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Demo für KulturräumeTanzen für den Bunker

Bremens Subkultur hat Probleme, freie Flächen für Partys, Ateliers und Probenräume zu finden. Jetzt reicht es den unabhängigen Veranstaltern und sie gehen auf die Straße.

Neues Zuhause für das Zucker-Kollektiv – wenn die Nachbarn mitspielen Foto: Benjamin Eichler

Bremen taz | Vor dem Hauptbahnhof soll am heutigen Samstag tanzend für mehr Freiräume für Subkultur demonstriert werden. Ein Bündnis aus Kulturveranstalter*innen um das Zucker-Kollektiv hat zu diesem Demo-Rave aufgerufen und prangert die mangelnde Unterstützung von Senat, Unternehmen und Anwohner*innen an.

Ein Anlass für die Tanz-Demo ist der geplante Verkauf des Bunkers in der Waller Hans-Böckler-Straße an das Kulturkollektiv Zucker, der nun trotz anderslautendem Senatsbeschluss wieder auf der Kippe steht. Ein weiterer Anlass ist der Protest von Nachbar*innen gegen das Open-Air-Gelände „Irgendwo“ beim Bremer Flughafen. „Alle Gruppen kämpfen mit den immer gleichen Problemen“, sagt Akifa Taxim vom Zucker-Kollektiv, sie fänden keine dauerhaften Orte für Veranstaltungen. „Die Stadt soll aktiv an Lösungen arbeiten“, sagt Taxim, der Mitgründer des Kulturvereins.

Fünf Jahre lang suchte das Zucker-Kollektiv in Bremen nach passenden Orten für seine Elektro- und Technopartys sowie für dauerhafte Probenräume und Ateliers. Trotz Unterstützung von der rot-grünen Regierung ohne Erfolg – bis der Senat in der vergangenen Woche beschloss, den Waller Bunker an das Kollektiv zu verkaufen.

„Real eröffnen können wir trotzdem noch lange nicht“, sagt Taxim. Denn jetzt beginne erst die Debatte über fehlende Parkplätze. Das ärgert Taxim, da der Verein bereits vor zwei Jahren Lösungsvorschläge mit Architekten erarbeitet hat. Die habe das Bauamt jedoch nicht berücksichtigt. Außerdem steht eine Klage im Raum und damit dem Zucker-Kollektiv im Weg.

Klage könnte Eröffnung weiter verzögern

Die benachbarte Straßenverkehrsgenossenschaft Bremen will klagen: Der Vorstand Martin Otholt sorge sich, sagt er, um die Sicherheit der Autovermietung nebenan sowie um die Nachtruhe der LKW-Fahrer im Indus­triegebiet. Klagen wolle er jedoch dagegen, dass der Senat die Ausschreibungspflicht verletzt habe, sagt Otholt.

Laut Senatsbeschluss und europäischem Vergaberecht müsse der Bunker nämlich an meistbietende Käufer*innen vergeben werden. Der Senat hat diese Pflicht zugunsten der Förderung eines Kulturbetriebs ausgesetzt, weil ein solcher Kulturbetrieb nicht meistbietend kaufen kann, heißt es seitens der Stadt. „Im Bunker soll eine Diskothek entstehen, kein Kulturort“, kritisiert hingegen Otholt, der seine Anwälte bereits aufs Gleis gesetzt hat. „Wir werden den Kauf zu verhindern wissen.“

Das Wirtschaftsressort bereitet den Verkauf des Bunkers an das Zucker-Kollektiv trotzdem weiter vor, heißt es aus der Behörde. Wann der Bunker tatsächlich an das Kollektiv verkauft wird, kann derzeit aber keiner sagen. „Politisch ist das Thema ausgereizt“, sagt Kai Wargalla von den Grünen. „Die Verwaltung muss jetzt endlich handeln.“ Doch genau an der hapere es. Es fehlten klare Zuständigkeiten und schnelle Umsetzungen.

Behörden suchen lieber Investoren

Immer wieder komme es zu Verzögerungen. „Da fühlt man sich machtlos als Politikerin“, sagt Wargalla. Eine Ursache für das langsame Handeln der Behörden sieht sie in der Weigerung des Unternehmens für die Wirtschaftsförderung in Bremen, Flächen an den Verein zu vermieten. Die Wirtschaftsförderung suche lieber private Investor*innen für die Grundstücke, sagt Wargalla.

Allein für das Zucker-Kollektiv wurden laut Wirtschaftsressorts in den vergangenen fünf Jahren mehr als 40 Orte geprüft. Der Waller Bunker sei die letzte Option. Dort will das Kollektiv Ateliers und Veranstaltungsräume einrichten. Das Geld für den Kauf haben sie mit einer Crowdfunding-Kampagne gesammelt. Auf der Demonstration am Samstag fordern sie Unterstützung von der Stadt. Für eine reibungslose Zukunft suchen sie außerdem den Dialog mit Anwohner*innen und Unternehmen.

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6 Kommentare

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  • Der Artikel „Tanzen für den Bunker“ vermeldet eine „Tanz-Demo“, die wohl inzwischen stattfand. Was wurde denn da wohl getanzt? Bühnentanz? Latein? Standard? Stand Roberto Albanese am Wegesrand, um nach Elevinnen für seine Formationen zu schauen? Ich hörte nichts davon. Wie auch?! Es geht ja nicht um Tanz, sondern um „passende Orte für (...) Elektro- und Technopartys sowie für dauerhafte Probenräume und Ateliers.“ Nun gut, aber was, bitteschön, soll denn in den Räumen geprobt werden? Was soll in den Ateliers geschaffen werden? Könnten wir das einmal erfahren und davon einmal eine Probe sehen? Ich war seinerzeit am 8. Februar 2017 im Beirat Walle dabei, als Vertreter von Zuckerwerk e.V. ihr Projekt vorstellten. Das Protokoll der Sitzung vermeldet dazu:

    „Die Vertreter von Zuckerwerk e.V. stellen sich und die Aktivitäten des gemeinnützigen Vereins, ein Konstrukt der Jugendszene in Bremen, vor. Sie kommen aus der Techno-Szene und haben über Jahre hinweg ein immer größeres Netzwerk aufgebaut. Sie setzen sich ein gegen Sexismus, Diskriminierung und Rassismus.“

    Netzwerk und Gesinnung. Von Kultur keine Spur.

    Ich war auch im Sommer im Lankenauer Höft und habe mich eifrig umgeschaut. Da erlebte ich modische Polit-Sprüche an den Fensterscheiben, Kaffeetrinken, schnacken und sich sonnen.

    Die Homepage http://zucker-club.de/veranstaltungen/ gibt auch nichts Konkretes her.

    Martin Otholt von der Straßenverkehrsgenossenschaft Bremen wird im Artikel zitiert mit dem Satz: „Im Bunker soll eine Diskothek entstehen, kein Kulturort“. Hat er Recht, dann geschieht hier aus alter Kameraderie vielleicht etwas Ungesetzliches, auf jeden Fall etwas, das mit „Kultur“ kaum etwas zu tun hat. Und da ist jede Art von Bohème schon mitbedacht. Vielleicht einigen wir uns auf „Lebensart“ vom Typ „Noch mehr Zucker für verwöhnte Jugendliche“, die Rechte für sich und ihre Lebensart und gar einen Bunker einfordern, aber selber wenig einbringen.

    Da bin ich gegen. Ich bin gegen Verwöhnen.

    Martin Korol, Bremen

    • @Martin Korol:

      Wenn Sie die Aktivitäten des Zucker e.V. wirklich verfolgt hätten, hätten Sie sich den Brief wirklich sparen können.

       

      Allein das Projekt Neuland war ein Feuerwerk an Kultur und Kunstvielfalt, wie Sie es wahrscheinlich kaum jemals in Bremen erlebt haben.

       

      Und was das Verwöhnen angeht, da machen Sie sich keine Sorgen:

       

      Die Leute vom Zucker setzen sich tatkräftig für ihre Belange ein und erarbeiten sich ihr Standing in der Stadt schon seit über 10 Jahren konstant und hartnäckig.

       

      Ich glaube kaum, dass Sie sich als junger Mensch dermaßen engagiert für die Gesellschaft und Kultur eingesetzt haben. Sollte ich mich irren, ich lasse mich gerne eines Besseren belehren.

      • @Thomas Elias:

        Was kann einem alten Mann Schöneres widerfahren, als dass ihn ein Jüngerer auffordert, von seiner Jugendzeit zu erzählen?! Gerne. Also, um es kurz zu machen, hier als Stichworte: Jungschar, Pfadfinder, Messdiener, Levit, Klassensprecher. Kinderchor und Statist im Theater am Goetheplatz 1958-1965. Jugendvertreter im BRC Hansa 1961. Mitorganisation der Bremer NATO-Tage 1962 mit Gr. Zapfenstreich und Brückenschlag über die Weser. Stellvertretender Schulsprecher. Redakteur der Schulzeitung. Ein Dutzend Jugendpressekonferenzen im Jugendfunk von Radio Bremen, geleitet von Diethart Schumann, 1964-1965, u. a. Interviews mit Hans Koschnick, Kurt Hübner und Marcel Reich-Ranicki. Vorstandsmitglied in der Bremer Jugendpresse, Mitorganisation des Jugendpresseballs im Parkhotel 1965 (Gast: Wolfgang Neuss). Organisation eines 10-tägigen Fleischerstreiks in Findorff im Dezember 1965 gegen die hohen Fleischpreise.

        So in etwa?

        MK

        • @Martin Korol:

          Ok, ich verstehe.

           

          Wenn man als Jugendlicher schon direkt aus den Fußstapfen des Großvaters startet, erschöpft sich der Kulturbegriff im Fahneschwenken zum Radetzky-Marsch.

           

          Vielleicht sollten Sie realisieren, dass Kunst und Kultur nicht nur Ihrem Verständnis folgen müssen.

          • @Thomas Elias:

            Ich hatte zwei Großväter. Beide ganz verschieden. Welchen von beiden meinen Sie?

      • @Thomas Elias:

        wenn man sich herrn korols sinstige aeusserungen zu gemuete fuehrt und seine politische heimat (buerger in wut) betrachtet, ist schon klar, dass sich sein kulturverstaendnis von dem des zuckerwerks deutlich unterscheidet. und mehr muss man dann auch nicht wissen, um seine zahlreichen kommentare in der bremer medienlandschaft einzuordnen.