Debatte um Eintrittsgelder: Am Strand sind alle gleich
In Friesland kosten Strände nur für Anwohner keinen Eintritt. Die unterschiedliche Preisgestaltung könnte gegen das Gleichheitsgebot verstoßen.
Janto Just wohnt in Schortens, das ist 14 Kilometer von den Badeorten Hooksiel und Horumersiel-Schilling entfernt. Doch will er dort am Strand spazieren, muss er drei Euro zahlen. „An der ganzen Küste von Emden bis Cuxhaven kommt man fast nirgends kostenfrei an den Strand“, klagt er. „Aber das ist unser Naherholungsraum.“ Und nach dem Bundesnaturschutzgesetz habe jeder das Recht, zur Erholung freie Flächen zu betreten.
Seit Jahren kämpft der Kreispolitiker Just gegen diese Gebühren. Erst im Januar hat er einen Prozess gegen die Nordsee-Gemeinde Wangerland vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg verloren. Doch nun schöpft er durch ein neues Urteil des Bundesverfassunsgerichts (BVG) wieder Mut. Ausgerechnet ein Fall aus Bayern könnte die Strand-Preispolitik an der Nordsee kippen.
Ein Österreicher hatte dagegen geklagt, dass er in einem Thermalbad in Berchtesgaden den regulären Eintritt zahlt, während Einheimische ein Drittel Nachlass gewährt wurde. Die Richter sahen darin eine diskriminierende Preisgestaltung, die gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt.
Zwar dürften Gemeinden ihre Einwohner bevorzugen. Doch für die Ungleichbehandlung Auswärtiger brauche man „hinreichende Sachgründe“. Etwa, wenn es darum ginge, die „sozialen Belange der örtlichen Gemeinschaft“ zu fördern, könnten Einheimische Vorteile bekommen. Das Freizeitbad jedoch, so das BVG, solle gerade Auswärtige ansprechen und sei „auf Überregionalität angelegt“.
120 von 134 Kilometern Strand kosten nach Zählung der Initiative „Freie Bürger für freie Strände“ in Niedersachsen Eintritt. Kostenfrei ist der Strand in Dangast bei Varel.
In den Bädern Hooksiel und Horumersiel-Schilling sind die Strände mit einem Zaun abgesperrt. Von April bis Oktober werden von den rund 170.000 Tagesgästen am Tag drei Euro verlangt.
Touristen, die übernachten, zahlen 2,50 Euro Kurtaxe. Da ist der Strandeintritt mit drin.
Auch in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern gibt es an Stränden Gebühren. Es gibt aber auch viele freie Strände. Manche Gemeinden erheben Parkplatz-Gebühr.
Das kann man genauso auf die Nordsee-Strandbäder übertragen, argumentiert Janto Just, der für die Wählergruppe „Freie Friesländer“ im Kreistag sitzt und der Initiative „Freie Bürger für freie Strände“ angehört. Denn Wangerländer Gemeindemitglieder zahlten nichts für den Strand, er hingegen besagte drei Euro am Tag. Zwar gibt es für Tagesgäste aus den Nachbarkommunen Jever, Schortens, Wilhelmshaven und Wittmund eine Jahreskarte für zehn Euro. Doch Jahreskarten für Auswärtige kosten 45 Euro.
Gemeinde-Bürgermeister Björn Mühlena verweist auf die hohen Kosten für die Pflege der Strände. Beide Abschnitte seien künstlich aufgeschüttet worden. „Das ist hier keine freie Natur. Wir müssen uns das wie ein Freibad am Strand vorstellen“, sagt er. Zudem zahle die Gemeinde eine pauschale Summe an die Wangerland Touristik GmbH, ganz kostenfrei wäre der Eintritt der Einheimischen also nicht.
Der Argumentation schlossen sich auch die Richter in Lüneburg an, als sie im Januar Just Klage abwiesen. Denn bei den Stränden handele es sich nicht um freie, ungenutzte Landschaft, das Gelände sei vielmehr als Strandbad verpachtet. Das gibt es auch in Schleswig-Holstein und Mecklenburg. Nur dass dort große Gebiete frei sind und kaum Zäune existieren.
Janto Just will nun den Bürgermeister beim Wort nehmen. Handle es bei den Strandabschnitten um eine Badeanstalt, müsse gelten, was die BVG-Richter für das bayrische Bad entschieden. Er habe zwei mal drei Euro Eintritt gezahlt und werde versuchen, sie – wie der Österreicher – zivilgerichtlich einzuklagen.
„Wenn die schlau sind, geben sie mir die sechs Euro zurück“. Außerdem will er vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Revision für das abschlägige Urteil des Lüneburger OVG erwirken. „Wenn das nicht wird, steht uns der Weg zum Verfassungsgericht frei“.
Nach seiner Berechnung zahlen die Tagesgäste mit den drei Euro zu viel, denn Übernachtungsgäste zahlen nur eine Kurtaxe von 2,50 Euro. Mit den Einnahmen der Tagesgäste allein würde schon der Löwenanteil des Stranderhaltes bezahlt, die Kurtaxe finanziere andere Tourismusangebote, so Justs Vermutung.
Bürgermeister Mühlena indes spricht von einem „Strohhalm“ den Just nun ergreift, nachdem er zuvor gescheitert ist. Das BVG-Urteil treffe alle Bäder in Deutschland, denn Vergünstigungen seien üblich. „Wir können nicht davon absehen, Standgebühren zu erheben“, sagt Mühlena. Aber nach dem Urteil werde man die gestaffelten Preise prüfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil