Debütalbum von Die Arbeit: Orientierung gesucht

Grober Klotz: „Material“, das Debütalbum der jungen Dresdner Post-Punk-Noiseniks Die Arbeit, besticht durch Stilwillen und Textdetails.

Die Vier Musiker der band Die Arbeit. Drei der jungen Männer stehen. Der vierte sitzt im Vordergrund. Sie sind eng beeinander und legen sich teilweise die Hände auf die Schultern.

Vier gewinnt: Die Arbeit aus Dresden Foto: Tine Jurtz

Wer in der Arbeit sein Glück sucht, der kann sie laut Marx nur da finden, wo die Arbeit schöpferischer Natur ist und dem Menschen zur Selbstverwirklichung dient. Nicht dort, wo sie als Lohnarbeit Teil der kapitalistischen Ordnung ist.

Die Selbstverwirklichung der Dresdner Band Die Arbeit auf ihrem Debütalbum „Material“ macht allen LohnarbeiterInnen gerade auch wegen der Post-Punk-bedingten Schwermütigkeit Spaß, die ja stets auch Hoffnung bereithält. Hoffnung in, aber auch zwischen den Zeilen.

Die Band Die Arbeit geht sehr kreativ mit der künstlerischen Freiheit um, erst diese lässt ihr Album „Material“ eigenständig klingen. Das schafft nicht nur Platz für Interpretationen, sondern besonders auch für Ästhetik. „Es bleibt nur auf der Strecke, was du sowieso nicht brauchst“, bilanziert Sänger, Texter und Gitarrist Maik Wieden etwa in dem Song „Im Büro“.

Künstlerischer Freiraum

„Dieser Freiraum ist für mich das Interessanteste an einem Stück“, erklärt Wieden und lotet ihn aus mit den anderen Bandmitgliedern Uwe Hauptvogel, Benjamin Rottluff und Marius Jurtz beziehungsweise deren Instrumenten. Zwischen „Neue Arbeit für die Arbeit (Gott Generator)“ des Eröffnungsstücks und der mantrahaft wiederholten Absage an die Prinzipien unserer Gesellschaft „Nie wieder Leistung (Lonely Dance)“, liegen zehn Songs. Der Sound von Die Arbeit mutet an wie desillusionierte Rockmusik, ihr aufgetragenes Schwarz klingt dann eher wohlig.

Der Song „Nie wieder scheitern“ erweist den Stuttgarter Noisepunks Die Nerven eine Referenz, und das ist kein Zufall. Das schwäbische Trio um Kevin Kuhn, aber auch die Band Messer muss man bemühen, wenn man kategorisieren will, was es bei Die Arbeit zu hören gibt.

Schließlich stiftet der Bandnamen Orientierung, genau wie es die Arbeit an sich für die Menschen tut. Der Mensch verlangt nach Orientierung. Die Dresdner Band hat sich viel Zeit genommen, um ebenjenen Raum zwischen den Tönen zu definieren. „Wir müssen uns verwandeln, wir haben keine Wahl / Um den Wandel einzuleiten, wandel ich mich radikal“, lässt Wieden uns wissen. Und man merkt, dass die Ausdefinition des Raumes keineswegs abgeschlossen ist.

Fortschreitende Entfremdung

„Die Stille ist zu laut / Der Lärm ist zu leise“, wussten schon Die Nerven. Wieden bellt mal Textfragmente, mal schreit er Parolen, dann singt er Zeilen wie „Es bleibt die Konstruktion, auf der wir friedlich ruhn“. Die von Marx diagnostizierte fortschreitende Entfremdung eines jeden gesellschaftlichen Subjekts durch die Lohnarbeit, schimmert durchaus auch auf Material“ als Kritikpunkt hervor, mündet jedoch nicht in ein dystopisches Szenario. Auch die rhythmische Monotonie, in die der Vortrag gebetet ist, ändert daran nichts.

Die Arbeit: „Material“ (Undressed Records/Edel)

Eine Tour ist für Oktober/November in Planung.

15.10. Frankfurt/Main „The Cave“, 16.10. Schorndorf „Club Manufaktur“, 17.10. Chemnitz „Aaltra“, 3.11. -Hannover „Glocksee“, 4.11. Hildesheim „VEB,“ 5.11. Leipzig „Ilses Erika“, 6.11. Berlin „Kantine am Berghain“, 7.11. Hamburg „Hafenklang“

Wer das Konzept der Arbeit verstehen will, muss es in Gänze betrachten. Das gilt für die Tätigkeit im betriebswirtschaftlichen Sinne ebenso wie für die Band. Bei den Dresdnern muss man also auch ihr visuelles Erscheinungsbild mit einbeziehen. Ihr Album Cover zeigt einen Ziegelstein, der sowohl für schweißtreibende Arbeit als auch für Proteste gegen ebenjene stehen kann – die entfremdete Arbeit, versteht sich. Die Arbeit hingegen darf ganz im Sinne der Marx’schen Selbstverwirklichung weitermachen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.