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DebattenbeitragVergesst Landowsky!

Die Finanzmarktkrise zeigt: Politik und Wirtschaft haben nichts aus dem Berliner Bankenskandal gelernt.

Klaus Landowsky mit seinem Anwalt Cord Henrich Heinichen vor Gericht Bild: dpa

Die Autoren

Peter Grottian lehrt weiterhin Politikwissenschaft an der Freien Universität und ist treibendes Mitglied der Initiative Berliner Bankenskandal, der auch Benedict Ugarte Chacón angehört.

Ja, Klaus-Rüdiger Landowsky ist einer der Verantwortlichen für den Berliner Bankenskandal. Ja, er ist ein verurteilter Straftäter. Ja, Landowsky hat als Bankdirektor Parteispenden von CDU-Freunden angenommen, die gleichzeitig Kreditkunden seiner Bank, der Berlin Hyp, waren und diese in einem System aus schwarzen Kassen versickern lassen. Ja, er war ein begnadeter Machtmissbraucher. Ja, Landowsky hat sich nicht nur mit seiner "Ratten-Rede", in der er Menschen mit Ratten verglich, als Menschenverächter erwiesen, der in jedem halbwegs aufgeklärten Menschen Abneigung hervorrufen muss. Ja, Landowsky war der politische Arm der Wilmersdorfer Witwen und ist damit ein miefiges Relikt längst vergangener Westberliner Urzeiten. Und ja, es ist verständlich, dass viele es als Genugtuung ansehen, wenn er erneut vor Gericht steht und ihm nun sogar eine mehrjährige Haftstrafe droht.

Doch nein, Landowsky ist nicht der große Pate, der als menschliche Verkörperung des Bankenskandals gelten könnte. So wichtig sollte man ihn nicht nehmen. Denn er war nur ein Antriebsrad im Getriebe eines riesigen Bankenkonzerns und konnte es eben nicht lassen, den größenwahnsinnigen Politbanker zu geben. Dies kostete ihn während der Bankenkrise 2001 alle Ämter in Bank und Politik.

Damit ging ein absoluter Reputationsverlust des einstigen selbst ernannten Kleine-Leute-Politikers einher. Der mitregierenden SPD kam das gerade recht, hatte sie doch in Landowsky den perfekten Schurken gefunden und gleichzeitig das Glück, keinen großen Schurken in ihren Reihen zu haben. Dafür tummelten sich bei der SPD einige kleine Landowskys: ob Dietmar Staffelt (Exfraktionschef), Annette Fugmann-Heesing (Exfinanzsenatorin) oder Norbert Meisner (Exwirtschaftssenator) - alle SPD, alle mitverantwortlich, alle ungeschoren davongekommen und teilweise noch heute in Amt und Würden.

Landowsky war Vorstandsvorsitzender der Berlin Hyp als Teilbank der Bankgesellschaft und zuständig für die Steuerung des gesamten Immobilienbereichs des Konzerns. Seit 1996 war er Mitglied im Aufsichtsrat der Immobilien- und Baumanagement der Bankgesellschaft Berlin (IBG). Bei dieser Gesellschaft handelte es sich um einen Konzern unter dem Dach der Bankgesellschaft. Hier wurden die berüchtigten Garantiefonds aufgelegt. Den Fondszeichnern wurden die vollen Mieteinnahmen garantiert, und zudem konnten sie ihre Anteile nach Ablauf von 25 Jahren zu 100 Prozent des Nominalwerts zurückgeben, nach 30 Jahren sogar zu 115 Prozent.

Gut für die Zeichner, schlecht für die Bank. Denn in die Immobilienfonds wurden zu einem großen Teil Schrottimmobilien eingebracht, die nur Mietmindereinnahmen erbrachten. Das bedeutet, die IBG musste aus eigener Tasche für die garantierten Zahlungen aufkommen, und somit häuften sich bei ihr Risiken in Milliardenhöhe. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass es sich bei dem angeblich erfolgreichen Fondsgeschäft der IBG um ein Schneeballgeschäft handelte, in dem immer neue und größere Immobilienfonds aufgelegt wurden, um mit den kurzfristigen Einnahmen aus den neuen Fonds die Garantien der zuvor aufgelegten Fonds zu bezahlen.

Dieses Geschäft war ein Hauptgrund für die Schieflage der Bankgesellschaft. Der allseits von Politik und Vorständen gelobte Konstrukteur dieses Schneeballgeschäfts war der zusammen mit Landowsky angeklagte Manfred Schoeps. Und um so ein Geschäft über Jahre zu betreiben, brauchte es mehr als einen Landowsky. Da waren Projektentwickler am Werk, die nicht in der Lage waren, angekaufte Objekte sachgerecht zu bewerten. Da gab es Konzernausschüsse, die die Ankäufe durchwinkten, und Aufsichtsräte, die trotz einzelner warnender Stimmen am eingeschlagenen Weg festhielten. Da gab es Wirtschaftsprüfer, die jahrelang nichts beanstandeten und jeden Abschluss von IBG und Bankgesellschaft positiv testierten. Und da gab es eine staatliche Bankenaufsicht, die schon Ende der 90er-Jahre über gefährliche Risiken informiert war, aber erst mit aufgeblasenen Backen einschritt, als die Bankgesellschaft 2001 schon am Boden lag.

Versagen der Prüfer

Spätestens hier sind wir an einem Punkt angelangt, der vor dem Hintergrund der aktuellen Finanzmarktkrise von höchster Brisanz ist. Denn das am Montag begonnene Gerichtsverfahren konzentriert sich notwendigerweise auf die Vorstände der Bankgesellschaft. Doch es bleibt die Frage offen, wie mit dem offensichtlichen Versagen der Wirtschaftsprüfer und der staatlichen Bankenaufsicht umzugehen ist.

Denn diese Akteure spielen auch bei der heutigen Krise eine tragende Rolle. Die Wirtschaftsprüfer hatten bei der SachsenLB kurz vor ihrem Zusammenbruch nichts zu beanstanden. Im August 2008 bestätigten die Wirtschaftsprüfer der Hypo Real Estate eine solide Geschäftsführung, im September war die Bank pleite. Die Mittelstandsbank IKB kollabierte im Sommer 2007, den Wirtschaftsprüfern war zuvor nichts Verdächtiges aufgefallen. Wo bleiben die Gerichtsprozesse gegen diese Versager? Und warum wird die Arbeitsweise einer staatlichen Bankenaufsicht nicht offensiv infrage gestellt, die sich in ihrem Alltagsgeschäft und in ihren viel zu seltenen "Sonderprüfungen" auf die Aussagen von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften verlässt?

Offensichtlich haben sich die Verantwortlichen seit dem Berliner Bankenskandal, der einst als die größte Bankenpleite der Republik galt, einem Lernprozess konsequent verweigert. Ob nun riskante Immobilienfonds oder hochspekulative Wertpapiergeschäfte, das System lief weiter wie geschmiert.

Wer war verantwortlich?

Der Prozess gegen Landowsky und Co. kann also vielleicht die Frage beantworten, ob es überhaupt juristisch verfolgbar ist, mit stark risikobehafteten Finanzprodukten zu arbeiten. Doch die systemische Frage nach einer Verantwortung der Kontrolleure und Aufseher bleibt unbeantwortet - und soll es wohl auch bleiben. Hier eine wirkliche Veränderung vorzunehmen würde eine wirkliche Reform der Finanzmärkte darstellen. Doch das wollen die Herrschenden mit all ihren Bankenrettungspaketen verhindern, koste es, was es wolle.

Wenn die Zivilgesellschaft - darunter hoffentlich irgendwann einmal Attac - nicht selbst ein Protestpotenzial entwickelt, wie es die Bankenbesetzungen während des Bildungsstreiks in den vergangenen Tagen andeuteten, wird sich am eingeschlagenen Weg nichts ändern und dasselbe Rad mit neuen Zierbeschlägen weitergedreht.

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2 Kommentare

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  • SE
    Sonja Erger

    Endlich nennt jemand auch einmal die dahinter stehenden verantwortlichen Politiker, die nicht zur Rechenschaft gezogen worden sind - nein, man lässt die Möglichkeit einer Anklage dort verjähren, sang und klanglos, und die meisten sitzen jetzt gemütlich in ihren Ämtern und zeigen auf die Schurken, die Banker! Haben Sie nicht auch alles abgezeichnet? Die aktuelle Bankenkrise wird ausgedehnt, jeder Banker ist verantwortlich für die Gier nach schnellem Geld, die überall vorherrscht - aber bloß ohne Riskio! Die Berichterstattung sollte den angeklagten Bankern die Möglichkeit geben, sich auch zu äußern; das Augenmerk der Journalisten - das ist ihre Pflicht! - sollte auch einen Blick diesbezüglich auf die Politiker

    werfen, die damals mitverantwortlich waren!

    Und wenn alle Institutionen alles immer abgesegnet haben, kann man dann ein paar wenige verurteilen?

    Juristisch ist der Fall sowieso schwierig - einseitige Gerechtigkeit, während andere so einfach davonkommen, das sollte es nicht sein.

  • T
    ThRudek

    Warum mit sarkastischem Unterton auf attac verweisen, statt dass die Vertreter und Sprecher der Initiative Berliner Bankenskandal, einer zivilgesellschaftlichen Bürgerinitiative, selbstkritisch mit sich ins Gericht gehen. Das Volksbegehren zum Risikoabschirmungsgesetz war vorsätzlich als Flopp organisiert und musste scheitern am Budgetrecht des Parlaments. Das war absehbar. Und das zweite Volksbegehren für ein Berliner Sparkassengesetz, welches das Recht auf ein gebührenfreies Girokonto für arme Menschen und die Beschränkung der Geschäftstätigkit auf die Region vorsah (das Regionalprinzip als Geschäftsmodell), wurde auf Betreiben der beiden Autoren vorzeitig und ohne Absprache mit allen Vertrauenspersonen des Volksbegehrens für beendet erklärt. Dabei wäre dieser Gesetzentwurf die richtige Antwort auf die Finanzkrise gewesen. Doch dafür fehlte den Verfassern offensichtlich die Weitsicht.