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Debatte um NSU-UntersuchungsausschussHamburgs Grüne uneins

Auf der Mitgliederversammlung der Grünen soll ein Untersuchungsausschuss zum Hamburger NSU-Mord gefordert werden. Damit sind nicht alle glücklich.

Gedenken an Süleyman Tașköprü im November 2012 Foto: Axel Heimken/dpa

Hamburg taz | In einem Monat ist es 20 Jahre her: Die NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt ermordeten Süleyman Taşköprü im Obst- und Gemüseladen seines Vater mit Kopfschüssen. Der 31-Jährige starb in den Armen seines Vaters, der kurz nach dem Attentat in den Laden an der Schützenstraße kam.

Knapp zwanzig Jahre später liegt der digitalen Landesmitgliederversammlung der Hamburger Grünen nun ein Antrag vor, der einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss fordert. Die An­trag­stel­le­r:in­nen versprechen sich davon ein „politisches Instrument, das Zeugenvorladungen, Zeugenaussagen unter Eid und Einsicht in nicht öffentliche Akten ermöglicht“, so die Begründung.

Auf der Landesmitgliederversammlung am Wochenende wollen die Grünen eigentlich vor allem ihre Bun­des­tags­kan­di­da­t:in­nen küren. Der Antrag unter der laufenden Nummer 114 dürfte aber noch ganz anderes Konflikpotenzial haben: „Antifaschismus heißt konsequente Aufklärung, Offenlegung von rechtsextremen Strukturen und strukturellem Rassismus“.

Ein Änderungsantrag liegt bereits vor, der die Forderung umformuliert sehen möchte. Mareike Engels und Sina Aylin Demirhan begründen ihre Ablehnung damit, das „ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss (…) leider wiederholt keine politischen Mehrheit gefunden“ habe. Die Bürgerschaftsabgeordneten der Grünen fordern stattdessen, dass die Landesmitgliederversammlung die eigene Bürgerschaftsfraktion damit beauftrage, eine „geeignete parlamentarische Aufklärung und Untersuchungsarbeit“ einzusetzen. Der Änderungsantrag suggeriert, dass die Aufklärung an den anderen Fraktionen im Rathaus gescheitert wäre.

Bis heute wissen die Angehörigen von Süleyman Taşköprü nicht, warum ihr Sohn, Bruder, Mann und Vater ermordet wurde

Allerdings wurde im Parlament bereits 2014 ein 87 Seiten dicker Selbstaufklärungsbericht von Polizei und Verfassungsschutz verhandelt. Auf dieses Papier bezieht sich auch die Forderung eines Untersuchungsausschusses, wie sie etwa Madeleine Cwiertian von der Grünen Jugend, Bianca Blomenkamp von den Harburger Grünen oder Cristina Schwarzwald aus Eimsbüttel unterzeichnet haben. Gerade die Lücken in der bereits erfolgten Aufklärungsarbeit seien ein Beleg dafür, dass nur ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss mehr erreichen könne. Sie weisen auch darauf hin, dass Hamburg das einzige Bundesland ist, „in dem es einen NSU-Mord, aber keinen NSU-Untersuchungsausschuss gab“.

In dem Antrag werfen die Antragsstellenden verschiedene Fragen zum NSU und der rechtsextremen Szene an der Elbe auf, die noch immer nicht beantworten sind. Bis heute wissen die Angehörigen von Taşköprü nicht, warum ihr Sohn, ihr Bruder, ihr Mann oder ihr Vater von dem NSU-Kerntrio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe als Opfer ausgewählt wurde. Könnten Rechtsextreme aus Hamburg Hinweise gegeben oder bei der Tat Unterstützungen geleistet haben?

Das Trio kam zwar aus dem Kameradschaftsnetzwerk „Thüringer Heimatschutz“ (TH), das Konzept der Kameradschaften entwarfen aber die Rechtsextremen Christian Worch und Thomas Wulff aus Hamburg. Die beiden Kader sollen auch in Thüringen Kameradschaftsnetzwerke angeleitet und aufgebaut haben.

Im Antrag für den Ausschuss wird auf eine Aussage des Rechtsextremen und V-Manns des bayrischen Verfassungsschutzes Kai Dalek im NSU-Verfahren hingewiesen. Dalek hatte die bundesweite Bedeutung von Worch und Wulff für die Szene betont und davon gesprochen, „regelmäßig in Hamburg gewesen zu sein, sowie Konflikte innerhalb der rechten Szene ‚bis ganz nach oben, bis nach Hamburg, zu Worch‘ getragen zu haben“. Auch über den „Thüringer Heimatschutz“ wurde den Hamburgern berichtet, weitere Verbindungen werden im Antrag dargelegt.

So ist dort auch aufgeführt, dass das NSU-Kerntrio die Hamburger Strukturen nicht bloß kannte, sondern auch per Brief Geld an das „Deutsche Rechtsbüro“ und die „Nordischen Zeitung“ der „Artgemeinschaft“ verschickte. Ein Zettel mit Versandadressen an der Elbe fand sich im NSU-Versteck.

Struktureller Rassismus

Mit einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss möchten die An­trag­sstel­le­r:in­nen auch die Ermittlungen der Polizei weiter aufarbeiten, die von einem strukturellem Rassismus geprägt seien.

Ein Indiz: Kurz nach der Ermordung sagte der Vater von Süleyman Taşköprü zur Polizei, dass er „zwei weiße deutsche Männer zwischen 25 und 30 Jahren aus dem Laden“ kommen sah, bevor er seinen Sohn fand. Diese Spur wurde nie weiter verfolgt.

Die Bemühungen der NSU-Aufarbeitung werden langsam zum Lackmustest für die Grünen. Erst vor wenigen Tagen beschlossen die CDU-Grünen-Regierung in Hessen, die NSU-Akten weiterhin verschlossen zu halten.

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2 Kommentare

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  • Und? Was war das Ergebnis?

  • Das Argument, etwas nicht mehr einzufordern, weil es in der Vergangenheit keine Mehrheit dafür gegeben hat, ist vielleicht aus pragmatischer Hinsicht überzeugend. Aber eine Partei sollte den Anspruch haben, Mehrheitsverhältnisse zu verändern.

    Leider begnügt sich der Antragstext darauf, auf einer Menge von 176 wohlformulierten Zeilen die Argumente für einen Untersuchungsausschuss aufzuzählen, ohne diesem am Ende einzufordern. Es mag kleinlich klingen, aber ich bevorzuge eher eine unzureichende Forderung eines Änderungsantrages als einen Antrag, der sich lieber an seiner eigenen Rhetorik ergötzt als etwas Greifbares einzufordern (auch wenn mich das mehr enttäuscht als überrascht)