Demo in Charlottenburg: Protest gegen rechte Leseratten
Mit einer Kundgebung gegen die „Bibliothek des Konservatismus“ wird an die NS-Widerstandskämpferin Kläre Bloch erinnert.
„Wir wollen keine Nazis in Nadelstreifen.“ Das ist die Antwort eines Demonstrationsteilnehmers auf die Frage, warum er und weitere 30 Teilnehmer an diesem sonnigen Dienstagnachmittag gegenüber der Bibliothek des Konservatismus in Charlottenburg protestieren. Sie halten Schilder und Fahnen hoch mit Aufschriften wie „Kein Raum für rechte Hetze“, singen Lieder.
Die Antifa Westberlin und die Initiative für Demokratie und Toleranz sind die Organisatoren der Kundgebung „Gegen rechte Raumnahme in Charlottenburg in Gedenken an Kläre Bloch“ in der Fasanenstraße. Am 13. Februar wäre Bloch 110 Jahre alt geworden. Die mutige Charlottenburgerin rettete unter Einsatz ihres Lebens das von vielen JüdInnen und KommunistInnen, indem sie ihnen ein Versteck in ihrer Wohnung bot.
„Ihr unerschrockenes Engagement ist uns ein Vorbild im Kampf gegen Faschismus, Rassismus und Antisemitismus“, sagt eine junge Teilnehmerin; sie trägt eine Fahne des Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten. „Wir wollen rechte Tendenzen in der Gesellschaft keinen Raum lassen“, fährt sie fort. Im Hintergrund ertönt Konstantin Weckers „Sage Nein!“.
Bibliothek Treffpunkt der Neuen Rechten
Teil dieses Raums nimmt die Bibliothek des Konservatismus ein. Sie ist einer der wichtigsten Treffpunkte der Neuen Rechten in Berlin. Regelmäßig treten hier Abtreibungsgegner, Islamkritiker, Eurofeinde und AfD-Politiker auf – darunter Alice Weidel, Chefin der AfD-Bundestagsfraktion, die im Oktober im Lesesaal einen Vortrag über den Euro hielt.
Die Bibliothek selbst beschreibt sich auf ihrer Homepage als „Denkfabrik und Ideenschmiede“, als einen „Ort für Wissenschaft und Forschung sowie Raum für Veranstaltungen und Begegnungen“. Ein Besuch zeigt: Der Lesesaal sieht hier nicht anders aus als in anderen Bibliotheken. Doch ein genauer Blick in die Regale klärt auf. Rund 30.000 Titel sind katalogisiert, sie bieten eine breite Palette an Themen von überwiegend rechten Autoren. Werke von Carl Schmitt oder Ernst Jünger, Bücher über Richard Wagner, das deutsche Militär oder auch der „Sonderbestand Lebensrecht“, gefördert von den Abtreibungsgegnern der „Stiftung ja zum Leben“, gehören zum Bestand.
Dabei ist die Bibliothek nicht der einzige Raum in Charlottenburg, den die Neuen Rechten für sich beanspruchen. 2007 galt der Westberliner Bezirk als Zentrum der Pro-Berlin-Bewegung, die durch fremdenfeindliche und islamophobe Positionen auf sich aufmerksam machte. Und auch der Umzug der Redaktionsräume der Jungen Freiheit, dem Hausblatt der AfD, von Potsdam an den Hohenzollerndamm in Wilmersdorf, wird in diesem Zusammenhang als Raumgewinn gewertet. „Dem wollen wir uns entgegenstellen!“, sagt eine junge Teilnehmerin. Ganz im Sinne von Kläre Bloch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind