Altersvorsorge: Ökonomen warnen vor Rentenpaket der Bundesregierung
RegierungsberaterInnen positionieren sich für und gegen das Rentenpaket. Die Grünen wollen mit einem Rentenniveau von 48 Prozent Altersarmut begrenzen.
Die Renten-Debatte zieht weitere Kreise. Auch unter ÖkonomInnen, die die Bundesregierung beraten, geht es hin und her. Während 22 ForscherInnen den Stopp des Rentenpakets der Regierungskoalition fordern, sagt Professor Jens Südekum von der Uni Düsseldorf: „Man darf es jetzt nicht kassieren, nur weil die Junge Union nicht mitmachen will.“
Südekum, Berater von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD), plädiert dafür, zuerst das aktuelle Paket zu beschließen und dann die kommende „Kommission eine grundlegende Reform ausarbeiten“ zu lassen. Dabei baut er beiden Seiten jedoch eine Brücke: „In diesem Zuge ließe sich auch das aktuelle Paket noch mal verändern.“
In ihrem Rentenpaket haben die Spitzen von Union und SPD sowie das Bundeskabinett folgendes beschlossen: Bis 2031 bleibt das Rentenniveau bei 48 Prozent des Arbeitseinkommens. Bis dahin wirkt der einst eingeführte Nachhaltigkeitsfaktor nicht, der das Niveau eigentlich absenkt, um die Kosten zu drücken. Nach 2031 soll das Niveau dann aber allmählich zurückgehen. Gleichzeitig wird jetzt die Mütterrente ausgeweitet, was 5 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich kostet. Die Aktivrente soll außerdem dafür sorgen, dass mehr Ältere arbeiten, die Frühstartrente dafür, dass schon junge Leute privat vorsorgen.
„Sonst wird das System zu teuer“
Nach dem Beschluss dieses Pakets soll eine Kommission aus Fachleuten eine große Reform entwerfen. Südekum teilt den Ansatz mehr oder weniger: „Nach 2031 geht kein Weg daran vorbei, das Rentenniveau von 48 Prozent abzusenken.“ Dann müsse auch der ausgesetzte Nachhaltigkeitsfaktor wieder gelten. „Sonst wird das System zu teuer.“
Die Junge Union will die Kosten dagegen schneller und deutlicher absenken. Sie fordert, das Rentenniveau 2031 auf 47 Prozent zu drücken und danach per Nachhaltigkeitsfaktor weiter zu reduzieren. Das soll den jüngeren Generationen Kosten sparen. Die Gruppe der Jungen Union verfügt über 18 Sitze im Bundestag und droht, das Paket der Bundesregierung abzulehnen.
Diese inhaltliche Position unterstützen nun 22 ÖkonomInnen, darunter Monika Schnitzer, die Chefin der Wirtschaftsweisen, Clemens Fuest vom ifo-Institut in München und Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Sie schreiben: „Das Rentenpaket sollte deshalb in Gänze zurückgezogen werden.“ Für „Stabilität, Verlässlichkeit und Vertrauen braucht es eine Rentenpolitik mit langem Atem, die berechenbar und fiskalisch nachhaltig ist.“
Die Jüngeren stehen unter Druck
Außerdem heißt es, das Paket der Regierung verschärfe „die demografisch bedingten strukturellen Probleme des Rentensystems, und es käme zu einer zusätzlichen Lastenverschiebung zwischen den Generationen – zulasten der Jüngeren, die schon heute unter steigendem finanziellen Druck stehen.“
Währenddessen hat die grüne Fraktionsspitze im Bundestag einen Vorschlag für die Rentenreform vorgelegt. Sie wollten „dauerhaft ein stabiles Rentenniveau von 48 Prozent sichern und gleichzeitig die jungen Generationen entlasten“, schreiben Katharina Dröge, Britta Haßelmann und Andreas Audretsch. Sie wenden sich dagegen, das Rentenniveau zu drücken: „Schon heute gelten Millionen Rentner:innen als armutsgefährdet, Frauen erhalten im Schnitt deutlich geringere Renten.“
Als „zentrale Stellschraube“ nennen sie „ein höheres faktisches Renteneintrittsalter – ohne das gesetzliche Rentenalter weiter anzuheben“. Dazu wollen sie „Fehlanreize wie Frühverrentungsprogramme abbauen“ und die Rente mit 63 „gezielt zu einer Absicherung für Menschen umzugestalten, die aus gesundheitlichen Gründen früher aus dem Erwerbsleben ausscheiden müssen“.
Mehr Erwerbsarbeit von Frauen ermöglichen
Um mehr Einnahmen zur Verfügung zu haben, wollen sie „mehr Erwerbsarbeit von Frauen ermöglichen, Zuwanderung erleichtern und zusätzliche Gruppen“ wie Selbstständige, neue Beamte und Abgeordnete in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen. Außerdem schlagen sie einen „Neustart der privaten Altersvorsorge mit einem kostengünstigen, öffentlich verwalteten Bürger:innen-Fonds“ vor, der besser funktioniert als die Riester-Rente.
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