
Damit hätte sie doch das Wagnis eines transparenten Verfahrens mit Unterrichtung und Beteiligung eingehen können. Doch stattdessen hat sie ab 2021 die Prüfung der Siedlung hinterm Rücken der Eigentümer*innen betrieben, und ihnen nun die Entscheidung vor den Latz geknallt.
Das wirkt, als ob sich dieses Amt selbst in feudalen Denkweisen am wohlsten fühlt. Oder doch zumindest so handelt. Heißt: Wo Zivilpersonen an ihrem denkmalgeschützten Wohnraum etwas ändern wollen, auch im öffentlichen Interesse, wie beispielsweise durch Einbau von Balkonkraftwerken, wird das Amt gern puristisch-pingelig.
Da behandelt es dann die Frage der Genehmigungsfähigkeit radikal restriktiv. Das ist ein Drama, denn in der Anpassung des Bestands liegt der Schlüssel zur Verringerung des CO2-Fußabdrucks von Wohnraum. Das darf die Denkmalpflege nicht bremsen.
Und muss sie ja auch nicht. Das Fehlen der City-Hof-Hochhäuser, des HEW-Zentrums, der Cremonbrücke, des Postamt 60, der Gewerbeschule, um nur ein paar der gewichtigen Abgänge der letzten drei Jahre zu nennen, weist darauf hin, dass die Behörde sehr flexibel sein kann: Wo Zentralgewalt und Macht im Interesse einzelner Investoren einen Abriss fordern, ist Hamburgs Denkmalpflege noch stets zuverlässig untätig oder unwirksam geblieben. Zwei Standards schlagen ach!, in ihrer Brust.
Verständliche Sorgen
Dabei war ja die Besonderheit des Hamburger Denkmalschutzgesetzes, dass es eben nicht nach preußischem Vorbild aus dem Geist der Reaktion zur Bewahrung gotischer Herrschaftsbauten als Schönheitsideale entwickelt wurde. Es ist aus dem modernen Bürgertum heraus entstanden.
Es sollte dem Schutz vor den Verheerungen eines entfesselten Pfeffersackismus dienen, der Hamburg laut Alfred Lichtwark in eine „Freie und Abrissstadt“ verwandelt hatte. Ein frommer Wunsch, der Wunschtraum blieb.
Vor diesem Hintergrund werden die Sorgen der Poppenbütteler verständlich: Wenn es darum geht, eine beliebte und belebte Siedlung zu erhalten, müssen auch die Änderungsbedürfnisse der Bewohner*innen berücksichtigt werden.
Das heißt, den Rahmen sinnvoll der Gegenwart anpassen – das hätte ein Beteiligungsverfahren leisten können. Zum Wohle aller. Denn Denkmalpflege ist im Prinzip nachhaltig. Aber nur, solange sie nicht musealisiert.
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