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Debatte um Schulessen im BundestagGratis und gut statt billig und schlecht

Die Linke will am Donnerstag einen Antrag für ein kostenloses Essen in Schulen und Kitas einbringen. In Teilen wäre das sogar finanzierbar.

Was Kinder lieben: Nudeln mit Soße Bild: dpa

BERLIN taz | Nachdem im letzten Herbst tausende Kinder in Ostdeutschland am Norovirus erkrankt waren, wurde wieder einmal öffentlich, wie schäbig mitunter die Qualität von Schul- und Kitaessen ist. Und zwar ausgerechnet für jenen Teil dieser Gesellschaft, für dessen Schutz sonst alles bis ins Kleinste durchgetüvt ist: Kinder.

Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) hatte im Spätsommer 2012 eine Studie vorgestellt, die ergab, dass ein Mittagessen mindestens 3,25 Euro kosten sollte. In den meisten Schulen jedoch liegt der Preis darunter. Ernährungswissenschaftler von der Hochschule Niederrhein sprechen von mindestens 4,50 Euro, um ein anständiges Großküchenessen zu gewährleisten.

An diesem Donnerstag bringt nun die Linkspartei einen Antrag in den Bundestag ein, in dem sie eine Umsonstverpflegung in Schulen und Kitas fordert. Sie schlägt vor, dass der Bund den Ländern 4 Euro pro Kind und Tag zahlt und zudem ein Investitionsprogramm auflegt, um Küchen und Mensen aus- und neuzubauen.

Um die Qualität zu sichern, sollen in den Schulgesetzen verbindliche Standards festgeschrieben werden. In die Festlegung der Speisepläne sollen die Kinder selbst sowie Eltern und Lehrer einbezogen werden.

Was klingt wie ein unbezahlbarer Sozialstaatstraum, wäre – zumindest in Teilen – sogar finanzierbar. Die von der Linkspartei errechneten jährlich 8,3 Milliarden Euro Kosten ließen sich zudem dämpfen, indem die Mehrwertsteuer für Schul- und Kitaessen von 19 auf 7 Prozent gesenkt würde. Dafür müsste die Bundesregierung die Essenversorgung als „öffentliche Fürsorge“ einstufen.

Reduzierte Mehrwertsteuer könnte helfen

Diese Idee teilen auch andere. Im Dezember forderte die Produzenteninitiative „7 Prozent für Kinder“ den reduzierten Mehrwertsteuersatz. Der sozialpolitische Gedanke eines geringeren Satzes auf lebensnotwendige Produkte müsse wieder zum Maßstab der Debatte werden. Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerks und Unterstützer der Initiative, sagt: „Wir fordern, dass die Bundesregierung dies umgehend umsetzt und somit Handlungsbereitschaft im Sinne der Familienfreundlichkeit beweist“.

Tatsächlich wird der reduzierte Mehrwertsteuersatz nach kaum nachvollziehbaren Regeln vergeben. So werden etwa Reitpferde mit nur 7 Prozent besteuert, aber Kinderkekse mit 19. Delikatessen wie Froschschenkel oder Wachteleier gibt es für 7, Mineralwasser jedoch für 19 Prozent.

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14 Kommentare

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  • H
    Hanne

    Grundsätzlich für alle Steuerbefreiungen im Umsatzsteuergesetz empfehle ich mal den

     

    § 4 UStG Steuerbefreiungen bei Lieferungen und sonstigen Leistungen

     

    sich anzusehen. Da ist doch eine ganze Menge (teils auch so absurd klingendes wie die Lieferung von Gold an Zentralbanken) aufgelistet, derer man sich so wahrscheinlich gar nicht bewusst ist. Speziell Satz 18 und 23 betreffen auch die Schulverpflegung. Jugendherbergen und Krankenhäuser sind z.B. auch befreit.

     

    Und nochmals wegen des Vergleichs mit dem "Hartz IV-Satz": In einer Außerhausverpflegung sind in den Vollkostenrechnungen auch die gesamten Personalkosten, die Einrichtung und Instandhaltung der Koch- und Ausgabeküchen, ggf. auch die Einrichtung der Essensräume, die Transportkosten, die Abrechnungskosten etc. mit einkalkuliert. Lediglich ein recht kleiner Teil ist für den Lebensmitteleinkauf und die Energiekosten der Zubereitung. Jede Erhöhung des gesamten Essenspreises bedeutet so auch eigentlich ein erhöhter prozentualer und absoluter Einsatz für den Lebensmitteleinkauf, denn die anderen Kosten sind ja weitestgehend unabhängig von der Qualität der eingekauften Produkte. (Es sei denn, dass auch das Personal in Küchen mal wieder besser bezahlt wird.)

     

    Ich kann also 4 € für ein Schulmittagessen nicht einfach so mit einem selbst gekochten Mittagessen zuhause vergleichen, denn zuhause wird keine Vollkostenrechnung aufgestellt und leider werde ich für die Zeit des Einkaufes, Zubereitens und Spülens zuhause auch nicht bezahlt. Das verhält sich ähnlich wie das Autofahren zu berechnen, indem nur Tankfüllungen in Ansatz gebracht werden, gegenüber den Kosten für den Öffentlichen Nahverkehr oder Teilautokosten.

  • I
    Ingo

    @Hanne: Muss man wirklich überall "Achtung Ironie!" dabeischreiben, auch wenn man so dick aufträgt, wie ich es tat?

  • H
    Hanne

    Zu einigen Kommentaren hier:

     

    So einfach ist das mit der MwSt., die dann angeblich weg fällt und dem Staat verloren geht auch nicht. Meines Wissens nach fallen nur MwSt. für Schulessen an, wenn die Speisen außerhalb der Schule oder der Kita zubereitet werden. Es sich daher um eine Dienstleistung handelt, die von außerhalb in Anspruch genommen wird. Wird in der Schule/Kita selbst vor Ort von eigenem Personal gekocht, fallen die MwSt. nicht an bzw. nur für den Einkauf der Zutaten. Und wenn diese Lebensmittel weitestgehend unbearbeitet sind, fallen dafür i.d.R. 7% an (siehe eigenen Einkaufszettel), ansonsten 19%.

     

    Außerdem ist es ja auch so, dass es bisher zumindest nicht flächendeckend Schulessen für 4 € gab und somit auch noch nicht Steuern in Höhe von 19 % für diese Mahlzeiten im Finanzhaushalt der Republik eingeplant sind. Maximal werden dort derzeit die 19 % der Essen eingeplant sein, die es in der Regel bisher und nur in bestimmten Städten und Ländern für weniger Geld gibt.

     

    Und abschließend @Ingo: Ja, der "Hartz-IV-Satz" ist auch für eine gesunde Ernährung viel zu gering berechnet.

    Und Kinder benötigen nicht "nur" die Hälfte von einem Erwachsenen. Kinder sind keine halben Erwachsenen!

  • M
    manfred (61)

    Die Idee, pro Kind und Tag 4 Euro zu zahlen, ist gut. Ich fürchte nur, zunächst mal werden die Länder damit Haushaltslöcher stopfen, dann die Kommunen ihre Rathäuser sanieren und drittens die privatwirtschaftlichen Anbieter die Gewinnmargen steigern. Bei den Kindern wird nicht viel ankommen. Also: Wie sichert man, daß dieser Betrag voll in den Materialeinsatz geht?

  • I
    irmi

    Die Reichen sollen mehr zahlen, dann können die Armen mit verköstigt werden.

    Warum bekommen die Reichen auch noch staatl. Vergünstigungen wie Kindergeld usw. Alle die eine Schule oder Kita besuchen müssen Gehalts oder Einkommensnachweise vorlegen.

  • T
    Teermaschine

    Sarah und die Sterntaler

     

    Die wundersame Geldvermehrung ist natürlich nichts anderes als linke Tasche-rechte Tasche; man hätte auch jeden anderen Haushaltsposten zur Subventionierung heranziehen können.

    Warum erwähnt die Autorin nicht, dass dem ein Mehrwertsteuerausfall in exakt gleicher Höhe gegenüber steht? Hält die taz ihre Leser für so dämlich, das nicht zu merken? - Man ahnt um die Werthaltigkeit Wagenknecht`scher Wirtschafts- und Sozialpolitik, sobald sie Oskars Lotterbett verlässt und auf die Wirklichkeit trifft.

  • T
    tim

    "In Teilen wäre das sogar finazierbar", wenn man es nämlich als "öffentliche Fürsorge" bilanziell versteckt... dann muss es ja nach Linkslogik auch keiner bezahlen. Wobei das 'in Teilen' schonmal von mehr Realitätssinn zeugt als sonstige Absonderungen der Partei. Boah: Kopf --> Wand!!! Wie sind diese Politiker-Schrägstrich-Innen eigentlich jemals durch die Grundschule gekommen??

  • N
    Nettozahler

    Nur noch lächerlich diese Vorschläge. Das Berliner Modell: Der Staat hat für die Rundumversorgung zu sorgen.

    Aber die Produktion der Kinder überläßt man dann doch noch unverantwortlich agierenden Personen? Passt ja, denn es heißt doch "Dumm fickt gut". Über die Folgen muß man sich ja in Berlin, dem Sammelbecken der Arbeitsscheuen und Leistungsverweigerer keine Sorgen machen.

    Vielleicht ist das dann der Zeitpunkt auch über Zwangssterilisation zu sprechen! Da höre ich schon ein Aufheulen: Einschnitt in die Persönlichkeitsrechte! Tja, Gutmenschen (gut beim Verteilen des Geldes der anderen)neben jedem Recht steht auch eine Pflicht. Und wer seien Pflichten nicht erfüllt, der verwirkt auch seine Rechte.

     

    Die Propaganda spricht immer gerne von "hungrigen Kindern", als ob die der Storch abgeworfen hat. Aber hallo, dahinter stehen immer A'loch-Eltern. Frau Maier, dagegeben hat die Propaganda das Wort zu erheben. Eigenverantwortlichkeit muß das Thema sein. Und dann kommt lange nichts und dann können wir uns in wirklichen Notfällen über die Finanzierung unterhalten. Nicht schon wieder aus reinem Populismus wesenltiche Teile des Problems einfach ausblenden. Mag sein, daß Ihre Leserschaft nichts über Eigenverantwortung lesen will. Aber genau das führt ja zu vielen Problemen in Berlin (und anderen Problemzonen).

    Zuerst muß der Geist gesund werden und dann werden es auch die Schulbrote. Geld, vor allem umverteiltes, bringt keine Klarheit im Kopf. Im Gegenteil, der Kopf wird träge und verschlammt.

  • K
    kleinalex

    Aua!

     

    8,3 Mrd mit 19% --> bei einer Senkung auf 7% würde der Staat 837 Millionen Euro weniger an Förderung bezahlen müssen.

     

    Und exakt diese 837 Millionen Euro würde derselbe Staat weniger an Mehrwertsteuereinnahmen haben, als wenn er die 8,3 Mrd mit 19% MwSt bezahlt.

     

    Sinnvoll wäre eine Korrektur der absurden MwSt-Sätze zweifelsfrei. Und solange das Schulessen im Regelfall von Eltern und nicht vom Staat bezahlt wird, ist eine Absenkung des MwSt-Satzes für Schulessen auch auf jeden Fall eine gute Idee. Wenn aber der Staat die Kosten für die Schulessen komplett übernimmt, dann spart der Staat durch die Absenkung des MwSt-Satzes nicht einen einzigen Cent.

     

    Für sich genommen ist es also eine gute Idee, MwSt-Sätze einmal neu zu ordnen; im Kontext der vom Staat finanzierten Schulessen ist die Idee jedoch völlig bedeutungslos.

  • MT
    Michael T

    Offenbar kann sich die Autorin nicht entscheiden, ob sie einen Artikel über freies Schulessen oder über den Sinn der unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze schrieben soll.

    Jedenfalls wäre es schon schön gewesen, wenn sie ein klein wenig erläutert hätte, WIE sich denn das freie Essen für alle Schüler finanzieren liesse. Über den verminderten Mehrwertsteuersatz funktioniert es jedenfalls nicht: in diesem Fall stünden den verminderten Ausgaben verminderte Steuereinnahmen in gleicher Höhe entgegen. So bleibt dies ein Nullsummenspiel und bringt unter dem Strich gar nichts.

    Letztlich muss die Frage beantwortet werden, wie die Linkspartei die Kosten von ca. 6.9 Milliarden Netto aufbringen will - darüber gibt zumindest der Artikel keinerlei Auskunft. Ob die Linkspartei hierzu eine realistische Vorstellung hat, entzieht sich meiner Kenntnis - ich bezweifel es aber. Der Vorschlag klingt zunächst einfach zu schön, als dass man ihn sich mit sowas Blödem wie 'Finanzierung' kaputt machen will.

  • I
    Ingo

    Die Preise sind doch viel zu hoch gegriffen: im Hartz IV- Regelsatz sind ca. 4,40 Euro für die Ernährung eines Erwachsenen/ Tag mit drei Mahlzeiten inkl. Trinken vorgesehen.

    Berücksichtigt man den geringeren Bedarf bei Kindern (und das für nur eine Mahlzeit), sollten die Gesamtkosten nur halb so hoch liegen.

     

    Entweder das, oder bei der Regelsatzberechnung wird verarscht- und das kann ich nun wirklich nicht glauben.

  • M
    mackenzen

    wie eng und ismus gepraegt das gedacht ist: 'waere in teilen auch finanzierbar!' liebe frau maier: wenn ein so reiches land wie toitschlant angeblich nicht einmal die mittel dazu hat seinen kindern von kita bis schule jeden tag ein gutes brauchbares essen zu geben dann weiss man ja was fuer ein beschraenktes denken da schon verinnerlicht ist! ach ja die 'sachzwaenge' des systems: da kann man einfach nix machen...

  • R
    R.J

    Gesundes Essen kann auch Bewusstsein schaffen und da es dem Staat und der Gemeinschaft ansonsten kaum gelingen wird, die vielen Unterschiede auszugleichen, die den Kindern schon aufgrund ihrer Herkunft begegnen, ist dessen kostenlose Ausgabe auch ein kleiner Schritt in Richtung Chancengleichheit.

     

    Eine Senkung der Mehrwertsteuer oder ihre Abschaffung für weitgehend unverarbeitete Grundnahrungsmittel dient den Menschen mit geringem Einkommen, der Gesundheit der Bevölkerung und dem Kampf gegen den Verpackungswahnsinn in der Gesellschaft.

  • IN
    Ihr NameJ. Murat

    Also, wie wäre es denn, die Schulspeisung mit dem getrichenen Kindergeld zu finanzieren?

    Dann hat auch das Hartz IV Kind etwas davon und die reicheren "zahlen" dafür.

    Oder besser, der BER bleibt Ruine und das gesparte Geld wird in die Schulspeiung gesteckt.