piwik no script img

Demonstration in HamburgMit Schlümpfen gegen Rassismus

In Hamburg protestieren über 1.200 Menschen gegen Rassismus. Ihr Credo: "Der Verfassungsschutz ist Teil des Problems.

Fordern die Auflösung des Verfassungsschutzes: Demonstranten in Hamburg. Bild: Kai von Appen

HAMBURG taz | Schlapphut, Brille, Mantel. In der Hamburger Innenstadt imitierten Demonstranten den Verfassungsschutz. Mit diesem Outfit sagen am Samstag fünf Demonstranten nach einer bekannten Melodie: "Ja, sagt mal wo kommt ihr denn her? Vom Geheimdienst bitte sehr! Wisst ihr wo die Nazis sind? Wir sind leider rechts sehr blind!".

Die meisten der 1.200 Teilnehmer erkannten die Melodie des "Lied der Schlümpfe" sofort. Das "Hamburger Bündnis gegen rechts" hatte zu der Demonstration unter dem Motto "Rassismus entgegentreten. Faschismus bekämpfen. Verfassungsschutz auflösen" anlässlich des Jahrestages des zufälligen Auffliegens der Mordserie des NSU aufgerufen. Unter Applaus warfen die fünf "Spitzel" Papierstreifen vom Lautsprecherwagen und sangen "Und wenn Ihr mal 'nen Fehler macht! Wird's zum Schredder schnell gebracht".

Solche kritischen Performances waren die Innenbehörde um Innensenator Michael Naumann (SPD) unwillkommen. Erst in der Nacht zum Samstag konnte das Bündnis, das von vielen Initiativen unterstütz wurde, die zuerst genehmigte und dann verboten Route vorbei an der Innenbehörde rechtlich durchsetzen.

Die Verwaltungsbehörde hatte kurzfristig eingewandt, dass neben Schmähungen und Verunglimpfungen der Sicherheitsorgane vor der Behörde auch Aktionen stattfinden könnten und eine große Anzahl von gewaltbereiten Demonstranten erwartet werde. Das Oberverwaltungsgericht teilte die Einschätzung der Behörde nicht.

Vor der Innenbehörde hatte die Polizei allerdings behelmte Beamte, Polizeigitter und Wasserwerfer aufgebaut. "Diese Behörde ist gänzlich ungeeignet Rassismus zu bekämpfen, sie ist überflüssig" sagte eine Sprecherin des Bündnisses: "Sie sind Teil des Problems!".

Die Namen und Bilder der von der NSU getöteten Menschen trugen Demonstranten auf Schildern. "Rassismus ist das Problem" war auf Transparenten von linken Gruppen zu lesen und "Für friedliches Miteinander gegen Gewalt" bei muslimischen Initiativen. Von St. Georg aus war die Demonstration zur Innenbehörde zur Stadthausbrücke gezogen - knapp fünf Stunden mit vielen Redebeiträgen.

Hüseyin Yilmas, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde Hamburg sagte: "Die lückenhafte Aufklärung belastet erneut die Familien der Opfer". In der türkischen Gemeinde sei das Vertrauen zu den Sicherheitsbehörden mehr und mehr gesunken. "Die Vernichtung von Akten und das Verheimlichen von Maßnahmen muss ein Ende haben", sagt er.

Der Vorsitzende der Schura (Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg) Mustafa Yoldas, kritisierte, dass Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) immer noch im Islamismus die größte Bedrohung für Deutschland sehe: "182 Menschen wurden von Rechtsextremen hier ermodert, zwei Menschen von verwirrten Islamisten". Unter dem Deckmantel einer vermeintlich berechtigten Kritik an einer multikurellen Gesellschaft, so Yoldas, würde aus der "Mitte der Gesellschaft" verstärkt Rassismus geschürt.

Ein massives Polizeiaufgebot, inklusive Reiterstaffel, hatte die Demonstration begleitet. Sie endete friedlich.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

4 Kommentare

 / 
  • D
    derda

    @tommy: Von einer Forderung nach Auflösung aller Sicherheitsbehörden hör ich von dir das erste Mal und dann argumentierst du auch noch dagegen

    Sinn?

  • D
    dobermann

    @ tommy

     

    yoo ... seh ich auch so. außerdem - sind politischer islam und neu nazitum nicht ein und das selbe?

     

    gut - einmal religion und einmal volk, aber im kern völlig austauschbar.

  • T
    tommy

    "Der Vorsitzende der Schura (Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg) Mustafa Yoldas, kritisierte, dass Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) immer noch im Islamismus die größte Bedrohung für Deutschland sehe: "182 Menschen wurden von Rechtsextremen hier ermodert, zwei Menschen von verwirrten Islamisten"

     

    Es war teils reines Glück, teils ein Erfolg der vielgescholtenen Sicherheitsbehörden, dass Islamisten bisher keinen erfolgreichen Massenmord in Deutschland durchführen konnten (man denke nur an die Kofferbombe, die nach den Mohammed-Karikaturen in einem Regionalzug deponiert wurde). Aber ok, am besten alle Sicherheitsbehörden abschaffen (das sind ja sowieso alle Nazis), dann klappts vielleicht bald mal. Dann allerdings Leute wie Herr Yoldas mit ihren einseitigen Schuldzuweisungen wohl mal die Klappe halten.

  • Y
    yoldas

    Herr Youldas vom Hamburger-Schura-Rat bemerkt sinngemäß:

    In Deutschland wurden seit der Wende 182 Menschen von Nazis ermordet und nur 2 (US-Soldaten) von "verwirrten" Islamisten.

     

    Wir haben hier ein sehr schönes Beispiel für das sogennante Targeting, eine Grund-Technik der Statistik-Klitterung.

     

    "Nur" 50 der 182 NAZI-opfer waren Einwanderer aus islamischen Ländern.

    Ebenso wurden seit dem 11.September 2001 etwa 50 Deutsche von Islamisten ermordet, wenn auch nicht in Deutschland selbst. (Die meisten in Da djerba und Mumbai)

     

    Dann haben wir es in Deutschland außer mit Islamisten auch noch mit Grauen Wölfen zu tun, die auch nicht gerade lupenreine Demokraten sind.

     

    Zum Hamburger Shura-Rat ist anzumerken, dass er sich aus den 3 türkischstämmigen Islam-Verbänden DITIB, Milli Görüs und VIKZ zusammen setzt, wobei die beiden letztgenannten selbst vom Verfassungsschutz beobachtet werden.

     

    Tja, die größten Kritiker der Elche....