Leerstand in bester Lage: Mit Rammbock und Kettensägen

Spekulant Landschulze verklagt Hausbesetzer auf Kostenerstattung für eine Tür, die von der Polizei bei der Räumung zerdeppert wurde.

Steht seit Jahren fast ganz leer und braucht eine Mahagonitür: das Haus in der Juliusstraße 40 im Schanzenviertel. Bild: Hendrik Doose

HAMBURG taz | Klingt grotesk, ist aber wahr: Die Spekulanten-Familie Landschulze, die das Wohnhaus in der Juliusstraße 40 im Schanzenviertel seit Jahren nahezu leer stehen lässt, hat eine Gruppe Hausbesetzer auf Schadensersatz verklagt. Sie sollen nach ihrer Aktion 8.564,61 Euro für eine Mahagoni-Treppenhaus-Tür bezahlen, die die Polizei bei der Räumung zerstört hat. Mit der neuen schicken Tür möchten die Landschulzes den leer stehenden Wohnraum vor „unberechtigtem Zutritt“ schützen.

Das Areal direkt neben der Roten Flora am Schulterblatt war 2003 von Ernst-August Landschulze gekauft worden. Das damals zuständige Bezirksamt-Mitte ordnete nach einer Anzeige die Instandsetzung an, die von den Bewohnern weitgehend selbst vorgenommen wurde.

Landschulze konzentrierte sich darauf, die Mieter aus der linken Hälfte des Gebäudes durch Räumungsklagen loszuwerden, nachdem er die rechte Haushälfte wieder aufgebaut hatte, um den Komplex in Ganzetagen-Wohnungen umzuwandeln. Nur eine Mieterin trotzt bis heute den Landschulzes. „Ab und zu kommen mal ein paar Handwerker vorbei, um den Anschein zu erwecken, dass etwas passiert“, sagte die alleinerziehende Mutter schon 2010 der taz. „Aber es passiert nichts.“

Das Eckhaus und Grundstück Juliusstraße 40 ist 2003 von Ernst- August Landschulze gekauft worden. Offiziell gehört die Immobilie seiner Tochter Maren Landschulze. Zuvor gehörte sie dem Spekulanten Hassan Kodas, der das Haus verrotten ließ.

Wieder aufgebaut wurde die zweite Haushälfte, die im 2. Weltkrieg bei der "Operation Gomorrha" zerbombt worden war, nach historischen Vorgaben. Selbst der Stuck in dieser Haushälfte wurde aufwendig rekonstruiert.

Nahezu entmietet ist das linke Haus seit dem Jahr 2010. Die neu aufgebaute Haushälfte steht seit 2006 leer. Lediglich eine Alt-Mieterin trotzte bislang erfolgreich sämtlichen Räumungsklagen der Landschulzes.

Wirtschaftlich macht der Leerstand keinen Sinn, sagen Experten. Auch nicht, wenn man später die komplette Etage als Eigentumswohnung verkaufen möchte.

Um Abhilfe und Öffentlichkeit zu schaffen, besetzte eine Gruppe von sieben Leuten am 16. Oktober 2010 im Rahmen der Kampagne „Leerstand zu Wohnraum“ medienwirksam das Areal. „Miethaie zu Fischstäbchen“ prangte es von den Balkonen. Früher habe man „vergammelte Altbauten“ besetzt, nun habe man sich ein Haus genommen, das zu Eigentumswohnungen umgewandelt werden solle. „Luxus für alle.“

Maren Landschulze – formal Eigentümer des Hauses – fackelte nicht lange, stellte Strafantrag und drängte auf Räumung. Die Polizei rückte mit einem Großaufgebot an. Mit Brachialgewalt wurde die Treppenhaus-Tür mit einem Rammbock und später mit Kettensägen zerstört, obwohl die Landschulzes eigentlich einen Haustürschlüssel besitzen müssten. Auch bei der letzten Mieterin ist es versäumt worden, einfach zu klingeln – angeblich, weil die Treppenhaustür mit einem Schrank verbarrikadiert worden war.

Seit zwei Jahren liegt der Rechtsstreit nun bei Zivilrichterin Inken von Gadow, die nun erstmals in die mündliche Erörterung eingetreten ist. „Nach meiner bisherigen Rechtsauffassung sind die Beklagten voll haftbar“, sagt die Amtsrichterin, was auf Widerspruch der Verteidiger Martin Klingner und Hendrik Schulze stößt. Zwar sei es nach dem Zivilrecht so, erläutert Klingner, dass, wenn man etwas Widerrechtliches tut, man auch für die Schäden haftbar zu machen ist – auch wenn diese Mitbeteiligte anrichten.

In diesem Fall sehen die Anwälte jedoch die „Kausalität“ nicht, da das Vorgehen der Polizei unverhältnismäßig gewesen sei. Die Beteiligten hätten nicht davon ausgehen können, dass die Polizei „die Treppenhaustür komplett zerlegt“, sagt Klingner. Die Landschulzes sollten sich „von der Polizei den Schadensersatz holen“. In den nächsten Wochen wird über einen Vergleich korrespondiert, um sich eine Beweisaufnahme zu ersparen.

Dennoch stellt sich schon jetzt die Frage, warum das Bezirksamt Altona immer noch nicht gegen die Zweckentfremdung des Hauses vorgeht. „Die Sanierung ist noch nicht abgeschlossen“, sagt Sprecherin Heike Bahr, „so dass das Wohnraumschutzgesetz nicht greift.“

„Seit Jahren wird nicht ernsthaft versucht, den Bau fertigzustellen“, sagt Marc Meyer, Jurist beim Verein Mieter helfen Mietern. „Das weiß auch der Bezirk.“ Es mache ihn wütend, dass angesichts der Wohnraumsituation nicht eingeschritten werde.

Der Vorsitzende des Bauausschusses im Bezirk Altona, Robert Jarowoy (Linke), wird das Thema heute auf die Tagesordnung setzen. „Das Wohnpflegeamt scheint eher die Spekulanten zu pflegen als sich um die Belange von Wohnungssuchenden zu kümmern, wie es seine Aufgabe wäre“, sagt Jarowoy. „Die leeren Wohnungen hätten längst beschlagnahmt werden müssen.“

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