Demografische Entwicklung: Mehr Pflegefälle als gedacht

2060 werden voraussichtlich 4,5 Millionen Menschen Hilfe benötigen. Dann werden doppelt so viele Pflegekräfte wie heute gebraucht.

Eine junge Hand reicht einer älteren Hand einen Becher

Eine Pflegekraft hilft einer alten Frau beim Trinken. Foto: dpa

BERLIN taz | Die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland steigt in den kommenden Jahren stärker als bisher erwartet. Das geht aus dem Pflegereport 2015 hervor, den die Krankenkasse Barmer GEK und Wissenschaftler der Universität Bremen vorgestellt haben.

Demnach werden im Jahr 2060 221.000 mehr Menschen Pflege benötigen als bisher angenommen. Insgesamt geht Barmer GEK-Vorstandschef Christoph Straub dann von 4,52 Millionen Pflegebedürftigen aus, rund 2 Millionen mehr als aktuell. Die Neuberechnung basiert auf Zahlen der Volkszählung aus dem Jahr 2011. In früheren Berechnungen sei der Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung unterschätzt worden, so Straub.

Da jedoch in Zukunft mehr Menschen ein hohes oder sehr hohes Alter erreichen werden, komme es zu diesem Anstieg der Zahl der Pflegebedürftigen. Die Altersgruppe der über 90-Jährigen sei die am stärksten wachsende Gruppe überhaupt. Von den zusätzlichen 221.000 Menschen bis 2060 werden 176.000 Männer sein.

Auch für die Gegenwart hat der Pflegebericht die Zahl der Bedürftigen korrigiert. Bereits in diesem Jahr seien etwa 40.000 mehr Menschen zu betreuen, als ursprünglich erwartet wurden. Im Zusammenhang mit der zu erwartenden Zahl der Bedürftigen forderte Straub, pflegende Angehörige stärker zu unterstützen.

Heinz Rothgang

„Die Zahl der Pflegekräfte muss sich bis 2060 verdoppeln“

Von den aktuell 2,6 Millionen auf Hilfe angewiesenen Menschen werden mehr als zwei Drittel von Verwandten zu Hause betreut, hielt Studienautor Heinz Rothgang fest. Eine Zahl, die in den kommenden Jahren wahrscheinlich weiter zunehmen wird, denn: Pflege findet immer mehr zu Hause statt. Nicht einmal jeder dritte Hilfsbedürftige wird stationär betreut.

Besonders häufig seien dabei Frauen in die Betreuung eingebunden. Häufig wissen die Angehörigen jedoch gar nicht, welche Unterstützung ihnen zusteht. So kennen beispielsweise zu wenige Menschen die Angebote zum altersgerechten Wohnungsumbau. „Der Informationsstand der Versicherten ist nicht so, wie wir es gern hätten“, räumte Rothgang ein.

Pflegeeinrichtungen fehlt Personal

Zufrieden zeigte sich Straub mit der Pflegereform, die der Bundestag am Freitag beschlossen hat. Das sogenannte zweite Pflegestärkungsgesetz sichert pflegende Angehörige in der Renten- und Arbeitslosenversicherung besser ab und ermöglicht Demenzkranken den gleichen Zugang zu Pflegeleistungen wie körperlich Behinderten. Außerdem ersetzt die Reform die bisher drei Pflegestufen durch fünf Pflegegrade, wodurch ein Bedarf individueller bewertet werden soll. Der Barmer GEK-Chef bezeichnete die Maßnahmen als „gelungen“, auch wenn es „nicht gerade zügig“ gegangen sei.

Ein Problem bleibt jedoch auch nach der Reform bestehen: In Pflegeeinrichtungen werde es vorerst nicht mehr Personal geben, vermutet Straub. Dabei mangele es schon heute an Fachkräften. Und der Bedarf wird in den kommenden Jahren deutlich zunehmen. Die Zahl der Pflegekräfte in den Einrichtungen müsse sich Rothgang zufolge bis 2060 verdoppeln. Dazu müsse der Beruf deutlich attraktiver werden. „Dies ist das größte Problem der Pflege“, formuliert Rothgang die Herausforderungen für die Zukunft.

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