Debatte um vermeintliche „Autohasser“: Erfolgversprechende Propaganda
Die Grüne Julia Willie Hamburg will in den VW-Aufsichtsrat. Das wollen Aktionäre verhindern. Die Argumente sind abwegig, aber erfolgversprechend.
E in neuer rechter Propagandabegriff wird immer populärer: „Autohasser“ seien in diesem Land unterwegs – meistens in Form von Aktivist:innen, die sich auf Straßen festkleben oder die nachts die Reifen fetter SUVs zerstechen. Nun ist das nach Ansicht von Bild & Co auch Niedersachsens stellvertretende Ministerpräsidentin, die – geht’s noch schlimmer? – künftig über Volkswagen wachen soll. Das schreckt sogar Kleinaktionärsvertreter auf, die umgehend eine Klage gegen die Ernennung androhen.
Julia Willie Hamburg (Grüne) drängte in ihrer neuen Position darauf, neben Stephan Weil (SPD) den zweiten Aufsichtsratsposten des Landes beim Wolfsburger Autokonzern zu erhalten. Daraufhin startete erst die Bild eine Kampagne, nun kündigte der Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Ulrich Hocker, an, eine Klage dagegen zu prüfen. Sie sei eine „offensichtliche Fehlbesetzung“.
Das Argument gegen Hamburg liegt schließlich auf der Hand: Sie fährt Fahrrad! Ausschließlich! Und hat nicht mal ein eigenes Auto! Wie soll sie da der Aufsicht ausgerechnet über einen Autokonzern nachgehen können?
Das Argument wirkt abstrus – auch Stephan Weil erledigt Termine in Hannover eigenen Angaben zufolge gern mit dem Fahrrad und von einer abgeschlossenen KFZ-Lehre steht in seinem Lebenslauf nichts. Doch juristisch könnte das sogar zum Erfolg führen.
Atomkraftgegner bei Hamburgischen Elektrizitätswerken
Anfang der 1990er musste der schleswig-holsteinische Energieminister Günther Jansen (SPD) seinen Aufsichtsratsposten nach einer Klage der DSW bei dem damaligen Energiekonzern HEW räumen. Die HEW produzierte einen großen Teil des Stroms aus Atomenergie. Jansen wiederum gab sich schon damals als erklärter AKW-Gegner.
Doch trotz allen Protests: VW könnte die neue Perspektive gut tun.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen