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Debatte um syrisches GiftgasReporter bei Sarin-Einsatz dabei

Frankreichs Regierung hält die von „Le Monde“ vorgelegten Beweise für sicher, dass die syrische Armee das Giftgas Sarin einsetzt. Die USA bleiben weiter zurückhaltend

„Wenn Amerika nicht weiß, wer hier Chemiewaffen einsetzt, dann könnten es wohl auch Außerirdische sein,“ spottet ein Demonstrant in Sarmada, Nordsyrien Bild: ap

PARIS taz | In der anhaltenden Debatte um mutmaßliche Giftgaseinsätze in Syrien hat Frankreichs Außenminister Laurent Fabius neue harte Vorwürfe gegen die syrische Regierung erhoben „Frankreich hat nun die Gewissheit, dass Sarin-Giftgas mehrmals lokal eingesetzt worden ist“, sagte Fabius am Dienstagabend. „Ohne Zweifel“ seien es Baschar al-Assads „Regime und dessen Komplizen“, die dafür verantwortlich seien.

Fabius beruft sich auf Laboranalysen von Urin- und Blutproben sowie Berichte und Zeugenaussagen, die von Reportern der Zeitung Le Monde im April bei Kämpfen in einem Vorort von Damaskus und in Saraqeb im Norden Syriens gesammelt worden waren. Die Ergebnisse der Auswertung hat Frankreich an die US-amerikanischen und britischen Partner weitergeleitet, aber auch an Russland und an Ake Sellström, den Leiter der UNO-Untersuchungskommission.

Für Fabius hat das Regime in Damaskus die „rote Linie“ überschritten. Es sei undenkbar, dass dies „ungesühnt“ bleiben könne. Trotzdem wolle Frankreich die für Juli geplante Friedenskonferenz in Genf nicht blockieren, die viele als letzte Chance für eine politische Beilegung des Bürgerkriegs ansehen. Fabius schloss eine sofortige Intervention in Syrien, auch in der Form von Luftangriffen auf Giftgaslager, als verfrüht aus: „So weit sind wir nicht.“

Nach den französischen Regierungsbehörden hat gestern nun auch London erklärt, über „biologische Beweise“ zur Verwendung von Sarin-Giftgas in Syrien zu verfügen. Diese in Syrien genommenen Proben seien – wie zuvor andere in Frankreich – in einem britischen Labor mit einem eindeutigen positiven Ergebnis analysiert worden.

Briten nicht so sicher wie Franzosen

Weniger explizit als die Franzosen sind die Briten in der Frage der Schuldigen: „Unserer Einschätzung zufolge erfolgte der Einsatz der Chemiewaffen sehr wahrscheinlich vonseiten des Regimes“, sagte der Regierungssprecher, der jedoch präzisierend beifügte, in London gebe es „bisher“ keinerlei Hinweise auf Giftgasangriffe durch die Opposition.

London und Paris verlangen von der syrischen Staatsführung, dass die UNO-Inspektoren für entsprechende Kontrollen einen uneingeschränkten Zugang zum gesamten Territorium bekommen. „Jetzt müssen die Inspektoren vor Ort Beweise sammeln“, sagte der britische Botschafter in Paris, Peter Ricketts, gegenüber dem Radiosender Europe 1.

Zurückhaltend reagierte am Dienstag das Weiße Haus in Washington auf die Informationen aus Paris, die schwerwiegende internationale Konsequenzen haben können. Ein Sprecher des US-Präsidenten erklärte dazu, man warte noch zusätzliche Beweise und die Überprüfung der gelieferten Informationen ab.

Ursprünglich hatte Barack Obama einen eindeutig belegten Giftgaseinsatz als potenziellen Grund für eine internationale Intervention bezeichnet. Heute scheint das aufgrund der unberechenbaren Folgen und Implikationen nicht mehr so klar ein Casus Belli zu sein.

Zuerst fehlten lange die Beweise für den Verdacht, dass in Syrien Giftgas gegen Kämpfer und die Bevölkerung zum Einsatz gekommen war. Auch der für diese Frage zuständigen UNO-Untersuchungskommission gelang es nicht, stichhaltige Informationen zu liefern. Die Journalisten und Fotografen der Zeitung Le Monde scheinen da stichhaltigeres Material zu liefern.

Die Reporter waren an der Seite der Aufständischen dabei, als ein Hubschrauber des Regierungsarmee von Baschar al-Assad Bomben mit Nervengas abwarf. Sie konnten vor Ort Ärzte befragen, und vor allem brachten sie Blut- und Urinproben von Giftgasopfern nach Frankreich. Deren Analyse durch das zuständige militärische Labor von Le Bouchet hat nun die letzten Zweifel beseitigt. Es wurden unwiderlegbar Spuren von Sarin festgestellt.

Diese 1938 in Deutschland als Insektizid entwickelte hochgiftige Phosphorverbindung wurde zuletzt vom Irak im ersten Golfkrieg gegen Iran und danach gegen die kurdische Minderheit als Kampfstoff eingesetzt. Das allerdings stellt nun die Staaten, die den Giftgaseinsatz nicht nur prinzipiell ablehnen, sondern im Fall von Syrien definitiv stoppen und die Schuldigen bestrafen wollen, vor ihre Verantwortung.

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8 Kommentare

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  • GJ
    Gerhard Jeske

    von Gerhard Jeske: 14.06.2013

    Es ist allgemein bekannt dass die Presse als Gehilfe, der Politiker und Militärs alle Kriege vorbereitete, und das Volk darauf eingestimmt wurde und dass die Presse, besonders in Deutschland, die Slawen und Juden auch der Sinti und Roma als Untermenschen eingestuft hatte. Mit den bekannten Folgen. Die amerikanischen Regierungen hatten bisher ihre Kriege mit Lügen vorbereitet und jetzt soll unbewiesener Weise in Syrien Giftgas eingesetzt worden sein. Wo sind die Zeugen, zum Beispiel die Überlebenden geblieben? Welches Krankenhaus hatte die Giftgasgeschädigten aufgenommen und behandelt? So einfach lässt sich die amerikanische Propaganda hinterfragen und widerlegen. Heute gehört das Abstreiten, Vertuschen und Lügen zum politischen Alltag. Die Geschichte wird durch verschweigen der Tatsachen in den dunklen Hintergrund verschoben Wer heute der Presse allgemein vertraut, der hat dabei sein Erinnerungsvermögen verloren und versaut.

  • GJ
    Gerhard Jeske

    von Gerhard Jeske: 14.06.2013

    Es ist allgemein bekannt dass die Presse als Gehilfe, der Politiker und Militärs alle Kriege vorbereitete, und das Volk darauf eingestimmt wurde und dass die Presse, besonders in Deutschland, die Slawen und Juden auch der Sinti und Roma als Untermenschen eingestuft hatte. Mit den bekannten Folgen. Die amerikanischen Regierungen hatten bisher ihre Kriege mit Lügen vorbereitet und jetzt soll unbewiesener Weise in Syrien Giftgas eingesetzt worden sein. Wo sind die Zeugen, zum Beispiel die Überlebenden geblieben? Welches Krankenhaus hatte die Giftgasgeschädigten aufgenommen und behandelt? So einfach lässt sich die amerikanische Propaganda hinterfragen und widerlegen. Heute gehört das Abstreiten, Vertuschen und Lügen zum politischen Alltag. Die Geschichte wird durch verschweigen der Tatsachen in den dunklen Hintergrund verschoben Wer heute der Presse allgemein vertraut, der hat dabei sein Erinnerungsvermögen verloren und versaut.

  • G
    Gerry

    Wie durchgeknallt muß man sein um einen Luftangriff auf ein Giftgaslager in Betracht zu ziehen. Das Zeug verteilt sich dann in rauhen Mengen in der Umgebung.

    Sarin muß aufwendig dekontaminiert werden weil es sich von selbst nicht verflüchtigt.

  • HS
    Hari Seldon

    Der Titel lautet: "Der Reporter bei Sarin-Einsatz dabei". Nun, die Rebellen und "Civilen", die auch dabei waren, sind alle tot, ausser der Reporter. Tja, ein Reporter (insbesondere aus Frankreich) ist gegen Sarin total immun. Und der Reporter war auch auf einem anderen Einsatzort auch ganz "zufällig" dabei (falls der Sarin-Einsatz und die Abwesenheit der Reporter korreliert sind, dann sollten die Rebellen den Reporter mit sofortiger Wirkung eliminieren). Die TAZ sollte sich nicht lächerlich machen, sondern sollte diesen Privileg den Franzosen und Briten überlassen.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Woraus schließen die beiden „Waffenbrüder des Angriffskrieges“, dass das Assad Regime Chemiewaffen einsetzt? Wenn es die TAZ nicht tut, dann sollten wir Leser um deutliche und fundierte Beweise bitten. Wer unbedingt einen Krieg will, kann auch Chemiewaffen beschaffen.Beide Staaten verfügen über solche Mittel. C-Waffen dorthin zu bringen wo sie als Kriegsgrund gebraucht werden, ist keine Hürde für sie. Und die Rebellen haben ihre Glaubwürdigkeit doch auch schon längst verspielt. Massaker an der syrischen Zivilbevölkerung gehen auf deren Konto.Jetzt, wo sie zurückgedrängt werden, wollen uns die Kriegsbullen in Frankreich und Großbritannien zum Kriegseinsatz vorbereiten. Sie haben die Rebellen um die Al Nusra Brigaden immer schön bei Waffen gehalten. Katar und die Saudis lieferten pünktlich aus.Deren Nachschubwege sind durch das Vordringen der regulären syrischen Armee und der Hisbolla nun abgeschnitten. Das stört die Geschäfte. Der Bürgerkrieg kippt. Jetzt soll der Westen eingreifen. Die psychologische Kriegsführung, ist nicht mehr zu übersehen. Vorsicht vor Frankreich und GB.Die Britten haben schon den Kriegsgrund gegen den Irak erlogen. Dafür musste bekanntlich Toni Blair seinen Sessel räumen. Frankreich bettelt nun schon seit Monaten um einen gemeinsamen Waffengang gegen Syrien. Die Franzosen sind aber auch schon mitschuldig geworden, als sie die Flugverbotszone über Libyen dafür benutzten, das libysche Regime zu beseitigen. Das sah die UN-Resolution nämlich nicht vor. Beim damaligen Bombardement von Städten und Dörfern kamen viele Tausend Menschen um. Bis heute herrscht in Libyen Bürgerkrieg und niemand weiß, was das Ergebnis in Mali sein wird. Verbrechen kann man nicht mit Massenmord an der Zivilbevölkerung beantworten. Wir stehen nicht mehr am Anfang der Menschwerdung! Diese Kriege destabilisieren die gesamte Region. Und das vor unseren Augen. Möchten Europas Nato- Kriegsschergen jahrzehntelang tausende Soldaten vor Ort unterhalten? Das entzieht den Volkswirtschaften des Westens sehr viel Geld, schafft aber keine Werte. Zahlen werden es die kleinen Leute. Blair und Hollande gelten als Obersozialdemokraten. Wie immer setzen sie sich für die Reihenfolge Konjunktur, Krise, Krieg ein. Die Tradition um Gustav Noske (SPD)lebt: „Einer muss der Bluthund sein“

  • T
    Thanthalas

    Wurde in der Türkei nicht erst vor kurzem ein Saringasschuggel zu den Terroristen aufgedeckt?

     

    Wie auch immer, Beweise kann man fälschen. So oft wurde den Regierungstruppen etwas in die Schuhe geschoben. Meist waren es dann die Terroristen.

  • S
    Sky

    In den syrischen Medien gibts den Diskurs Giftgas, natuerlich durch die Rebellen angewendet. Dazu monotones Runterrasseln und Auflisten vernichteter Rebellen, massenweise erbeuteter Waffen, und aufgedeckte Identitaeten. Libysche Milizen, saudische Kaempfer usw.

     

    Kein Wort ueber die ausgehobenen Giftgasfabriken von Al Kaida im Irak. Es waere einfach den Zusammenhang herzustellen, da Al Kaida munter in Syrien mitmischt.

     

    Die syrischen Medien halten eine grosse Monotonie mit den Auflistungen und Dauererfolgen und der Dauerpraesenz von Assad und die Auflistung seiner Dekrete. Dass es Leuten reicht ist verstaendlich.

     

    Dass die Rebellen aber credibility haetten? Eine monotone Dauerpraesenz durch ein Puzzle von Streit abzuloesen sieht unvernuenftig aus.

     

    Die grossen Blutbilder der Demos in Istanbul wirkt unreif.

     

    Die Dauermonotonie Assads laesst sich in friedlichem Alltag ignorieren. Das Beste waere, der wandelt sich, wie Gorbatschow. Bei den Rebellen ist jedenfalls keiner dabei. Endpost.

  • K
    Karl

    Bullshit!

     

    In einigen Proben wurde IMPA aber sicher kein Sarin nachgewiesen. Für einen schlüssigen Nachweis braucht es aber, abgesehen von einer wasserdichten Probenahme- und Transportkette (die hier nicht gegeben war), auch die Cholinerstaseaktivitäten der Geschädigten. Um überhaupt vermuten zu können das wirklich ein Cholinesteraseblocker eingesetzt worden ist!

     

    Glück auf!

     

    Karl