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Delfinsterben im Golf von MexikoÖl zerstört geduldig

Die Auswirkungen der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko aus dem Jahr 2010 sind gravierender als angenommen. Im vergangenen Jahr starben 362 Delfine.

Das 2010 ins Meer gelaufene Öl aus der Plattform Deepwater Horizon entfaltet seine Wirkung auch unter der Wasseroberfläche. Bild: dpa

Zwei Jahre nach der Explosion der Ölbohrplattform „Deepwater Horizon“ hält das Delfinsterben in der Küstenregion an. Das belegen zwei US-amerikanische Studien. Die amerikanische Umwelt- und Wetterbehörde NOAA berichtet, dass allein seit Jahresbeginn 84 tote Wale und Delfine in den Küstengewässern von Florida bis Louisiana registriert wurden.

Zum Vergleich: Vor der Ölkatastrophe im April 2010 wurden in einem ganzen Jahr lediglich 74 tote Tiere gezählt. Im vergangenen Jahr starben 362 Delfine und Wale, noch im Katastrophenjahr 2010 seien es 100 weniger gewesen. Die erhöhte Sterberate der Meeressäuger deutet möglicherweise auf ein gestörtes Ökosystem hin: „Delfine sind die Spitze der Nahrungskette: Substanzen, die das Ökosystem belasten, sammeln sich bei ihnen an“, erklärt Volker Holmes, Artenschutzexperte des WWF.

Auch Korallenkolonien im nördlichen Golf von Mexiko sind durch die Ölkatastrophe beschädigt. Dies belegt eine Studie des Haverford College im US-Staat Pennsylvania. Die Forscher gingen mit einem Tauchroboter auf Expedition. Dabei zeigte sich, dass Korallen auch in tiefen Gewässern zum Teil von einer Schicht aus ölhaltigem Material überzogen waren.

Korallenkolonien beschädigt

Mit hoher Wahrscheinlichkeit stamme das Öl aus der „Deepwater Horizon“-Bohrung, berichtete das Team um die Geochemikerin Helen White. Die Korallen leben einen Kilometer in der Tiefe. Es sei ungewöhnlich, dass sich auch in tiefen Gewässern so viel Öl ablagere, sagt Sebastian Ferse, Meeresbiologe am Zentrum für Marine Tropenökologie in Bremen. Das Problem: „Korallen sind die Kinderstube für viele Fische. Dort finden sie Nahrung und Schutz.

Wenn die Korallen absterben, dann ist die Vielfalt des Meeres betroffen, ganze Arten könnten aussterben.“ Eine weitere Schwierigkeit: Korallen in der Tiefe wachsen sehr langsam, rund einen Millimeter pro Jahr. „Dementsprechend erholen sich die Korallen auch sehr langsam“, so Ferse. Zudem hatte der Öl-Konzern BP nach der Katastrophe das giftige Lösungsmittel Corexit im Meer verwendet, um das Öl einfacher zu zersetzen.

Auswirkungen unklar

Es sei unklar, welche genauen Auswirkungen die Verbindungen von Öl und Lösungsmittel auf die Umwelt habe, so Ferse. „Wie lange das Meer braucht, um sich zu erholen, darüber kann man nur mutmaßen“, sagt der Meeresbiologe. Fest stehe, dass die Ölkatastrophe starke, langfristige Folgen auf das Ökosystem haben werde.

Nach der Explosion der „Deepwater Horizon“ waren im April 2010 fast 800 Millionen Liter Rohöl ins Meer geflossen. US-Präsident Barack Obama sprach von der größten Umweltkatastrophe der USA. Später hatte es geheißen, die Folgen für Flora und Fauna seien geringer ausgefallen als befürchtet. (mit dpa)

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5 Kommentare

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  • P
    Peder

    @Hansss: dümmer gehts nimmer, gell?

  • N
    nichtHänschen

    @ Hansss:

    Sie haben den Artikel nicht verstanden. Die toten Delfine sind nicht nur an sich eine Tragödie. Sie sind ein Indikator, das ein gesamtes Ökosystem von der Größe des Golf von Mexico in Schieflage geraten ist. Das lässt sich von einigen durch Windkraftanlagen getöteten Vögeln nicht behaupten. Zu den Fischen, die angeblich durch Biogasanlagen sterben, habe ich keine information. Vielleicht möchten Sie mich erhellen.

  • AO
    auch ohne Unfall

    Der Hinweis der Betreiber, es sei doch nicht ganz so katastrophal gekommen, wie befürchtet, ist ohnedies zynisch. Tatsache ist und bleibt, daß Tiefenbohrungen im Haveriefall technisch nicht wirklich beherrschbar sind. Diese Technologie ist ein Ritt auf dem Tiger zur Sicherstellung eines Mobilitätskonzeptes (Auto. Töff-töff.), welches seit hundert Jahren in die Sackgasse des Flächenfraßes und der Klimakatastrophe rast. Auch schon ohne Unfall auf hoher See.

    Aber zum Glück war es ja nicht ganz so schlimm, wie befürchtet...

    Man darf gar nicht erst Delphinkadaver zählen um daran vermeintlich die Schwere dieser einen Katastrophe abzulesen. Man muß das Übel immer noch an der Wurzel falsch verstandenen industriellen Wohlstandes fassen.

  • H
    Hansss

    Was ist eigentlich mit den Vögeln die durch die Windkraftanlagen geschreddert werden?

     

    Was ist mit den Fischen, die durch Biogasanlagen vergiftet werden?

     

    Sind das nun gute "Kadaver" und die Delphine schlechte "Kadaver"?

  • T
    TheOrbitter

    "Im vergangenen Jahr starben 362 Delfine."

     

    362 Delphine von denen man weiß. Weil man ihre Kadaver gefunden hat. Der Golf von Mexiko ist riesig, und wer weiß, wieviele Tiere darin noch am Öl verreckt sind, deren Kadaver aber nicht gefunden wurden.