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Debatte um SterbehilfeParteien streiten über Todkranke

Darf ein Arzt Sterbehilfe leisten? Müssen Sterbehilfevereine verboten werden? SPD und Union sind uneins. Der Bundestag will nach der Sommerpause beraten.

Wenn man weiß, dass man stirbt – darf man dann? Bild: dpa

HANNOVER epd | Der rechtspolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Burkhard Lischka, spricht sich für die Zulassung ärztlicher Sterbehilfe aus. Führe der Krankheitsverlauf irreversibel zum Tod und wolle der Kranke auch nach einer ärztlichen Beratung sterben, „so ist der letzte Wille zu respektieren und dem Arzt die Möglichkeit zu geben – sofern er dies will – den Todkranken in seinen letzten Stunden zu begleiten“, sagt Lischka der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Strikt gegen eine Freigabe von Sterbehilfe wandte sich der CDU-Abgeordnete Michael Brand: „Wir wollen die Hand zum Sterben reichen, aber nicht beim Sterben.“

Lischka sagte, ärztliche Sterbehilfe schütze Betroffene vor Quacksalbern, Scharlatanen und Geschäftemachern. Damit würden mehr Menschen vor Fehleinschätzungen und übereilten Entscheidungen bewahrt als durch ein rigides Verbot. Der CDU-Politiker Brand, der in der Unionsfraktion als Koordinator zu den Fragen rund um die Sterbehilfe eingesetzt wurde, sagte, es müsse ausgeschlossen werden, „dass ein Dritter Verantwortung für fremdes Leben übernehmen kann“. Die anstehende Bundestagsabstimmung ohne Fraktionszwang sei ein „Test auf die Menschlichkeit in unserer modernen Gesellschaft“. Mit dem Ausbau der Palliativmedizin und der Hospize lasse sich Leiden lindern.

Während sich wiederum die Grünen-Politikerin Renate Künast dafür aussprach, gemeinnützige Sterbehilfevereine unter bestimmten Auflagen zu erlauben, wandte sich die SPD-Bundestagsabgeordnete Kerstin Griese dagegen. Sterbehilfevereine stünden „für einen unwürdigen Umgang mit dem Tod“, sagte die Vorsitzende des Bundestagssozialausschusses der Zeitung: „Da bekommt jemand anonym den Todestrank hingestellt und bleibt allein in seinem Zimmer.“ Besonders schlimm sei es, dass diese Sterbehilfevereine ihre Mittel auch an psychisch Kranke, besonders an Menschen mit Depressionen, verabreichten.

In Deutschland sind aktive Sterbehilfe und Töten auf Verlangen verboten, die Beihilfe zur Selbsttötung ist aber bisher straffrei. Das machen sich teils Vereine zunutze, die organisierte Sterbehilfe anbieten. Der Versuch einer gesetzlichen Neuregelung war in der vergangenen Wahlperiode gescheitert, weil sich die schwarz-gelbe Koalition nicht einigen konnte. Nach der Sommerpause will der Bundestag erneut beraten.

Griese sagte, entscheidend gestärkt werden müsse die Arbeit der Ärzte und des Pflegepersonals. Die palliative Sedierung müsse generell erlaubt werden, also die Verhinderung von übermäßigen Schmerzen auch „unter Inkaufnahme des eventuell früheren Sterbens“.

Künast sagte dagegen, gemeinnützige Sterbehilfe könne für manche Betroffene die letzte entscheidende Hilfe sein: „Also sollten gemeinnützige Sterbehilfevereine auch in Deutschland erlaubt sein.“ Allerdings sollten „nur solche Vereine zugelassen werden, die sich an bestimmte Kriterien und Mindeststandards halten“. Klare Regeln könnten einen Dammbruch verhindern.

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3 Kommentare

 / 
  • "Mit dem Ausbau der Palliativmedizin und der Hospize lasse sich Leiden lindern."

    Zustimmung

     

    In dieser Debatte wird häufig vergessen, dass es viele Menschen gibt, die gar keine aktive Sterbehilfe wollen oder brauchen, und denen aber das friedliche Einschlafen (z.B. aber nicht nur zu Hause) auf grausame Art versagt wird, indem sie überflüssigerweise kurz vor Schluss nochmal durch den intensivmedizinischen Fleischwolf gedreht werden.

     

    An der Stelle könnte man die Diskussion anfangen und Aufklärung betreiben, statt sich Gedanke über Menschen zu machen, die anscheinend noch "quietschfidel" sind oder, weil sie einfach "keinen Bock" mehr haben, die Pille geben wollen.

    • 9G
      9076 (Profil gelöscht)
      @W.D.:

      Die politische Insuffizienz ist das eine Problem, eine Gesellschaft die nicht für ihre Rechte kämpft das andere. Solche Themen müsste die Menschen zu Tausenden auf die Strasse treiben- macht sie aber nicht.

      Ergo wird.... "Sie überflüssigerweise kurz vor Schluss nochmal durch den intensivmedizinischen Fleischwolf gedreht werden".

       

      Aus kapitalistischer Sicht macht das richtig Geld und Sinn.

       

      Wir bekommen das was wir verdienen.

  • Hier muss man sich als erstes klar machen, dass die ganze Debatte im Berliner Zirkus nur deshalb stattfindet, weil die scheißarroganten Abgeordneten einer bestimmten Partei (Fraktionsgemeinschaft) sich gegen Volksentscheide stellen.

     

    Michael Brand ist mit seiner Meinung ein politischer Untoter. Wann hat man mal 80% der Bevölkerung gegen sich? Aber damit kommt man gut klar, wenn man für sich erst mal entschieden hat, dass Demokratie nicht so wichtig sei.

     

    Inhaltlich:

     

    «es müsse ausgeschlossen werden, „dass ein Dritter Verantwortung für fremdes Leben übernehmen kann“»

     

    Das ist sogar für CDU-Verhältnisse armselig. Niemand soll Verantwortung für fremdes Leben übernehmen. Mal abgesehen davon, dass der moralisch qualitative Unterschied zur Einstellung künstlicher Ernährung nicht so recht einleuchtet. Aber da beendet wahrscheinlich nicht der Arzt das Leben, sondern der Herrgott...

     

    Aber was will man intellektuell von Leuten erwarten, die "palliative Sedierung" noch dem Leben zuordnen und nicht dem Tod.

     

    "Mit dem Ausbau der Palliativmedizin und der Hospize lasse sich Leiden lindern."

     

    Niemand, so scheint es, möchte Herrn Brand davon abhalten, die Pallativmedizin auszubauen. Er darf auch jedem Todkranken einzeln erklären, warum das besser für ihn (und ihn) sei. Aber dafür müsste er ja die Meinung des einzelnen Bürgers ernst nehmen; nicht zu erwarten bei Leuten, die direkte Demokratie ob ihrer häufigen eigenen politischen Randständigkeit hassen wie die Pest.