Debatte um Sportereignis in Berlin: Piraten steuern Olympia an
In der ersten Parlamentsdebatte über eine Bewerbung sind vier der fünf Fraktionen zumindest offen für das Sport-Großereignis. Wowereit spricht von Milliardenkosten.
Es kam überraschend. Dem Schubladendenken zufolge waren die Piraten jeglicher Olympiabegeisterung unverdächtig – zu teuer, zentral gesteuert und kommerziell sind die Spiele üblicherweise, sie schienen nicht in das Profil der Partei zu passen. Schienen: Bei einer parteiinternen Abstimmung sprach sich eine Mehrheit, wenn auch bei geringer Beteiligung, für eine Berliner Olympiabewerbung aus, war am Donnerstag von ihrem parlamentarischen Fraktionsgeschäftsführer Heiko Herberg im Abgeordnetenhaus zu hören. Dort redete Regierungschef Klaus Wowereit (SPD) auch Klartext zum Finanzbedarf möglicher Spiele: „Sie werden Milliarden kosten.“
Nach vielen öffentlichen Äußerungen von Senatsmitgliedern, Parteienvertretern und Abgeordneten war es die erste offizielle Diskussion im Landesparlament zu diesem Thema. Vier von fünf Fraktionen gaben dabei zu erkennen, dass sie eine Bewerbung für die Olympischen Spiele im Jahr 2024 oder 2028 zumindest nicht von vornherein ablehnen. Allein die Linksfraktion sprach sich dagegen aus.
Die zustimmende Haltung einer Mehrheit der Piraten kam über das in der Partei übliche Internetabstimmungsverfahren „liquid feedback“ zustande und ergab 85 Prozent Ja-Stimmen. An der Mitte Juni begonnenen Abstimmung beteiligten sich 71 Parteimitglieder. Es ist schon dass zweite Mal, dass eine zuvor als olympiakritisch eingestufte Organisation sich positiv zu einer Bewerbung äußert: Mitte Juni hatte bereits der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ein Konzept für ökologische Spiele vorgelegt.
An den von Wowereit genannten Milliardenkosten soll sich die Bundesregierung beteiligen. „Ich gehe davon aus, dass Berlin das allein nicht stemmen kann“, sagte der Regierende Bürgermeister – „es ist nicht die Bewerbung Berlins, es ist die Bewerbung Deutschlands.“ Obwohl er auch sonst fast durchweg auf Möglichkeitsform-Wendungen wie „würde“ oder „könnte“ verzichtete, sah der Regierungschef die Olympiaüberlegungen noch ganz am Anfang. Bei einer vorliegenden Liste mit 13 Fragen des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) geht es aus seiner Sicht bloß um eine reine Interessenbekundung. Erst am Jahresende wolle der Sportbund klären, ob überhaupt eine deutsche Bewerbung in Betracht kommt.
Gegenüber Forderungen nach breiter öffentlicher Beteiligung, die sich nicht in einer Bürgerabstimmung erschöpfen soll, zeigte sich Wowereit offen: „Foren, runde Tische, neue Formen der Beteiligung – warum denn nicht?“ Eine Olympiabewerbung sei eine gute Gelegenheit, Neues auszuprobieren.
Der grüne Sportpolitiker Martin Beck gab sich zwar auch skeptisch, weil bislang „kein vertrauenerweckendes mitreißendes Konzept“ vorliege. Und doch sah er in einer Bewerbung „eine einmalige Chance“: Berlin wäre damit in Sachen Olympia nicht immer nur mit der ersten Austragung 1936 verbunden. Grundsätzliche Frage ist für ihn: „Stehen Aufwand und Nutzen in einem adäquaten Verhältnis zueinander?“ – was auch bei der CDU-Fraktion für Beifall sorgte.
Deren Abgeordneter Tim-Christopher Zeelen nannte eine Forderung von Linken-Exsenator Harald Wolf im Neuen Deutschland nach einer neuen „NOlympia“-Bewegung „eine fatale Entscheidung gegen den Sport“. Auch der CDU-Mann rief nach breiter Beteiligung und regte einen Sonderausschuss des Abgeordnetenhauses an, um eine mögliche Bewerbung von Anfang an zu begleiten.
Linksfraktionschef Udo Wolf hingegen warf Wowereit und der rot-schwarzen Koalition vor, gar nicht am Sport interessiert zu sein: „Diese Olympiabewerbung machen Sie doch nur zur Ablenkung von Ihrer miesen Performance.“ Wowereit traue man in Berlin sowieso kein Großprojekt mehr zu. Für zu hoch hält Wolf die finanziellen Risiken von Olympischen Spielen. Sein Appell an den Regierungschef: „Ersparen Sie uns eine Bewerbung, die Sie nur aus Eitelkeit und Verzweiflung betreiben.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!