Demografischer Wandel: Überflüssige Wohnungen
In ländlichen Regionen droht massiver Wohnungsleerstand, sagen Ökonomen. Sie fordern die Kommunen auf, rechtzeitig zu handeln.
BERLIN taz | In Deutschland werden immer mehr Wohnung leer stehen. Bis 2030 könnte in manchen Regionen jede fünfte Wohnung überflüssig sein. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW).
Angesichts heftiger Diskussion über hohe Mieten und Wohnungsnot erscheint dieses Ergebnis überraschend. Doch laut IW leben nicht einmal 20 Prozent der Deutschen in Regionen, in denen Wohnen in den vergangenen Jahren teurer geworden ist.
„Viel schwieriger ist die Situation jenseits der Metropolen“, sagte Michael Voigtländer vom IW bei der Präsentation der Studie am Donnerstag in Berlin. Denn insbesondere in den ländlichen Regionen, schrumpfe die Bevölkerung. Je nach Zuwanderung und Geburtenrate geht das IW davon aus, dass im Jahr 2060 nur noch 65 Millionen Menschen in Deutschland leben könnten – rund ein Fünftel weniger als heute.
Hälfte der Regionen betroffen
Die Wissenschaftler haben die Nachfrage nach Wohnfläche für alle 402 Landkreise und kreisfreie Städte in verschiedenen Szenarien vorausberechnet. Wenn sich der Pro-Kopf-Bedarf nicht erhöht, gehe die Nachfrage nach Wohnraum bis zum Jahr 2030 in 240 der Kreise und Städte zurück, so die Studie.
Während das Münchner Umland, Berlin und Hamburg weiter wüchsen, liefen Regionen in Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg Gefahr, regelrecht "zersiedelt zu werden" Aber auch Großstädte wie Essen oder Dortmund seien betroffen.
In einem zweiten, optimistischeren Szenario gehen die Forscher von einer höheren Geburtenrate aus und nehmen an, dass die Menschen tendenziell in immer größeren Wohnungen leben möchten. Dann steige die Nachfrage zunächst in den meisten Regionen. Doch spätestens 2050 kehre sich der Trend in jedem Fall um.
„Nach innen wachsen“
„Leerstand ist ein gesellschaftliches Thema“, sagte Ökonom Voigtländer. „Verlassene Gebäude führen im schlimmsten Fall dazu, dass ganze Stadtviertel unattraktiv werden.“ Zudem sei ein „löchriges Stadtbild“ teuer: „Bei gleicher Stadtfläche bleiben Kosten für Müll, Abwasser und Leitungsnetz konstant und die Infrastrukturkosten pro Kopf steigen.“
Um das Problem zu lösen, müssten betroffene Kommunen „nach innen wachsen“, so die Studienautoren. Man dürfe nicht länger immer neue Flächen zur Bebauung ausweisen. Stattdessen müsste man Innenstädte beleben, den Menschen Anreize bieten, in die Zentren zu ziehen und auch vor Gemeindefusionen nicht zurückschrecken.
„Manchen Kommunen stehen sicherlich schmerzhafte Schrumpfungprozesse bevor“, sagte Voigtländer. Wer rechtzeitig handele, könne jedoch die Attraktivität seiner Region erhalten. „Wir müssen ja nicht schlechter leben, nur weil wir weniger sind.“
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