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DebatteImmer auf der Seite der Bürgerrechte

■ Eine Antwort auf Robert Bückings Betrachtung der Chaostage

Dein Versuch, lieber Robert, die „Chaostage Bremen“ differenziert zu betrachten, ehrt Dich. Doch viele „zwars“ und ganz am Schluß ein „aber“, das alles vorher Gesagte durch seine Eindimensionalität an die Wand drückt (Zitat: „aber ....sollte man die abgewiesenen Touristen munter zur Sielwallkreuzung marschieren lassen, um abzuwarten, was passiert? Das kann doch im Ernst niemand vorschlagen.“), verrät Deine eigentliche Position in dieser Angelegenheit.

Nicht nur, daß Deine eigenen Versuche der Deeskalation auf der silvesterlichen Sielwallkreuzung in einem eigenartig neuen Licht erscheinen, befürchte ich, daß die Grundsätzlichkeit der Angelegenheit nicht deutlich geworden ist.

Daß Leute, die ohne feste Anlaufadresse (z. B. Besuch) eigens zu den Chaostagen nach Bremen gereist sind, nach Prüfung und Befragung postwendend in den nächsten Zug nach Hause gesetzt werden, halte ich angesichts der Situation für vertretbar; selbstverständlich ebenso wie die Festnahme von Randalierern und Straftätern. Kritik gibt es an drei Punkten: 1. Die willkürliche Festnahme von Menschen auf öffentlichen Straßen und Plätzen im Verlauf des gesamten Samstages ohne jeden personenbezogenen strafrechtlichen oder ordnungsrechtlichen Grund, einzig und allein auf Grund ihres Aussehens, Alters und/oder ihres unangepaßten Verhaltens 2. Deren Verwahrung bis zu 20 Stunden (Einzelheiten sind bekannt) ohne die rechtlich vorgeschriebene Vorführung vor den Richter 3. Die Position und Sprache des zuständigen Innensenators, der bar jeder rechtlichen Grundlage diese gesamte Personengruppe pauschal als Straftäter diffamiert und vorabverurteilt.

Wenn man sich nämlich vergegenwärtigt, daß die Anwendung des – den Maßnahmen zugrunde liegenden – Polizeigesetzes bereits die rechtsstaatliche Ausnahmesituation darstellt, jedoch selbst dieses nach dem Motto „der Zweck heiligt die Mittel“ gebrochen worden ist, gilt es ohne jedes verständnissinnige Augenzwinkern klar Position zu beziehen! So hart es möglicherweise auch klingen mag, so hart möchte ich auch meiner Meinung Ausdruck verleihen: Das schützenswerte Gut „Rechtsstaatlichkeit“ ist höherwertiger als einige kaputte Fensterscheiben, die man, um Kaufleute nicht unnötig zu belasten, aus einem Fonds (Stadtreparaturfonds?) würde ersetzen können; wobei die Frage offenbleiben muß, ob es überhaupt dazu gekommen wäre, selbst wenn die „Streitmacht“ der 321 in Gewahrsam befindlichen Personen am Sielwall anwesend gewesen wäre.

In diesem Land gibt es bei sogenannten Gefahrenlagen eine lange traditionsreiche Diskussion (z.B. Personenrasterfahndung, Großer Lauschangriff) hinsichtlich der Frage der Einschränkung von Bürgerrechten – die Position von Bündnis 90/Die Grünen war und wird immer auf der Seite der Bürgerrechte sein! Hucky Heck, Grüner Landesvorstandsprecher

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