Deftige Abreibung für die Roten: Bröckelndes Kollektiv
Hannover 96 verliert gegen Borussia Mönchengladbach zu Hause 0:3. Das ärgerte die Fans und 96-Trainer Tayfun Korkut, der deutliche Worte fand.
HANNOVER taz | Im Grunde war das ziemlich unverschämt. Nach drei Heimsiegen in Folge beim ersten Patzer gleich laut und wütend zu pfeifen. Die Anhänger von Hannover 96 wussten während des Heimspiels gegen Borussia Mönchengladbach offenbar nicht wohin mit ihrem Frust.
Ihre eigentlichen Lieblinge waren beim 0:3 (0:1) gegen Borussia Mönchengladbach chancenlos. Sie hatten sich Fehlpässe in Serie geleistet und zeitweise wie ein potenzieller Abstiegskandidat der Fußball-Bundesliga agiert. „Das war heute einfach nicht gut genug“, gestand Hannovers Cheftrainer Tayfun Korkut. Und die Pfiffe? „Dass Frust und Emotionen hochkommen, ist normal. Wir müssen damit leben, wenn die Fans nicht zufrieden sind.“
Mit dem nötigen Abstand zu einer deftigen Abreibung im eigenen Stadion lässt sich zunächst festhalten: Es war die erste Heimniederlage der Saison, kassiert gegen ein aktuelles Spitzenteam. Und Hannover 96 ist von den Abstiegsrängen immer noch weit entfernt. Aber das Stimmungstief rund um Korkut ist nicht zu übersehen und war am 8. Spieltag eben auch nicht zu überhören.
Neben den drei Gegentoren durch Max Kruse (14./90. Minute) und Granit Xhaka (49.) sowie den Fehlpässen in Serie wurde auch offenkundig, dass es teamintern Gesprächsbedarf gibt. Der eigentliche Torjäger Joselu etwa hatte sich mit sichtbar schlechter Laune beklagt, dass bei ihm kein sinnvolles Zuspiel gelandet ist.
Mitte der 1. Halbzeit bereits ließ er ein ungenaues Zuspiel seines indisponierten Kollegen Hiroshi Kiyotake an sich vorbeitrudeln. Seine Körpersprache signalisierte dabei: Für solch einen Mist renne ich doch nicht. Sein Bemühen, den Fehler eines Kollegen zu korrigieren, fand einfach nicht statt. „Joselu muss auch um die Bälle kämpfen“, sagte Hannovers Sportdirektor Dirk Dufner.
Er deutete vorsichtig an, dass ihm die schlechten und zuweilen egoistischen Momente an diesem missglückten Bundesliga-Nachmittag nicht entgangen waren.
Das strebsame Miteinander, auf das 96-Trainer Korkut so großen Wert legt, gerät Stück für Stück in Gefahr. Ein gemeinsames Aufbäumen ließ die Mannschaft um Kapitän Christian Schulz nicht erkennen. Aber auch die taktischen Vorgaben des Trainers werfen allmählich Fragen auf.
Bei den jüngsten Auswärtsniederlagen in Stuttgart und München war seine harmlos herumirrende Mannschaft nur dadurch aufgefallen, dass sie sich einer beängstigenden Passivität hingegeben hatte. Im Heimspiel gegen die starken Gladbacher wiederum war kein echter Wille zu spüren, keine taktische Variante in Sicht und keinerlei Torgefahr erzeugt worden.
Wie Korkut auf die Idee kommen konnte, erst sechs Minuten vor Spielende seinen Edelreservisten Jan Schlaudraff einzuwechseln, wird sein Geheimnis bleiben. Der frühere Nationalspieler gilt mittlerweile nur noch als Notnagel für Momente, in denen ein Schuss Kreativität und Genialität kollektive Harmlosigkeit übertünchen können.
Aber solch ein Wechsel muss eben auch dann stattfinden, wenn noch ein Hauch von Hoffnung besteht – und nicht erst dann, wenn der letzte Glaube gewichen und der Kredit beim Publikum verspielt ist.
Die Ordnung verloren, wild gespielt, zu viel Unruhe offenbart: Für seine Verhältnisse wählte Korkut in der Aufarbeitung der Heimpleite vor 49.000 Zuschauern ungewöhnlich negativ behaftete Ausdrücke. Der 40-Jährige hat bei Hannover 96 die Nachfolge des entlassenen Mirko Slomka angetreten, um einen Umbruch voranzutreiben, die Leistungen des Teams zu stabilisieren und eine Weiterentwicklung anzustreben.
Seine zurückhaltende Art und seine Vorstellung von kontrolliertem Fußball sorgen allerdings dafür, dass Hannover 96 immer seltener spektakulär auftrumpft. Es war offenbar nicht die erste Heimniederlage, sondern die Art und Weise ihrer Entstehung, die das Publikum in Rage brachte. Die Ansprüche in Hannover sind mittlerweile erstaunlich hoch. Entsprechend groß ist das Risiko für Korkut, tief zu fallen.
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