Debatte Uno-Konferenz gegen Rassismus: Sinnlose Grabenkämpfe
Die UNO-Konferenz gegen Rassismus wird für andere Zwecke instrumentalisiert. Abhilfe könnte eine Konferenz zur Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts schaffen.
Die für Ende April in Genf geplante Antirassismuskonferenz der UNO droht - wie bereits so viele UNO-Treffen der Vergangenheit - völlig durch den Nahostkonflikt überlagert, ja blockiert zu werden. Einige Staaten haben bereits ihren Boykott der Konferenz angekündigt oder angedroht. Konstruktive Debatten zum Thema Rassismus werden in Genf kaum mehr möglich sein. Es wäre besser, die Konferenz jetzt abzusagen und stattdessen eine Konferenz für eine gerechte Zweistaatenlösung des israelisch-palästinensischen Konflikts einzuberufen.
In Genf sollten die 192 UNO-Staaten die Umsetzung des Aktionsplans überprüfen, den sie zwei Tage vor den Terroranschlägen vom 11. September 2001 auf der "Weltkonferenz der UNO gegen Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängende Formen der Intoleranz" im südafrikanischen Durban verabschiedet hatten. Manche der Staaten, die dort als Wortführer der antirassistischen Agenda auftraten, wie Iran, Libyen, Kuba und Simbabwe, waren seit Jahren diktatorisch regiert und als notorische Menschenrechtsverletzer bekannt. Rassistische und antisemitische Positionen und Argumente drohten in das Abschlussdokument von Durban Eingang zu finden. Auch wenn dies dann nicht geschah, war bereits im Vorfeld der Konflikt darüber so stark eskaliert, dass die Vereinigten Staaten und Israel die Konferenz schließlich verließen. Insgesamt brachte sie dennoch entscheidende Fortschritte in der Menschenrechtsdebatte. In ihrem Abschlussdokument verwarf die Konferenz rassistische Ideologien in all ihren Varianten, ganz gleich ob sie sich auf biologische, kulturelle oder auch religiöse Unterschiede zwischen den Menschen berufen. Geächtet wurden insbesondere Apartheid, Sklaverei, Sklavenhandel und Kolonialismus. Die Rechte indigener Völker wurden in die Agenda des UNO-Menschenrechtssystems aufgenommen, die Rechte von Menschen afrikanischer Herkunft sowie der Sinti und Roma und die Situation von Flüchtlingen und Migranten. In seinem Aktionsprogramm enthält das Abschlussdokument von Durban eine lange Liste von Vorschlägen, die durch die 192 Mitgliedsstaaten umgesetzt werden sollen. Dies verläuft bislang allerdings schleppend. Zudem sind seit dem 11. September 2001 insbesondere im Zusammenhang mit dem "Krieg gegen den Terrorismus" und der zunehmenden Konfrontation zwischen islamischen und westlich-christlichen Staaten neue rassistische Praktiken, Stereotype und Wahrnehmungen entstanden.
Doch zu einer konstruktiven, auf Problemlösungen und Fortschritte in der Umsetzung der Menschenrechte zielende Debatte über diese Themen wird es in Genf kaum kommen. Denn zu viele Akteure missbrauchen die Konferenz für die Austragung des Nahostkonflikts. Diese Kritik gilt in erster Linie den arabischen und islamischen Staaten unter Führung von Libyen, Iran und Pakistan, die im Abschlussdokument der Konferenz ausschließlich Israel wegen seiner völkerrechtswidrigen Besatzungspolitik und des jüngsten Gazakrieges verurteilen wollen. Zudem wollen die Regierungen dieser Länder jegliche Kritik am Islam sowie die ihnen nicht genehme Darstellung ihrer Religion in Bild, Schrift und Ton als "Rassismus" ächten, um dadurch die Unterdrückung von Meinungsfreiheit und innenpolitischer Opposition vor der Weltgemeinschaft rechtfertigen zu können.
Aber auch der in Deutschland und anderen Staaten laufenden Boykottkampagne geht es nicht um das eigentliche Thema der Konferenz, sondern darum, die israelische Regierungspolitik vor jedweder Kritik zu schützen, und sei diese noch so sehr gerechtfertigt. Zu diesem Zweck verwendet die Boykottkampagne in ihren Materialien und Internetauftritten illegalerweise das geschützte Symbol der UNO.
Jene Regierungen, die bisher unter Berufung auf die israelkritischen Passagen im ursprünglichen Entwurf für das Abschlussdokument angekündigt oder angedroht haben, nicht an der Konferenz teilzunehmen, handeln zum Teil auch aus anderen Motiven. Die Regierung Berlusconi etwa müsste mit erheblicher Kritik an ihren rassistischen Praktiken gegenüber afrikanischen Flüchtlingen oder Roma und Sinti rechnen. Die USA und Kanada sähen sich - wie schon in Durban 2001 - wegen der Behandlung ihrer indianischen Ureinwohner an den Pranger gestellt. Dabei fällt auf, dass keiner der Staaten, die die Genfer Konferenz kritisieren, einen nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung des Rassismus vorgelegt hat - das aber war die in Durban 2001 eingegangene Verpflichtung.
Kritik an rassistischen Praktiken und anderen Menschenrechtsverletzungen ist heute fast nur noch glaubwürdig, wenn sie von unabhängigen Nichtregierungsorganisationen wie Human Rights Watch, Amnesty International und anderen geäußert wird. Die Regierungen des von den USA geführten Westens haben ihre menschenrechtliche Glaubwürdigkeit im "Rest" der Welt vor allem durch ihre Politik hinsichtlich des israelisch-palästinensischen Konflikts beschädigt. Der Hinweis auf die "Doppelstandards" des Westens erleichtert es den autokratischen Regimen in der arabischen und islamischen Welt, Kritik an eigenen Menschrechtsverletzungen zurückzuweisen und den Nahostkonflikt für ihre eigenen Machterhaltungsinteressen zu instrumentalisieren.
Unter diesen Umständen wird auch ein weiteres Feilschen um Kompromisse in der Formulierung des Abschlussdokuments der Genfer Konferenz kaum die Grundlage für konstruktive Gespräche schaffen. Das zeigt die Erfahrung mit zahlreichen anderen UNO-Treffen der Vergangenheit, die ebenfalls durch den Nahostkonflikt dominiert, beeinträchtigt oder völlig blockiert wurden. Das gilt auch für die Debatten in dem vor drei Jahren neu gegründeten Menschenrechtsrat der UNO.
Daher wäre es besser, die Überprüfungskonferenz zu Durban jetzt abzusagen. Allerdings nicht ersatzlos. An ihrer Stelle sollte endlich eine UNO-Konferenz einberufen werden, die eine gerechte Zweistaatenlösung des israelisch-palästinensischen Konflikts auf Basis der Grenzen von 1967 herbeiführt. Das Grundlagendokument für eine solche Konferenz müsste nicht mal mehr ausgehandelt werden. Es liegt mit der von Palästinensern und Israelis unter Schweizer Unterstützung ausgehandelten "Genfer Initiative" vom Dezember 2003 bereits vor. Nur mit einer solchen Nahostkonferenz, zumal wenn sie von der Obama-Administration initiiert würde, ließe sich endlich die notwendige Veränderungsdynamik erzeugen: in den arabischen Staaten, in Israel sowie bei den palästinensischen Organisationen Hamas und Fatah. Nur so würde endlich der notwendige Druck sowohl auf diejenigen in der Hamas und anderswo erzeugt, die das Existenzrecht Israels bestreiten, als auch auf die Parteien und PolitikerInnen in Israel, die einen palästinensischen Staat ablehnen. Und damit würde endlich auch in die weitgehend ritualisierten Debatten und erstarrten internationalen Fronten innerhalb wie außerhalb der UNO Bewegung gebracht. Ohne eine solche Initiative für eine Nahostkonferenz wird es künftig noch häufiger sinnlose diplomatische Grabenkämpfe geben wie jetzt um die Genfer Rassismuskonferenz.
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