Demonstration gegen Sexualisierung: Oben ohne
Auf der Straße gegen einengende Kleiderordnungen unterwegs: Feminist*innen radeln in Hannover gegen Sexualisierung und Diskriminierung.
Dass Brüste kein Geschlecht haben, bringt das politische Ziel der Demonstration auf den Punkt. Aktuell bestimmt der Blick auf den Körper, zu welchem Geschlecht zugehörig eine Person gelesen wird. Dabei werden männliche und weibliche Brust sehr unterschiedlich bewertet. Gegen die Sexualisierung der weiblichen Brust und die Absurdität der unterschiedlichen Bewertung von nackten Oberkörpern richtete sich die Demonstration des Feministischen Rats Hannover. „Das Verdecken der weiblichen Brust ist Symptom von Sexismus und Patriarchat“, sagt Juana Zimmermann vom Feministischen Rat.
Dass der feministische Slogan „Bildet Banden!“ an Aktualität nichts eingebüßt hat, zeigte die Demonstration. Anlass waren laut Zimmermann unter anderem persönliche Vorfälle: Personen aus dem Kreis des Feministischen Rates wurden nackt am See gefilmt, der Mann hörte auch nach Aufforderung nicht damit auf. Spontan organisierte der Feministische Rat innerhalb weniger Tage die Demonstration. Ziel sei es gewesen, sich gemeinsam zu empowern und in der Gruppe weniger angreifbar zu sein.
Die weibliche Brust in der Öffentlichkeit zu zeigen, bedeutet nicht nur unfreiwillige Sexualisierung, es kann sogar strafbar sein. Als „Belästigung der Allgemeinheit“ gilt es als Ordnungswidrigkeit und kann mit einer Geldstrafe von bis zu 1.000 Euro bestraft werden.
Für bundesweites Aufsehen sorgte im vergangenen Jahr der Fall einer Frau in Berlin, die beim Sonnen oben ohne einen Polizeieinsatz auslöste und einen Platzverweis bekam. Neben der gemeinsamen Ermächtigung ging es den Demonstrant*innen deshalb auch darum, „ein Zeichen gegen die unfaire Gesetzeslage zu setzen und uns Räume zurückzuerobern!“, sagt die Aktivistin Kim Kindler.
Die Schwierigkeit, die mit dem Wunsch nach öffentlicher Aufmerksamkeit bei gleichzeitiger Gefahr von Sexualisierung verbunden ist, zeigte sich auf der Demonstration ganz direkt. Sie wurde von einem Aufgebot der Lokalpresse begleitet – und von Männern. „Unfassbar viele Männer haben gegafft und uns gefilmt“, erzählt Zimmermann. Gemeinsam hätten sie versucht, sich dagegen zu wehren – leider nicht immer erfolgreich. Auch sei auffällig gewesen, dass viele Pressevertreter*innen anwesend gewesen seien, die sich sonst wenig für feministische Anliegen interessieren. „Teile der Medien nutzen das Thema für Clickbaiting“, vermutet Zimmermann.
Damit bestätigten sie letztendlich den Anlass zur Demo. Während es für Männer normal ist, mit nacktem Oberkörper Sport zu machen oder am See zu liegen, werden Frauen begafft und gefilmt. Das zeigt, dass der Weg zur Gleichberechtigung noch ein weiter ist. Doch Aktionen wie die des Feministischen Rates sind ein starkes Zeichen für Verbündung und die Rückeroberung öffentlicher Räume. Nach Abschluss der Demo hätten einige Teilnehmer*innen noch gemeinsam im Park gesessen, sich ausgetauscht und vernetzt, sagt Zimmermann: „Insgesamt war es ein schöner und erfolgreicher Tag.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!