Demo von Rechten am Samstag in Berlin: Sie marschieren wieder gegen Merkel
Unter dem Motto „Merkel muss weg“ wollen am Samstag erneut hunderte Rechtsextreme durch die Innenstadt ziehen. Linke wollen das verhindern.
Vor knapp einem Jahr begann es mit einem Paukenschlag: Mehr als 2.500 Neonazis und Rechtspopulisten marschierten unter dem Motto „Merkel-muss-weg“ durch die Innenstadt, mit einer so hohen Teilnehmerzahl hatte im Vorfeld niemand gerechnet.
Drei weitere dieser Demonstrationen folgten im letzten Jahr, dabei wurden es von Mal zu Mal weniger Teilnehmer, doch auch bei der letzten Veranstaltung im November kamen noch gut 500 Neonazis zusammen. Am Samstag steht nun die fünfte Ausgabe an, 1.000 Teilnehmer sind laut Polizei vom Veranstalter angemeldet. Bei Facebook haben mehrere tausend Menschen ihre Teilnahme angekündigt – erfahrungsgemäß ist diese Zahl bei den Demonstrationen aber stets höher als die reale Teilnehmerzahl.
Mehr Teilnehmer erwartet
Hinter den Aufmärschen steht der Rechtsextremist Enrico Stubbe, der bis Ende letzten Jahres im Bundesvorstand der Kleinstpartei Pro Deutschland saß, an den montäglichen Bärgida-Demos beteiligt ist und Verbindungen zum Spektrum der Hooligans gegen Salafisten (HoGeSa) hat. Dem in sozialen Netzwerken unter dem Label „Wir für Berlin – Wir für Deutschland“ sehr umtriebigen Marzahner gelang es zumindest bei der ersten Demonstration, über das übliche Neonazi-Spektrum hinaus zu mobilisieren.
Das änderte sich später: Zwar waren auch auf den vergangenen Demonstrationen noch vereinzelt Lokalpolitiker der AfD zu sehen, zu einem großen Teil bestand das Publikum aber aus aggressiv auftretenden Neonazis. Viele von ihnen waren aus Brandenburg und teilweise auch aus anderen Bundesländern angereist.
Für diesen Samstag geht die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) davon aus, dass sich die Teilnehmerzahl wegen der langen Pause wieder erhöhen könnte – mit einer Zahl im oberen dreistelligen bis unteren vierstelligen Bereich müsse gerechnet werden.
Die Demonstration gegen den rechtsextremen Aufmarsch beginnt um 13 Uhr am Rosenthaler Platz in Mitte. Von dort führt die Route zum Washingtonplatz vor dem Hauptbahnhof, wo sich ab 14.30 Uhr die Teilnehmer des „Merkel-muss-weg“-Aufmarsches treffen wollen, um von dort über die Reinhardt- und Torstraße und durch das Scheunenviertel bis zum Alexanderplatz zu marschieren.
Weitere Informationen gibt es unter berlingegenrechts.de und auf Twitter bei @BBgegenRechts sowie unter dem Hashtag #b0403. (mgu)
Bei der Liste der RednerInnen gibt es wenig Überraschungen: Erneut sprechen neben Stubbe unter anderem der Schweizer Rechtspopulist Ignaz Bearth, die in der rechten Szene als „Sachsenmädel“ bekannte Julia Schwarze sowie der Pegida-Aktivist Kay Hönicke, der auf Facebook zu der Bildung von „Kampfgruppen“ aufruft. Den Organisatoren sei es offenbar „nicht gelungen, in der Szene namhafte und überregional bedeutsame Redner_innen zu organisieren“, so die Einschätzung der MBR.
Die Merkel-muss-weg-Demonstrationen sind Teil eines seit etwa 2014 zu beobachtenden Versuchs der rechtsextremen Szene, mit dem Thema Flüchtlingspolitik auch für das Spektrum der „besorgten Bürger“, die sich bislang nicht in Neonazistrukturen organisiert haben, anschlussfähig zu werden.
Außerdem stellen sie den Versuch dar, verschiedene und zum Teil auch inhaltlich widersprüchliche rechtsextreme Strömungen unter ein gemeinsames Dach zu bringen. Unter der dehnbaren Selbstbezeichnung „Patrioten“ versammeln sich hier klassische Neonazis, stramm rechte AfDler, antisemitische Verschwörungstheoretiker, gewaltorientierte rechte Hools und Reichsbürger.
Aufruf zur Gegendemo
Das Berliner Bündnis gegen Rechts ruft zu einer Gegendemonstration auf, die um 13 Uhr am Rosenthaler Platz beginnt und von dort zum Auftaktort der Neonazis am Washingtonplatz vor dem Hauptbahnhof führen soll. Das Bündnis aus verschiedenen Vereinen, Partei-Jugendorganisationen und antifaschistischen Gruppen gründete sich im letzten Jahr.
Am Mittwoch gab das bisher parallel bestehende Bündnis Berlin Nazifrei bekannt, mit dem Berliner Bündnis gegen Rechts zu fusionieren – die Verwirrungen, die es im letzten Jahr zum Teil noch um die Gegenproteste gegeben hatte, dürften damit Geschichte sein.
Auch die Grünen-Abgeordnete June Tomiak, Sprecherin ihrer Fraktion für Strategien gegen Rechtsextremismus, ruft zu den Gegenprotesten auf. In einer Anfrage an den Senat hat sie außerdem abgefragt, wie viele Straftaten im Rahmen der letzten drei Merkel-muss-weg-Demonstrationen begangen wurden.
Das jetzt vorliegende Ergebnis: Fast 100 Delikte listet die Senatsverwaltung für Inneres für die letzten drei Veranstaltungen auf, darunter neben einer Reihe von Verstößen gegen das Versammlungsgesetz und anderen Delikten auch insgesamt neun Fälle von Körperverletzung und drei Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz. „Das zeigt, dass weder die Organisatoren noch die Demonstranten Interesse an einem friedlichen Protest haben“, kommentiert die Grünen-Abgeordnete das Ergebnis. Auch an diesem Samstag müsse deswegen erneut mit gewalttätigen Ausschreitungen gerechnet werden.
Das Berliner Bündnis gegen Rechts übt derweil auch Kritik an Rot-Rot-Grün: „Anders als im Koalitionsvertrag versprochen, wurde auch vor diesem Aufmarsch die Route der Neonazis bis kurz vor knapp unter Verschluss gehalten – das erschwert zivilgesellschaftliche Gegenproteste erheblich“, sagt der Bündnissprecher Peter Smolinski. Die Polizei veröffentlichte die Demonstrationsroute erst am Donnerstag, auf Nachfrage gab sie an, dies habe mit dem späten Zeitpunkt des Anmeldergesprächs zu tun.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen