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Debatte um EU-Vorgaben für UnternehmenMehrheit der Mittelständler ist für Nachhaltigkeitsregeln

Laut einer Umfrage sind die meisten Firmen gar nicht gegen die Öko-Pflichten, die die EU abschwächen will. Viele sehen sogar Wettbewerbsvorteile.

Kurz vor dem Ende der Lieferkette: Ein Containerschiff auf dem Weg zu seinen Löschplatz in Bremerhaven Foto: Olaf Döring/imago

Berlin taz | Wirtschaftsverbände bejubelten, Umwelt- und Menschenrechtsverbände ärgerten sich über die EU-Kommission, als diese Ende Februar die sogenannte „Omnibus-Verordnung“ vorlegte: ein Gesetzespaket zur Vereinfachung und Abschwächung unternehmerischer Berichtspflichten, wie sie die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD), die Lieferkettenrichtlinie und die Taxonomie-Verordnung vorschreiben.

Wie schief das Bild über die angeblich überbordende Bürokratie durch EU-Regeln ist, zeigt eine neue Umfrage unter über 1.000 mittelständischen Unternehmen in 26 EU-Ländern. Danach sind die Firmen gar nicht so negativ gegenüber der EU-Nachhaltigkeitsberichterstattung eingestellt, wie die aktuelle Debatte um das Omnibus-Verfahren suggeriert.

61 Prozent äußerten sich mindestens „zufrieden“ mit der 2022 verabschiedeten CSRD, nur 17 Prozent „eher unzufrieden“ oder „sehr unzufrieden“. Durchgeführt wurde die Umfrage von der Initiative „We are Europe“, einem Zusammenschluss von Unternehmern, Wissenschaftlern und Beratern, die explizit proeuropäisch eingestellt sind.

Mit der Umfrage zeigten die Unternehmen, dass sie gegen die Bevormundung und das Framing durch die meist konservativ ausgerichteten Firmenverbände seien, „gegen das ständige ‚Technosplaining‘ darüber, wie Unternehmen geführt werden sollten – oder nicht geführt werden sollten“, sagt „We are Europe“-Präsident Alexis Kryceve.

Anders als vielfach diskutiert sehen die meisten Unternehmen die CSRD als Wettbewerbsvorteil: 90 Prozent der Befragten betonten, die Richtlinie stärke die Souveränität und den wirtschaftlichen Einfluss Europas im härteren geopolitischen Wettbewerb. Das Argument, die Richtlinie untergrabe Europas wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit, fand bei 37 Prozent der Befragten Zustimmung.

Ein Viertel der Berichtspflichten soll abgeschafft werden

Insgesamt will die Kommission mit dem Omnibus-Paket ein Viertel der Berichtspflichten für Firmen abschaffen. Die Lieferkettenrichtlinie soll abgeschwächt werden und erst ein Jahr später als geplant in Kraft treten – Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte unlängst gar gefordert, sie ganz abzuschaffen.

Die von der EU vorgeschlagenen Änderungen der CSRD würden den Anwendungsbereich der Richtlinie drastisch einschränken. Statt für Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten soll die CSRD nun ab 1.000 Beschäftigten gelten. Das würde die Zahl der erfassten Firmen um bis zu 85 Prozent senken.

Auch gegen die geplante Verwässerung der Lieferkettenrichtlinie gibt es Einwände. NGOs starteten bereits eine Petition. Zudem warnen internationale Juristen davor, die Richtlinie abzuschwächen, wie der Spiegel berichtet. Nach Ansicht von 31 Autoren eines offenen Briefs würde das Fehlen eines bindenden Rechtsrahmens „direkt zu erhöhten Haftungsrisiken“ für private Unternehmen führen.

Zum Beispiel beim Klimaschutz: Firmen sollen nach den Kommissionsplänen zwar noch eigene Klimaschutzpläne erstellen, aber nicht mehr umsetzen müssen. Gegen die Energiekonzerne Totalenergies und Eni, den Autobauer VW und die Banken BNP Paribas und ING würden bereits Prozesse laufen, in denen es um die Einhaltung des Pariser Weltklimaabkommens gehe.

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8 Kommentare

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  • Also ich als Kleinunternehmer bin manchmal schon etwas genervt von unnötiger Bürokratie. Bei mir hat das dazu geführt, dass ich keine Angebote mehr für öffentliche Auftraggeber erstelle. Auch große Firmen, bei denen man als Subunternehmer sinnlose und kostenintensive Präqualifikationsportale nutzen muss, finde ich überflüssig. Man darf dann dort ankreuzen, ob man sich etwa an Vorschriften hält und ein passendes Sicherheitskonzept hat etc. Oft total überflüssig und im Zweifelsfall kommt man zu einer Qualifizierung, wenn man seine Kreuze an der richtigen Stelle setzt und seine Versicherungsbescheinigungen einreicht.

    Ganz anders ist meine Einstellung, wenn die Bürokratie dazu führt, dass nachvollziehbar Vorteile für Umwelt- oder Sozialstandards entstehen. Denen gegenüber bin ich durchweg positiv eingestellt - selbst wenn das was kostet oder Mühe macht. Hier ist dann nur die Frage des besten Weges zu stellen. Man muss auch dafür nicht endlos doofe Formulare entwickeln, sondern braucht einfache, nachvollziehbare Prüfmechanismen.

  • CSRD ist für die meisten Mittelständler auch kein Problem. Die EU-Taxonomie hingegen ist ein Bürokratiemonster, für das selbst Kafka keine Worte gehabt hätte. Und wie bei vielen Bürokratien gilt auch hier, dass die meisten Betroffenen zwar dem Ziel und dem Sinn der ganzen Angelegenheit zustimmen, über die Umsetzung den Kopf schütteln. Und als jemand, der sich beruflich damit befassen muss kann ich sagen, dass sich viele Mittelständler noch gar nicht en detail mit der EU-Taxonomie beschäftigt haben.

  • Eigentlich diskutieren wir darüber, ob wir unseren Firmen das Recht zugestehen sollen, in unserem Namen korrupt sein zu dürfen, Kinder schuften lassen zu dürfen, die Welt vergiften zu dürfen, und, und, und.

    • @francisco acha-orbea:

      Das haben sie falsch verstanden. Erstens arbeitet keine deutsche Firma in meinem Namen. Zweitens ist Korruption im In- und Ausland strafbar und wird wenn es eine deutsche Firma betrifft, wird es von der deutschen Justiz verfolgt. Dafür braucht es keine Lieferkettenrichtlinie. Gemäß der Lieferkettenrichtlinie müssen die Firmen aber überprüfen, ob ihre Zulieferer z.B. korrupt sind. Es ist die Streitfrage, ob und wie dies mit überschaubaren Aufwand gerichtsfest durchgeführt werden kann. Anscheinend traut man es der lokalen Justiz nicht zu, daher soll unsere Industrie dann die Verantwortung übernehmen.

  • Zum einen war es eine offene Umfrage im Internet, d.h. jeder durfte seine Meinung dazu sagen und anklicken was er wollte. Es ist also nicht die Meinung der Unternehmen (so es denn so etwas geben könnte) sondern einzelner Mitarbeiter. Laut einer Definition arbeiten 74% der Antwortenden im Bereich Sustainability, sie haben sich also gerade den Job ausgesucht, der durch die Berichtspflichten generiert wurde. Klar werden die nicht sagen, dass das abgeschafft werden soll.

  • Na sowas. Ist ja sehr erstaunlich, dass Mittelständler (typischerweise unter 250 Mitarbeitern) den verordneten Wettbewerbsnachteil ihrer größeren Konkurrenten begrüßen.

  • So isses. Transparente erreichbare und vor allem möglichst gleiche Regeln ermöglichen ein Ende von Ökodumping und anderen Missständen. Auch für redliche Unternehmen ein klarer Vorteil.

    • @Janix:

      Vor allem für redliche Firmen. Diese Tugend braucht anscheinend keiner.