Demoralisierte Schweizer Mannschaft: "Ihr seid nur ein Käselieferant"

System gescheitert: Die schweizer Kicker sind nach der 0:4-Niederlage gegen Deutschland ratlos. Trainer Kuhn versucht sich in Schadensbegrenzung.

Kein Zusammenhalt, keine Durchsetzungskraft - und vier Gegentore: Die Schweizer Mannschaft. Bild: dpa

BASEL taz Jakob Kuhn war ein einsamer Mann, als er den Weg in die Katakomben des Basler St.-Jakob-Parks antrat. Nervös fummelte der Trainer der Schweizer Nationalmannschaft nach dem 0:4 gegen Deutschland am Reißverschluss seines Anoraks herum, doch seine tiefe Bestürzung ließ sich nicht verbergen an diesem bislang finstersten Abend der eidgenössischen EM-Vorbereitung. "Das nächste Spiel wird das wichtigste sein", sagte Kuhn mit aschgrauem Gesicht, und als er merkte, wie ratlos er klang, fügte er schnell an: "Das ist zwar eine alte Fußballweisheit, aber andere Weisheiten kann ich im Moment nicht vorbringen."

Das war ehrlich und irgendwie auch sympathisch, mit detaillierteren Analysen war der Heftigkeit dieses Abends ohnehin nicht beizukommen. Am Ende war es so still geworden unter den 40.000 Zuschauern, dass die Rufe der Spieler zu hören waren. Der deutsche Anhang sang: "Ihr seid nur ein Käselieferant."

Spätestens nach diesem Erlebnis kann Kuhn, der "Schweizer des Jahres 2006", den Zustand seiner Mannschaft nicht mehr mit seinem Charisma und seiner Zuversicht verdecken. Die besonnene Neue Zürcher Zeitung titelte am Tag nach der Partie "Demaskierung im EM-Stadion" und resümierte: "Die Abwehr? Vier Gegentore. Das Mittelfeld? Kein Zusammenhalt. Der Sturm? Keine Durchsetzungskraft. Das System? Gescheitert."

Diese Worte klingen ungewohnt kritisch gegenüber dem lange Zeit unantastbaren Kuhn. Nach dem Achtelfinaleinzug bei der WM 2006, der den größten Erfolg in der Geschichte des Schweizer Fußballs darstellt, galt der Trainer als Garant für eine erfolgreiche Heim-EM. Doch seit einem Jahr agiert der 64-Jährige glücklos. So sind die erfahrenen Säulen der Defensive verschwunden. Abwehrchef Patrick Müller laboriert an einem Kreuzbandriss und hofft nur noch sehr vage auf eine EM-Teilnahme, den Defensivstrategen und Kapitän Johann Vogel eliminierte Kuhn, weil er sich nicht mit Alexander Frei verstand.

Weil der hintere Mannschaftsteil derzeit so schlecht funktioniert wie seit Jahren nicht - das 0:4 gegen die Deutschen war bereits die vierte Niederlage hintereinander - sprach Kuhn von einem "sehr schmerzlichen Erlebnis". Diese als "Hauptprobe" deklarierte Vorstellung ergab nur Erkenntnisse darüber, was nicht funktioniert. Entsprechend erschüttert wirkte der Trainer, als er Schulter zuckend feststellte, "gewollt haben wir, aber wir haben nicht gekonnt".

Nun wirkt Kuhn schon vor den Eröffnungsspiel erschöpft. "Es wird darauf hinauslaufen, dass wir uns bei der EM rehabilitieren", sagte er. Desillusionieren lassen wollen sie sich aber jetzt noch nicht, und wie so oft taugten die Deutschen trotz ihrer Überlegenheit auch an diesem Abend immerhin dazu, den Glauben an einen erfolgreichen Sommer zu bewahren. Ob er nicht langsam das Vertrauen in seine Mannschaft verliere, wurde Kapitän Alexander Frei gefragt, und der Dortmunder Stürmer fauchte zurück: "Wer hat denn noch Vertrauen in die deutsche Mannschaft gehabt, als sie vor der WM 4:1 gegen Italien verloren hat?"

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.