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Demo von Hunderttausenden KatalanenSolidarität mit den Inhaftierten

Auch ohne politische Führung verschaffen sich die Separatisten in Katalonien weiter Gehör. Bei einer großen Demo zeigten sie Solidarität mit inhaftierten Politikern.

„Raus mit der Besatzungsmacht!“: separatistische Demonstranten in Barcelona Foto: reuters

Barcelona dpa | Hunderttausende katalanische Unabhängigkeitsbefürworter haben in Barcelona die Freilassung von acht separatistischen Politikern gefordert. Diese waren nach dem Unabhängigkeitsbeschluss des Regionalparlaments von der Justiz vorgeladen und Anfang November in Untersuchungshaft genommen worden. Viele Teilnehmer trugen am Samstagabend Schilder mit der Aufschrift „Freiheit für die politischen Gefangenen“ oder schwenkten die „Estelada“, die Flagge der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung.

Zu der Großkundgebung hatten die Bürgerinitiative Katalanische Nationalversammlung (ANC) und der Kulturverein Omnium Cultural aufgerufen. Die Chefs der beiden Organisationen sitzen ebenfalls in Untersuchungshaft. Nach Angaben der kommunalen Polizei Barcelonas nahmen etwa 750.000 Menschen an der Demo teil, um ihre Solidarität mit den Inhaftierten zu bekunden.

Mit Blick auf die Zentralregierung in Madrid riefen die Demonstranten in Sprechchören: „Raus mit der Besatzungsmacht!“ Nach einem Referendum über die Abspaltung der Region von Spanien am 1. Oktober war die Situation in Katalonien immer weiter eskaliert. Die Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte schließlich den Artikel 155 der spanischen Verfassung angewandt und die Regionalregierung entmachtet. Seither hat sie die Kontrolle in Katalonien.

Der ehemalige Chef der katalanischen Regierung, Carles Puigdemont, schickte eine Videobotschaft an die Demonstranten. Er hatte sich noch vor der Anklageerhebung zusammen mit vier weiteren Politikern nach Brüssel abgesetzt. Jedoch droht den fünf die Auslieferung. „Sicherlich werden wir auch in Brüssel oder im Gefängnis Ihren Schrei hören. Vielen Dank.“, erklärte Puigdemont. „Wir dürfen uns von denen nicht ängstigen lassen, die den Artikel 155 durchsetzen, unsere Freiheiten aufheben und unsere Institutionen vernichten und demütigen wollen.“

Allen Politikern drohen wegen des Vorwurfs der Rebellion, des Aufruhrs und der Veruntreuung öffentlicher Gelder langjährige Gefängnisstrafen. Allein auf Rebellion stehen in Spanien bis zu 30 Jahre Haft.

In Katalonien sollen am 21. Dezember Neuwahlen stattfinden. Viele der Politiker, die inhaftiert sind oder sich nach Belgien abgesetzt haben, werden dabei vermutlich als Kandidaten aufgestellt – so etwa Oriol Junqueras, Puigdemonts früherer Vize. Dies gab dessen Partei ERC am Samstag bekannt.

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7 Kommentare

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  • Seit in Groß-Deutschland an der Bildung gespart wird, müssen wir halt öfter selbst nachlesen:

    UN Resolution 2525 (XXV) GA vom 24. Oktober 1970

    „Friendly Relations and Co-operation among States:

    member states’ rights and duties are inferior to the international rights of peoples and minorities.

    The sovereignty of peoples is superior.

    - The principle of equal rights and self-determination of peoples.

    - By virtue of the principle of equal rights and self-determination of peoples enshrined in the Charter of the United Nations, all peoples have the right freely to determine, without external interference, their political status and to pursue their economic, social and cultural development, and every State has the duty to respect this right in accordance with the provisions of the Charter."

    In der Präambel zur EU 2012 steht:

    "SEINE MAJESTÄT DER KÖNIG DER BELGIER, DER PRÄSIDENT DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND, SEINE MAJESTÄT DER KÖNIG VON SPANIEN, ... haben folgendes vereinbart: (Auszüge)

    - SCHÖPFEND aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas, aus dem sich die unverletzlichen und unveräußerlichen Rechte des Menschen sowie Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit als universelle Werte entwickelt haben,

    -IN BESTÄTIGUNG ihres Bekenntnisses zu den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie und der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Rechtsstaatlichkeit,

    -IN DEM WUNSCH, die Solidarität zwischen ihren Völkern unter Achtung ihrer Geschichte, ihrer Kultur und ihrer Traditionen zu stärken,

     

    ENTSCHLOSSEN, eine gemeinsame Unionsbürgerschaft für die Staatsangehörigen ihrer Länder einzuführen,

     

    Ich empfehle den Vertrag von Lissabon von 2010, der gilt, bis wir eine europäische Verfassung haben!

  • 9G
    95823 (Profil gelöscht)

    woher kommt denn der Vorwurf der Veruntreuung? btw, was für Gelder sollen die Katalanen denn angeblich veruntreut haben?

    Rebellion ist gegenstandslos da von den Katalanen keine Gewalt ausging, den Vorwurf muss sich wohl eher die Regierung in Madrid gefallen lassen, ähnliches dürfte für Aufruhr gelten, aber Veruntreuung?

  • "Allein auf Rebellion stehen in Spanien bis zu 30 Jahre Haft." – Heute?! In Europa?!

    • @vjr:

      Was haben Sie gedacht? Meinten Sie, für Rebellion gibt es Streicheleinheiten?

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Nöö – Einfach erschiessen!

  • "Seither hat sie die Kontrolle in Katalonien."

     

    Offensichtlich nicht ganz.

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @warum_denkt_keiner_nach?:

      Doch. Ganz. Kontrolle heisst ja nicht, dass es keine Demonstrationen geben darf. Spanien ist schliesslich ein Rechtsstaat.