Den Menschen vor Ort etwas geben: Er erneuert Geselligkeit

Früher war die „Sachsenhöhe“ das gesellschaftliche Zentrum Polkenbergs. Heute arbeitet Thomas Helbig daran, dem Wirtshaus wieder Leben einzuflößen.

Thomas Helbig, ein älterer Mann, blickt in die Kamera. Er hat einen Schnauzbart und graues, lichtes Haar.

Helbig vermisst die Geselligkeit von früher. Auch deswegen arbeitet er hart an der neuen Sachsenhöhe Foto: Pia Stendera

LEISNIG taz | Im Norden vom Leisniger Ortsteil Polkenberg laden ein Werbeschild und eine mit Geranien behangene Holzkutsche in das Landrestaurant „Sachsenhöhe“ ein. Ein uriges Restaurant, Saal, Bowlingbahn, Biergarten – es wartet das volle Programm altdeutscher Gemütlichkeit. Auf der frisch gepflasterten Terrasse stehen Holzmöbel, umrahmt von Pflanzen und Gartenzwergen. Willkommen bei Thomas Helbig und Maria Doran.

Helbig, 1956 geboren, ist gelernter Obstbauer aus der Region zwischen Dresden und Leipzig. 40 Jahre lang ging er seiner Beschäftigung als Betriebsleiter in einem lokalen Obstbetrieb nach. Mit Einzug des Kapitalismus gehörte zu seinen Aufgaben notgedrungen auch die Organisation von jährlich bis zu 700 SaisonarbeiterInnen aus Polen, der Ukraine und Rumänien – bis dann vor fünf Jahren der Tag kam, an dem er Platz für einen jüngeren Kollegen machen sollte. Bei seinem Rauswurf war er 58.

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Nach einer zweijährigen Reise durch andere Obstbetriebe in ganz Deutschland kehrte er zurück nach Mittelsachsen. Dort traf er auf Maria Doran, eine Rumänin, die früher aus ihrem Land Arbeitskräfte für die Arbeit auf dem Feld an Helbig vermittelt hatte. Sie kam, um zu bleiben und mit Helbigs Unterstützung eine kleine Gaststätte zu übernehmen. „Den Menschen vor Ort etwas zu geben“, das sei das Ziel gewesen, sagt er. Als die alles andere als kleine „Sachsenhöhe“ zur Versteigerung stand, griff Doran zu.

Zu DDR-Zeiten war das große Haus als „Kulturhaus der Werktätigen“ nicht nur Gaststätte und Kneipe, sondern „eine Attraktion“, sagt Helbig. Alle NeuntklässlerInnen der Region durchliefen damals den angebauten Saal zur Tanzstunde und aßen anschließend Pommes Frites. Auszeichnungsfeiern der polytechnischen Oberschulen, SED- und Maifeiern und selbst Rockkonzerte fanden statt. All dies fiel nach der Wende weg. 2016 gab der alte Besitzer auf.

„Das Gesellige ist weg“

Nun versucht Helbig nach aufwendiger Renovierung mit seiner Chefin Doran, die „Sachsenhöhe“ wieder bekannt zu machen. Ein schwieriges Unterfangen. Die Menschen der Region haben inzwischen lange Arbeitszeiten, leben von niedrigen Löhnen, haben sich ins Private zurückgezogen, sagt er. Gerade junge Menschen seien auf der Suche nach neuen Lebenswegen und höheren Löhnen weggezogen. Von den Übrigen sei wenig zu sehen. „Das Gesellige, was man früher erlebt hat, ist weg“, sagt Helbig.

Arbeit immerhin gebe es genug, auch Doran suche händeringend nach Personal für die Gaststätte. Die wirtschaftliche Lage in Mittelsachsen mache es schwierig, die Arbeit angemessen zu bezahlen. Ein friedliches Miteinander zu schaffen, werde so auch immer schwieriger, sagt Helbig und auch seine Gaststätte bleibt unter der Woche oft leer. Trotzdem bleibt er von der Wiederbelebung der „Sachsenhöhe“ überzeugt. „Das muss doch gehen, hier gibt's doch nichts weiter“, sagt er.

Hörensagen sei gerade hier die beste Werbung, sagt Helbig. Doch der Bau der Schnellstraße vor der Tür und das Erbe des früheren Wirtes mit seinen Kaffeefahrten haben viele ehemalige Gäste der „Sachsenhöhe“ vergrault. Und auch der Versuch, neben deutscher auch rumänische Küche anzubieten, trifft nicht nur auf Zustimmung bei allen in der Region. Akzeptanz und Vertrauen müssen mühsam wieder aufgebaut werden.

Unterkriegen lassen wollen sich Doran und Helbig dennoch nicht – weder vom politischen Klima, noch von der Strukturschwäche. Helbig ist sich sicher: Die Region braucht Orte wie diesen. „Wir haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben“. Und bis zur Rente bleibt noch eine Weile.

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