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„Den Biber nehmen, wie er ist“

Seit einem Jahr versuchen Biberberater bei den bayerischen Bauern mehr Sympathie für das Nagetier zu wecken, das sich mit Dammbauen unbeliebt gemacht hat  ■ Von Bernd Siegler

Nürnberg (taz) – Der Castor Fiber Linnaeus, wie der Biber in der Fachsprache heißt, ist bis zu 140 Zentimeter lang und rund 40 Kilogramm schwer. Er fällt gerne Bäume, baut Röhren und Dämme und bringt damit Land- und Forstwirte gegen sich auf. Um die in den letzten Jahren eskalierenden Konflikte zu lösen, wurde in Bayern ein landesweites „professionelles Bibermanagement“ mit hauptamtlichen Biberberatern installiert. Mit Erfolg. Der Biber verschwand aus den negativen Schlagzeilen.

In die war er seit seiner Wiederansiedlung in Bayern vor 19 Jahren gekommen. Ein Jahrhundert lang war der zweitgrößte Nager der Erde in Deutschland bis auf Restgebiete an der Mittelelbe zwischen Dessau und Magdeburg ausgestorben. Nicht die Zerstörung der Lebensräume machte dem Pflanzenfresser den Garaus, sondern die intensive Bejagung. Sein sehr dichtes Biberfell mit 23.000 Haaren auf nur einem Quadratzentimeter (der Mensch bringt es nur auf 300) taugte für Mäntel und Mützen, und auch sein Fleisch war vor allen Dingen bei Mönchen in der Fastenzeit beliebt, die den Biber flugs zum Fisch deklarierten. Das ölige Drüsensekret, das „Bibergeil“, galt darüber hinaus als Wunderheil- und Potenzmittel.

Seit dem Beginn eines groß angelegten Wiedereinbürgerungsprojekts ist der Biber nunmehr mit rund 2.500 Tieren in 600 Revieren fast überall im Freistaat wieder heimisch. Das freut den bayerischen Bund Naturschutz (BN), der das Projekt initiiert hatte, und ärgert die Landwirte und ihre Lobby. Die schimpften über Flurschäden, fühlten sich von den Behörden alleingelassen und forderten lautstark, den Biber schnellstmöglich wieder unter das Jagdgesetz zu stellen. Der Konflikt zwischen Naturschutz und Landwirtschaft eskalierte im Kommunalwahlkampf 1996.

Deshalb begann im Herbst des gleichen Jahres zunächst im Landkreis Neuburg der Modellversuch eines professionellen Bibermanagements. Ein Biberberater sollte vor Ort Kontakt mit den betroffenen Menschen aufnehmen, Schäden begutachten und Problemlösungen erarbeiten. Mit Unterstützung des Bayerischen Umweltministeriums wurde daraus im Januar 1998 ein landesweites Projekt mit bereits zwei hauptamtlichen Biberberatern.

Deren Bilanz kann sich sehen lassen. Allein der für Nordbayern zuständige Biologe Markus Schmidbauer war im Dienste des Bibers 1.234 Stunden im Einsatz und legte rund 28.000 Kilometer zurück, um 165mal vor Ort zu sein. Indem man Dämme entfernte, den Bauern einen Ausgleich zahlte, die Ufer sicherte und immerhin 14 Biber wegfing, konnte der Großteil der Probleme gelöst werden. Manchmal auch durch den gezielten Ankauf von Flächen, für den der Bayerische Naturschutzfonds bis zum Jahr 2000 insgesamt eine Million Mark bereitgestellt hat. Bei jedem sechsten Fall konnte Schmidbauern den Betroffenen schon einfach verbal klarmachen, daß man den schwergewichtigen Nager „so nehmen muß, wie er eben ist“.

Für Schmidbauer ist das persönliche Gespräch sowieso am wichtigsten: „Wir nehmen die Menschen, die Probleme mit Bibern haben, ernst.“ Er verweist auf die erfolgreiche Arbeit von „Bären- und Luchsteams“ in Österreich, um dort die Akzeptanz für die Wiederansiedlung dieser Tiere zu erhöhen.

Solange aber die Uferstreifen und -böschungen, also der natürliche Lebensraum der Biber, intensiv landwirtschaftlich genutzt werden, geht den beiden Biberberatern die Arbeit nicht aus. Der Landesbeauftragte des BN, Hubert Weiger, mahnt seit langem die Umsetzung der immer wieder vom Landtag und dem Umweltministerium getroffenen Beschlüsse an, die stets einer Renaturierung der Auen und Flußlandschaften oberste Priorität zubilligten. Genau das beinhaltet auch das seit September letzten Jahres gültige neue bayerische Naturschutzgesetz. Wenn es einen 10 bis 20 Meter breiten Pufferbereich an den Ufern gebe, so Experte Weiger, sei das nicht nur „Biberschutz, sondern auch Grund- und Hochwasserschutz“. Er hofft nun, daß der Biber zum „Katalysator für die überfällige Renaturierung der Tal-Auen“ wird.

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