Demütigung von Flüchtlingen: Polizist soll Kollegen bedroht haben
Der des Missbrauchs beschuldigte Bundespolizist bleibt vorerst auf freiem Fuß. Ihm könnten Jahre in Haft drohen. Die betroffenen Flüchtlinge sind nicht auffindbar.
HANNOVER dpa | Ein wegen Misshandlungen von Flüchtlingen beschuldigter Bundespolizist aus Hannover soll auch Kollegen mit seiner Dienstwaffe bedroht haben. Dies sagte Oberstaatsanwalt Thomas Klinge am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur und bestätigte damit einen NDR-Bericht. Demnach hielt der 39-Jährige seine Pistole im August 2013 einem anderen Polizisten an die Schläfe. Dann forderte er ihn zu sexuellen Handlungen auf. Nach NDR-Recherchen erlebten fünf Beamte diesen Vorgang im Aufenthaltsraum einer Wache mit.
Am Wochenende war bekannt geworden, dass der Bundespolizist im vergangenen Jahr in mindestens zwei Fällen in Gewahrsam genommene Flüchtlinge aus Afghanistan und Marokko offenbar aus rassistischen Motiven gedemütigt, geschlagen und damit bei Bekannten geprahlt haben soll. Die Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderem wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt gegen den Mann.
Laut Strafgesetzbuch drohen dafür bis zu fünf Jahre Haft. Bei der Hausdurchsuchung wurde zudem eine illegale Waffe sichergestellt. Oberstaatsanwalt Klinge sagte, die Bedrohung anderer Beamter sei Teil der Anzeige, „jedoch steht er bei unseren Ermittlungen zunächst nicht im Fokus“.
Der Beschuldigte hat inzwischen laut Klinge erklärt, zunächst keine Angaben zu den Vorwürfen zu machen. Gegebenenfalls werde sich aber sein Anwalt äußern, wenn er in die Akten Einsicht genommen hat. Der Beamte ist derzeit nicht im Dienst, befindet sich aber auf freiem Fuß. „Es liegen keine Haftgründe wie Verdunklungs- oder Fluchtgefahr vor“, sagte Klinge.
Trotz intensiver Suche konnten die beiden möglichen Misshandlungsopfer bislang nicht vernommen werden. „Wir haben sie leider noch nicht unter der uns bekannten Adresse antreffen können und sind weiter auf der Suche“, sagte Klinge. Die Ermittler gehen davon aus, dass sie sich noch in Deutschland aufhalten.
Anzeigesteller sollen vernommen werden
Dagegen hoffte Klinge, noch am Dienstag die beiden Anzeigesteller vernehmen zu können. Die zwei Männer, deren Identität Klinge nicht verraten will, hatten die Ermittler auf die Vorfälle aufmerksam gemacht. Sie hatten der Staatsanwaltschaft eine umfangreiche Aktensammlung mit Fotos und Kurznachrichten vorgelegt, die die Misshandlungen beweisen sollen.
Die Polizeiexpertin von Amnesty International, Maria Scharlau, erklärte, der Tatbestand der Folter stehe im Raum. Dies müsse lückenlos aufgeklärt werden. Politik und Polizei müssten künftig sicherstellen, dass solche Exzesse nicht passieren, dass sie aber in jedem Fall nicht monatelang unentdeckt bleiben und verschwiegen werden. Es fehle etwa an Menschenrechtsschulungen und Anti-Rassismus-Trainings und einer unabhängigen Stelle, die Fälle von Polizeigewalt untersucht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid