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Debatte um Benin-BronzenEin wahres Kunststück

Sind deutsche Museen bereit, Raubkunst an Nigeria zurückzugeben? Ein Spitzentreffen in Berlin könnte den Durchbruch in der Debatte bringen.

Diese Altargruppe (Ausschnitt) erwarb Berlin 1898 über den deutschen Konsul in Lagos, Eduard Schmidt Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum/Claudia Obrocki

Berlin taz | In Sachen Benin-Bronzen könnte an diesem Donnerstag in Berlin Geschichte geschrieben werden. Auf Einladung von Kulturstaatssekretärin Monika Grütters (CDU) treffen sich alle deutschen Museen, die solche Objekte in ihren Sammlungen haben, plus die Vertreter aus Bund, Ländern und Kommunen sowie das Auswärtige Amt. Das Ziel: eine gemeinsame Haltung finden für den Umgang mit der weltberühmten Raubkunst, die Nigeria seit Langem zurückfordert und über die es zuletzt wieder heftige Debatten gab. Die Erwartungen sind hoch: Werden nun erstmals von verantwortlicher deutscher Seite verbindlich Rückgaben angeboten? Es wäre eine kleine Sensation.

Als „Benin-Bronzen“ wird ein mehrere Tausend Objekte umfassendes Konvolut von Skulpturen, Reliefs, Schmuck und Kostbarkeiten aus dem 16. bis 19. Jahrhundert bezeichnet, die vor allem aus Bronze bestehen. Ein Großteil davon wurde geraubt, als englische Soldaten 1897 die Königsstadt Benin und den Palast im heutigen Nigeria plünderten. Berlin „besitzt“ nach neuester Zählung 505 Objekte, das ist die zweitgrößte Sammlung nach dem British Museum. Auch die Museen in Hamburg, Leipzig, Dresden, Köln und Stuttgart haben Benin-Objekte.

Hoffnungen auf eine innerdeutsche Einigung, wie man mit dem umstrittenen Besitz umgehen soll, äußerte auf taz-Anfrage Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), der unter anderem das Ethnologische Museum Berlin und damit die hiesige Benin-Sammlung „gehört“: Wir wollen und müssen […] gemeinsam die Bereitschaft für Rückgaben erklären. Die Eroberung und Plünderung von Benin City war Teil des Unrechts des europäischen Kolonialismus.“

Auch die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) forderte, „dass wir in dieser Runde bereits konkrete Vereinbarungen treffen, eine Selbstverpflichtung eingehen sollten“. Bauer legte den anderen Teilnehmern des Treffens eine „Roadmap“ vor, nach der bis Ende 2022 ein Konzept erarbeitet wird, „das konkrete Verfahren und Zeitpläne für die Rückführung von Kulturgut nach Nigeria beinhaltet“. Gelinge dies nicht, so Bauer, werde Baden-Württemberg Objekte im Alleingang zurückgeben.

„Gemeinsame Haltung entwickeln“

Der Berliner Grünen-Abgeordnete Daniel Wesener, Sprecher seiner Fraktion für den Bereich Kultur, sagte der taz, ein verbindlicher Zeitplan für Rückgaben sei richtig – ebenso die Ankündigung, dies notfalls auch ohne bundesweite Einigung zu tun. „Ich erwarte, dass sich auch das Land Berlin entsprechend positioniert, zumal es als Standort der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und des Humboldt Forums ganz besonders in der Verantwortung steht.“

Auch Parzinger, der für die SPK an dem Treffen teilnimmt, nannte die Roadmap „den richtigen Weg“. Wichtig sei aber, dass die Museen in Deutschland, die Benin-Bronzen besitzen, und deren Träger „gemeinsam eine Haltung entwickeln und nächste Schritte vereinbaren“.

Eine gemeinsame Haltung hatten die deutschen – und europäischen – Museen bisher durchaus: Forderungen nach Rückgaben, die Nigeria seit den 1960er Jahren immer wieder artikuliert hat, wurden abgelehnt, ebenso wie die anderer ehemals kolonisierter Länder, die Kunstwerke und Ethnografica zurückhaben wollten. Die SPK tat sich hierbei in den 60er bis 80er Jahren besonders hervor, wie die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy in ihrem Buch „Afrikas Kampf um seine Kunst“ gerade nachwies.

Nach jahrelangen Diskussionen über das Humboldt Forum und seine künftigen Inhalte agierte die SPK zuletzt defensiver, blieb aber vage. Es gebe ja gar keine offizielle Rückgabeforderung Nigerias, hieß es noch 2020, oder: Rückgaben seien „eine Option“. Man betonte zugleich, dass man Teil der Benin-Dialogue-Group sei, in der seit nunmehr zehn Jahren europäische Museen mit ihren nigerianischen Gegenübern verhandeln. Von Rückgaben ist dort allerdings noch immer nicht die Rede, lediglich von „Leihgaben“ oder „Dauerleihaben“ für das neue Museum in Benin City, das 2024 fertig sein soll.

„Schabowski-Moment der Restitutionsdebatte“

Neue Fahrt bekam die Debatte, weil zuletzt immer mehr Stimmen laut wurden, die wie Savoy meinen, Benin-Bronzen dürften im Humboldt Forum, wo die ethnologischen Ausstellungen im September eröffnen sollen, aus ethischen Gründen gar nicht mehr gezeigt werden. Doch war die Überraschung groß, als der Chef des Humboldt Forums, Helmut Dorgerloh, vor einigen Wochen sagte, er erwarte eine Entscheidung über Rückgaben noch vor September. War dies die lange erwartete Ankündigung?

Dorgerloh hat dies gar nicht zu entscheiden. Dennoch ist die Frage nun wieder in aller Munde – und von den Museen über Staatsministerin Grütters bis zum Außenminister werden (neue) Antworten verlangt. Der Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer nannte die Lage in Anspielung an den berühmten Versprecher am Abend des Mauerfalls den „Schabowski-Moment der deutschen Restitutionsdebatte“.

Auch bei der SPK weiß man, dass es so wie bisher nicht weitergeht. Heute sagt Parzinger, die SPK habe „wiederholt ihre Bereitschaft zu substantiellen Rückgaben bekundet“. Was das genau bedeute, müsse im Dialog mit den Nigerianern geklärt werden, „um deren Wünschen und Zielen angemessen Rechnung zu tragen“. Gleichzeitig beharrt er darauf, dass Benin-Bronzen zunächst im Humboldt Forum gezeigt werden.

Rund die Hälfte der Berliner Benin-Objekte soll im rekonstruierten Schloss ausgestellt werden. Zwei Säle wird der Benin-Teil umfassen – einer davon, und dies sei schon lange so geplant, werde sich nur mit der Geschichte der kolonialen Zerstörung des Königreichs befassen und mit der „Verstreuung der königlichen und historischen Kunstwerke über die ganze Welt“, sagte der Kurator der Benin-Ausstellung, der Kunsthistoriker Jonathan Fine vom Ethnologischen Museum, der taz. Auch er findet, man müsse die Bronzen in Berlin ausstellen: „Gerade weil man sie zurückgeben wird, muss man sie jetzt zeigen, um die Thematik für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“

Tatsächlich könnte dies für die SPK, das Humboldt Forum und andere Museen mit Benin-Bronzen der Ausweg sein, um ohne Gesichtsverlust die jahrelange Debatte zu beenden: ein umfassendes und verbindliches Rückgabeangebot, verbunden mit dem Wunsch, die zu Unrecht in Besitz genommenen Objekte noch einmal hierzulande auszustellen.

Einen solchen Deal würden die Nigerianer wohl kaum ausschlagen.

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5 Kommentare

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Ein Großteil davon wurde geraubt, als englische Soldaten 1897 die Königsstadt Benin und den Palast im heutigen Nigeria plünderten. Berlin „besitzt“ nach neuester Zählung 505 Objekte, das ist die zweitgrößte Sammlung nach dem British Museum.

    Na bitte, sollen die Briten dafür gerade stehen. Wieso wir?

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Wie sollen die Britten etwas zurückgeben was wir haben? Letztendlich ist es Hehlerwahre. Geraubt und verkauft. Wer sowas kauft muss die Konsequenzen tragen.

  • Die Benin-"Bronzen" bestehen fast ausnahmslos aus Messing, einfach deshalb, weil dies das für filigranen Feinguß geeignetste Material ist. Genau deshalb wird es auch für z.B. kompliziert geformte Wasserhähne gewählt.



    Im übrigen interessiert es mich eher wenig, ob der "Schatz des Priamos" in Berlin oder in Moskau liegt. Worauf es ankommt ist allein, daß er unter optimalen Erhaltungsbedingungen gelagert wird und der forschenden Wissenschaft bei Bedarf zugänglich ist. An zweiter Stelle dahinter sollte er in der Öffentlichkeit zugänglicher Weise ausgestellt werden. Kann Nigeria das garantieren? Wenn ja sollen die Stücke dorthin kommen, wenn nein, dann besser nicht. Athen zeigt aktuell Gipsabgüsse der "Elgin Merbles" neben im Land verbliebenen Originalen. Der direkte Vergleich zeigt überdeutlich, wo mit ihenn sorgfältiger umgegangen wurde. Die Origianle sind zur Unkenntlichkeit verwittert.

    • @Axel Berger:

      Die Nigerianer müssen gar nichts garantieren. Es ist ihr Eigentum. Erst rauben, dann zum teuren Kulturgut erklären und nun sagen sie bekommen es nur zurück wenn sie beweisen das es in guten Händen ist? Die Zustände in Nigeria sind wie sie sind durch Kolonialismus und Neokolonialismus. Wie sie mit ihren Kulturgütern umgehen geht uns rein gar nichts an.

    • 7G
      75787 (Profil gelöscht)
      @Axel Berger:

      Der nigerianische Künstler und Kurator Chika Okeke-Agulu hat zu dieser Logik folgendes gesagt: Die Rückgabe der Artefakte von den Zuständen in ihren Herkunftsländern abhängig zu machen, sei „wie jemand das Auto zu klauen, und es nur unter der Bedingung zurückgeben zu wollen, dass der Besitzer seine Garage repariert“

      www.fr.de/kultur/k...ropa-90095026.html