Debatte US-Regierung 2014: Jetzt muss sich Obama was trauen

Was bringt 2014 für Barack Obama? Für die Behauptung, der Präsident könne keine größeren Initiativen mehr starten, ist es jedenfalls viel zu früh.

Bevor er Tschüss sagt, kann er noch was reißen: Barack Obama. Bild: reuters

Viele US-Amerikaner sind leidenschaftliche Hasser. Sie hegen und pflegen uralte Antagonismen. 25 bis 30 Prozent der Bevölkerung haben sich mit einem afroamerikanischen Präsidenten immer noch nicht abfinden können, trotz seiner weißen mütterlichen Wurzeln im Mittleren Westen. Dann ist da noch die Gesellschaft, die er pflegt – gebildete, unabhängige Frauen, Latinos, junge Leute, Künstler, Entertainer, Ärzte und Wissenschaftler, Schriftsteller und erfolgreiche Unternehmer.

Die Obama-Hasser eint die Überzeugung, dass sie die Kontrolle an Leute abgegeben haben, die sie entweder nicht kennen oder nicht leiden können. Egal, was Obama tut: Sie werden nie ein gutes Haar an ihm lassen. Viele kommen aus Staaten, die Nettoempfänger staatlicher Zuwendungen sind, also weniger Geld nach Washington abgeben als sie von dort bekommen, in denen aber die dümmsten und ignorantesten politischen Kandidaten erfolgreich Wahlkampf gegen „den Staat“ machen können.

Im November stehen Kongresswahlen an. Um ein bisschen Handlungsspielraum in den letzten zwei Jahren seiner Amtszeit zu haben, muss Obama die demokratische Mehrheit im Senat verteidigen und eine ganze Menge Sitze im republikanisch kontrollierten Repräsentantenhaus hinzugewinnen. Im Augenblick führen die Republikaner in den Umfragen, die Zustimmungsraten zum Präsidenten sind niedrig. Trotzdem haben die Demokraten Chancen, sich zu erholen.

Der Präsident und seine Partei könnten im Süden hinzugewinnen, dem Epizentrum des Widerstands. Bei der Nachwahl in Virginia 2013 haben die Demokraten, die beide Senatssitze des Bundesstaates halten, auch den Gouverneurssitz gewonnen. Sie verdanken das der afroamerikanischen Bevölkerung, jüngeren Latino-Immigranten und der guten Meinung, die jene von der Regierung haben, die zum Orbit Washingtons gehören. Tatsächlich durchläuft der gesamte Süden mit seiner Urbanisierung, den Einwanderungsbewegungen und dem Aufstieg einer gebildeten Bevölkerungsschicht einen Prozess der Homogenisierung.

Republikaner, Gesundheit und Arbeitslose

Aber das braucht Zeit. Die Konzentration weißer, bibeltreuer Protestanten, die den neuen Papst für einen „Marxisten“ halten, ist ein Hindernis. Der Präsident wird Unterstützung mobilisieren müssen – aus dem Mittleren Westen (in dem die Industrie allmählich verschwindet wie in Detroit), in den demokratischen Städten der Westküste, im Nordosten.

Eine schwierige Aufgabe. Demokratische Kandidaten können ihren Wahlkampf den jeweiligen Umständen in ihrem Bundesstaat anpassen; der Präsident braucht eine landesweite Message. Im Moment kämpft er noch mit den Schwierigkeiten der Gesundheitsreform. Im Vergleich zu den Versicherungssystemen anderer Industrienationen einschließlich Kanada steckt das Projekt voller Defizite, aber im Vergleich zu vorher ist es eine Verbesserung. Der Präsident muss die verwirrte Öffentlichkeit davon überzeugen, dass die Reform gut für sie ist.

Viel schwerwiegender ist allerdings der viel zu langsame Aufschwung bei den Arbeitslosenzahlen. Die Republikaner im Kongress blockieren Bundesausgaben, wo immer sie können. Das US-Kapital denkt gar nicht daran, der Nation durch die Mobilisierung seiner angehäuften Finanzmittel zu Hilfe zu kommen.

Die Schwächung der Republikaner im Kongress ist Vorbedingung für den wirtschaftlichen Erfolg, um weitere Bundesmittel zur Ankurbelung bereitzustellen. Obama hat ein Projekt zur Reduzierung der wachsenden Verteilungsungleichgewichte angekündigt. Ein ziemlicher Teil der Verfügungsgewalt des Präsidenten unterliegt nicht der Zustimmungspflicht des Kongresses. Er muss nur bereit sein, diese Exekutivmacht zu nutzen.

Obama braucht Unterstützung

Außenpolitisch konnte der Präsident Erfolge verbuchen. Er erzielte eine Übereinkunft mit Russland, um die syrischen Chemiewaffen loszuwerden, und verhinderte dadurch einen bevorstehenden Einsatz der US-Army in Syrien. Und nach direkten und geheimen Verhandlungen mit dem Iran hat eine neue Runde tiefer gehender Verhandlungen über dessen Atomprogramm begonnen. Zwar wollen Israel und seine Verbündeten in den USA die Gespräche torpedieren, aber bislang hat Obama ihrem Druck widerstanden.

Um aber seine Politik der Zurückhaltung im Mittleren Osten beizubehalten, wird der Präsident die Kriegsmüdigkeit und -skepsis der US-Amerikaner weiter mobilisieren müssen. Die erstreckt sich noch nicht auf verdeckte Operationen, auf Drohnenangriffe und weitverbreitete kleine Interventionen aller Art, die der Öffentlichkeit bislang als notwendige Verteidigung der „nationalen Sicherheit“ verkauft wurden. Obama kann es sich nicht leisten, dem militärischen Apparat hier einfach Einhalt zu gebieten.

Aber wegen seines Unwillens, in Fragen der Außen- und Militärpolitik die Öffentlichkeit ähnlich um Unterstützung zu bitten wie in Fragen der Innenpolitik, ist er stark unter Druck geraten. Jetzt braucht Obama aber die öffentliche Unterstützung, um eine kohärente Politik der Reduzierung überzogener Ansprüche auszuarbeiten. Bislang hat er es vermieden, sich festzulegen – mit der Folge, dass er nicht Schritt für Schritt vorgehen konnte, sondern im Gegenteil jeder einzelne Schritt zur Konfrontation mit der noch immer starken Partei des permanenten Krieges führt.

Gestaltbare Zukunft

Obama könnte dieses Jahr nutzen, um dem amerikanischen Volk zu erklären, dass die Epoche amerikanischer Hegemonie vorbei ist. Ob er sich das allerdings traut, ist noch nicht entschieden. In den Außenbeziehungen zu anderen Mächten – der wenn auch gespaltenen EU, China, Russland, Indien, Brasilien, Südafrika – ist es jedoch unvermeidbar.

Was allerdings die letzten drei Jahre seiner Amtszeit wirklich bringen werden, ist offen. Es ist Unsinn zu behaupten, Obama könne jetzt keine größeren Initiativen mehr starten. Es liegt am Präsidenten, die Zukunft anzugehen und die politischen Bedingungen zu gestalten. In seinen Ferien in Hawaii, wo er einen Großteil seiner Kindheit und Jugend verbracht hat, hat er ohne Zweifel darüber nachgedacht.

Aus dem Amerikanischen von Bernd Pickert

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