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Debatte über Maskenpflicht an SchulenAuf den Mund geschaut

An einigen Berliner Schulen sollen die Kinder einen Mund-Nase-Schutz tragen – entgegen der Vorgabe der Bildungsverwaltung.

Viele LehrerInnen tragen einen Mund-Nase-Schutz. Und die SchülerInnen? Foto: dpa

Berlin taz | Dies sind unsichere Zeiten: Was gestern Gewissheit war, kann heute schon von gestern sein. Und was vorgestern überflüssig war, ist nun ein Must-have in der Coronapandemie. Etwa der Mund-Nase-Schutz, umgangssprachlich Maske genannt. In Geschäften sowie Bus und Bahn muss er inzwischen getragen werden, weil dort der Abstand von 1,50 Metern nicht eingehalten werden kann, so die Begründung des Senats; in Schulen hingegen nicht. Vielleicht ja: noch nicht.

Denn nicht alle Schulen halten sich an die Vorgabe der Bildungsverwaltung von Senatorin Sandra Scheeres (SPD). Sie „empfiehlt keinen Maskengebrauch für Schülerinnen und Schüler“, wie Sprecher Martin Klesmann auf taz-Anfrage mitteilte.

Doch in einem aktuellen Brief an die Eltern einer mit rund 500 SchülerInnen vergleichsweise großen Grundschule in Prenzlauer Berg heißt es: „Obwohl wir keine Maskenpflicht haben, überzeugen Sie bitte die Kinder, eine Maske zu tragen, damit wir alle gesund bleiben.“ Und der Rektor wird noch deutlicher: „Nur wenn alle eine Maske tragen, hat das Ganze einen Sinn.“ Man könnte das moralische Maskenpflicht nennen.

Die Grundschule ist kein Einzelfall. In vielen Schulen ist darüber diskutiert worden, in manchen müssen Kinder und Jugendliche einen Mund-Nase-Schutz tragen, etwa in der Hofpause oder wenn sie Klassenräume wechseln. Doch das Thema ist heikel: Nicht jede/r betroffene Lehrerin oder Rektorin will sich öffentlich dazu äußern. Es gibt Eltern, die eine solche Pflicht vehement einfordern, genauso wie Eltern, die sie ebenso deutlich ablehnen.

16 Euro für zwei Masken

Das weiß man auch in der Bildungsverwaltung. Sprecher Klesmann ergänzt deswegen: „Wir raten nicht von Maskengebrauch ab.“ Lehrkräften werde zudem pauschal 16 Euro für den Erwerb von zwei wiederverwertbaren Atemschutzmasken bezahlt. Eine Nicht-Fisch-nicht-Fleisch-Position, die manche RektorInnen sauer werden lässt; schließlich gibt es in der aktuellen Coronasituation viele weitere Unklarheiten.

Klarer äußert sich die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). „Wir sind gegen eine Maskenpflicht“, betont Landeschef Tom Erdmann. Denn die müssten die PädagogInnen dann auch durchsetzen. Die Gewerkschaft sei generell gegen einen Mund-Nase-Schutz, unter anderem aus pädagogischen Gründen. „Man sieht das Gesicht dann nicht mehr richtig. Aber Pädagogik funktioniert eben auch über Mimik und Gestik“, sagt Erdmann. Die „sowieso schon gespenstische Situation in den Schulen“ würde durch den Gebrauch von Masken noch verstärkt.

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2 Kommentare

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  • Wenn die Kinder Maske tragen und man Mimik und Gestik nicht sieht, ist das pädagogisch nicht optimal. Man sollte aber von gut ausgebildeten und hochbezahlten Pädagogen erwarten, dass sie ihre Arbeit in dieser besonderen Situation für ein paar Wochen trotzdem hinbekommen.

  • Das eigentliche Problem und ein wirklicher Skandal ist, dass die Vorgaben der Senatsverwaltung nicht auf dem Stand der Forschung sind: Die Corona-Ansteckung läuft zu etwa gleichen Teilen über Tröpfcheninfektion und über Aerosole, und nur zu geringem Anteil über Schmierinfektion. Von Aerosolen ist im Hygieneplan der Senatsverwaltung für die Schulen aber mit keinem Wort die Rede, sondern von Tröpfcheninfektion und Schmierinfektion, weswegen Abstand und Händewaschen zentral gesetzt werden. (Immerhin wird häufiges Lüften empfohlen.) Deshalb werden Masken natürlich dringend benötigt, denn ohne Masken und lange in einem Raum werden die Kinder durch die entstehende hohe Aerosolkonzentration in der Raumluft einem hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt. Skandalisiert werden dürfen also nicht diejenigen Schulen, die Maskenpflicht umsetzen und damit Leben schützen, sondern die mangelhaften Vorgaben der Senatsverwaltung und der fehlende Protest aus den Schulen, den Verbänden und der Elternschaft!