Debatte über hohe Strompreise: Parteien sind total elektrisiert

Umlage einfrieren! Stromsteuer runter! Privilegien weg! Die Parteien schmieden im Eifer des Gefechts seltsame Bündnisse im Strompreis-Streit.

Keine sonnigen Aussichten für die Windkraft Bild: dpa

Zum Beispiel die Grünen. Ihr Fraktionschef Jürgen Trittin fordert, Strompreisvergünstigungen für bestimmte Firmen zu streichen. Der Preis könne um einen Cent je Kilowattstunde gesenkt werden, „wenn man die Ausnahmen für Pommesfabriken, Schlachthöfe und andere auf das Maß reduziert, was vor Schwarz-Gelb der Fall war“, argumentierte Trittin.

Mit diesem Vorschlag steht der Grüne nicht alleine da. CDU-Umweltminister Peter Altmaier will ebenfalls Ausnahmeregelungen für Firmen reduzieren.

Dieser Hauch von Schwarz-Grün ist typisch für den wirren Streit über Strompreise und das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), den ein Vorstoß Altmaiers entfacht hat. Alle Parteien fürchten die Wählerwut über explodierende Preise, und gerade weil sie sich voneinander abgrenzen wollen, ergeben sich seltsame Bündnisse.

Ein Überblick über eine nicht unkomplizierte Gefechtslage im beginnenden Wahlkampf:

Altmaiers Vorschlag: Altmaier will mit einer „Strompreissicherung“ einen absurden Effekt bekämpfen. Weil es immer mehr Ökostrom aus Wind oder Sonne gibt, fallen die Preise an der Strombörse. Ökostrom-Produzenten bekommen eine auf 20 Jahre garantierte Abnahmevergütung, die höher als der Marktpreis ist. Die Differenz zwischen Vergütung und Marktpreis wird über die EEG-Umlage auf die Verbraucher verteilt. Fallende Börsenpreise erhöhen also die Umlage und verteuern so den Preis für den Endverbraucher.

Altmaier will nun die Umlage deckeln, neue Ökostrom-Anlagen mit Verzögerung vergüten und für bestehende Anlagen nachträglich eine Sonderabgabe, den EEG-Soli, einführen. Ach ja, und er will Industrieprivilegien abschaffen – wie Trittin. Altmaiers Plan regt seit Tagen die Strategen und Experten sämtlicher Parteien auf.

FDP gegen CDU: Eine interne Bewertung des Wirtschaftsministeriums, die der taz vorliegt, lässt kein gutes Haar an Altmaiers Ideen. Ein Energie-Soli berge „höchste rechtliche Risiken“, heißt es darin. Die Vorschläge erschienen „noch nicht ausgereift“.

FDP-Minister Philipp Rösler wirbt stattdessen für eine Senkung der Stromsteuer. Dies ist das Prinzip Gießkanne: Haushalte mit niedrigen Einkommen würden profitieren, aber auch reiche Haushalte und Unternehmen. Dem Staat entgingen Einnahmen, die derzeit in die Rentenkasse fließen. Außerdem plädiert Rösler für eine Großreform der EEG-Förderung.

SPD mit der FDP: Auch die SPD hat ihre Leidenschaft für eine Stromsteuer-Senkung entdeckt. Parteichef Sigmar Gabriel warb dafür, Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ebenso.

Um steigende Belastungen abzufedern, könnten „steuerfreie Kontingente beim Stromverbrauch für sozial Schwache“ eingeführt werden, sagte Steinbrück Spiegel Online. In der SPD war die Rede davon, die Steuer für 1.000 Kilowattstunden Verbrauch pro Person zu streichen. FDPler wie Christian Lindner lobten die SPD umgehend.

SPD gegen Grüne: Trittin geißelte Ideen, die Steuer zu senken. Dies führe nur zur Erhöhung der von den Konzernen einbehaltenen Gewinne. „Diese Konzerne geben ja schon rund drei Milliarden Euro, die durch die gesunkenen Einkaufspreise für Strom bei ihnen gelandet sind, nicht weiter.“ Ach ja, es gibt noch einen Dissens: Während die SPD aus Angst vor Jobabbau Industrieprivilegien nicht kappen will, sind die Grünen dafür. Wie Altmaier. Aber das hatten wir ja schon.

Grüne gegen CDU: Die Grünen sehen in dem Vorstoß viel mehr als einen Preisstreit. „Altmaiers Pläne sind ein brachialer Angriff auf die Energiewende“, sagt Hans-Josef Fell, Energieexperte der Grünen-Fraktion. „Wer den Vergütungsbeginn bei Windparks verzögert, stoppt faktisch Neubauten.“

Wenn Firmen nicht Einnahmen kalkulieren könnten, fänden sie keine finanzierende Bank und sparten sich lieber das Risiko, so Fells Befürchtung. Mit dieser Prognose ist er nicht allein. Die Deckelung wirke als Neubaustopp, analysiert auch das Papier des, äh, stimmt: FDP-geführten Wirtschaftsministeriums.

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