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Debatte um den Görlitzer ParkZaunfrei forever

In Kreuzberg hat sich das Bündnis „Görli Zaunfrei“ gebildet. Unterdessen fordern die Grünen ein 55-Millionen-Euro-Paket gegen die Verelendung.

Klare Forderung: Die Pläne des Senats stoßen in den Kiezen um den Görlitzer Park auf Widerstand Foto: Hannes P. Albert/dpa

Berlin taz | Auf seinem medienwirksamen „Sicherheitsgipfel“ Anfang September hatte der Senat beschlossen, dass der Görlitzer Park in Kreuzberg eingezäunt und nachts abgesperrt werden soll. „Mein Ziel ist, dass der Zaun so schnell wie möglich aufgestellt wird und spätestens Anfang nächsten Jahres steht“, verkündete Bürgermeister Kai Wegner (CDU). Ein Signal an seine Klientel, die eher außerhalb des Innenstadtrings zu finden ist.

In Kreuzberg selbst überwiegt dagegen die Skepsis: „Ein Zaun löst keine Probleme, sondern verschiebt sie in die Kieze“, schreibt das neu gegründete Bündnis „Görli Zaunfrei“, das aus sozialen Projekten und Nach­ba­r*in­nen aus dem Görlitzer Park und den umliegenden Kiezen besteht. Diese saßen beim „Sicherheitsgipfel“ des Senats nicht mit am Tisch.

Am Dienstagvormittag treffen sich vier Ver­tre­te­r*in­nen des Bündnisses dafür im Versammlungsraum des Kinderbauernhofs im Görlitzer Park. „Verdrängung löst kein Problem“, stellt Juri Schaffranek vom Straßensozialarbeitsverein Gangway fest. Das vom Senat beschlossene Maßnahmenpapier, das unter anderem die nächtliche Schließung des Parks, Einlasskontrollen durch private Sicherheitsdienste, Videoüberwachung und eben eine Einzäunung des Parks vorsieht, sei „repressionslastig“ und trage eher zur Verschärfung des Problems bei.

Das Problem: Verelendung, „Hochrisikokonsum“ und eine Zunahme bei Drogenabhängigen und Obdachlosen. „Die Situation hat sich in den letzten Jahren verschärft“, bestätigt Esther Borkam vom Kiez Anker 36. „Es ist sehr viel Crack unterwegs.“ Allerdings hätten Polizeirazzien und regelmäßige Kontrollen nur zu einer Verlagerung der Problemfelder weit über die Parkgrenzen hinaus geführt.

Konflikte werden nur verschoben

„Was wir brauchen ist Solidarität, Empathie und soziale Sicherung. Geld muss in Menschen und soziale Maßnahmen gesteckt werden und nicht in einen Zaun und repressive Maßnahmen, die die Konflikte lediglich in die umgebenden Nachbarschaften verschieben und die Gewaltsituation für alle verschärfen“, heißt es von der Initiative.

Das Bündnis macht konkrete Verbesserungsvorschläge, die zum Teil auf jahrelangem Engagement für den Görlitzer Park beruhen. Dazu gehören laut Juri Schaffranek ein niedrigschwelliges medizinisches Angebot sowie Aufenthalts- und Konsummöglichkeiten für Drogenkranke, Möglichkeiten zum Aufenthalt im öffentlichen Raum, mehr Straßensozialarbeit und ein gemeinsames Konzept aller beteiligten Akteure.

Unterdessen hat die Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus ebenfalls am Dienstag als eine Art Nachschlag zum „Sicherheitsgipfel“ vor mehr als zwei Monaten ein 55-Millionen-Euro-Paket gefordert, um soziale Maßnahmen gegen die Verelendung im öffentlichen Raum zu finanzieren und die Sicherheit in Berlin nachhaltig zu erhöhen.

Die Grünen wollen ihr Programm dabei nicht allein auf Friedrichshain-Kreuzberg und den Görlitzer Park beschränkt wissen. Vielmehr sollen 20 Millionen Euro der Gelder über einen Bezirke-Topf berlinweit zur Verfügung stehen. „Die Bezirke brauchen Mittel, auf die sie je nach ihren Bedarfen flexibel zugreifen können, um mehr soziale Sicherheit vor Ort zu schaffen“, sagte Co-Fraktionschef Werner Graf.

Ungeklärt ist, wie der Senat die sozialen Maßnahmen oder auch den anvisierten Zaun finanzieren will. Für dessen Umsetzung wäre formal erst mal auch gar nicht der Senat zuständig, sondern der Bezirk. „Aus unserer Sicht ist das geplante nächtliche Abschließen des Görlitzer Parks reine Symbolpolitik, die nicht dazu beitragen wird, die Situation vor Ort nachhaltig zu verbessern“, teilte Friedrichshain-Kreuzbergs Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne) auf Anfrage mit.

Das Bezirksamt ist nicht Teil des Bündnisses „Görli Zaunfrei“, teilt aber viele der Forderungen. Aber was ist, wenn alles auf einen Deal hinausläuft? „Wir erwarten, dass sich das Bezirks­amt klar positioniert“, sagt Schaffranek.

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2 Kommentare

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  • Es ist eine Problematik, die sich auf die Stadt Berlin insgesamt bezieht, wir sind hier nicht nur im Kreuzberg-Dorf!



    Man hat im Dorf lange genug politisch rumgeeiert - nichts, gar nichts hat sich verbessert.



    Wenn Gangway oder andere weiter nur sozialarbeiterische Maßnahmen usw., usw. fordern, tun sie das für sich selbst - es bedarf dringend der Evaluation dieser Vereine!



    Es braucht politische Initiativen von außen, die einen professionellen Blick auf die desolate Situation werfen - und zwar aus unterschiedlichen Fachrichtungen.

  • Die Grünen sind im Bezirk doch schon recht lange an der Macht und hätten das Problem Görli unlängst in eigener Zuständigkeit angehen können. Statt echter politischer Handlung haben sie die Verelendung doch erst durch aktives Wegschauen zugelassen. Jetzt Gelder zu fordern ist obskur.